Merken

Wie Pirnas Klinikum ältere Patienten betreut

Die Klinik eröffnet am Freitag die neue Geriatrie-Station. In der Abteilung ist manches recht außergewöhnlich.

Teilen
Folgen
NEU!
© Norbert Millauer

Von Thomas Möckel

Pirna. Gleich zu Beginn taucht eine Bushaltestelle auf, mit einem Haltestellenschild, einem Fahrplan mit übergroßer Schrift, einer Uhr, zwei Sitzen zum Ausklappen. Busse fahren hier allerdings nicht ab, die Haltestelle liegt auf einem Stationsgang im Pirnaer Klinikum auf dem Sonnenstein. Sie ist Teil einer ganz besonderen Abteilung, die am Freitag offiziell eröffnet wird. Die SZ stellt das neue Projekt vor.

Blick in die neue Abteilung

An der Haltestelle erinnern sich Senioren daran, wie mobil sie einst waren.
An der Haltestelle erinnern sich Senioren daran, wie mobil sie einst waren.
Im Antisturz-Raum üben Patienten, über verschiedene Bodenbeläge zu gehen.
Im Antisturz-Raum üben Patienten, über verschiedene Bodenbeläge zu gehen.
In den neuen Speiseraum integrierte die Klinik eine Therapieküche.
In den neuen Speiseraum integrierte die Klinik eine Therapieküche.
Das Wohnzimmer ist Treffpunkt für Patienten und Angehörige.Das Wohnzimmer ist Treffpunkt für Patienten und Angehörige.
Das Wohnzimmer ist Treffpunkt für Patienten und Angehörige.Das Wohnzimmer ist Treffpunkt für Patienten und Angehörige.

Welche neue Station hat die Klinik aufgebaut?
In der ersten Etage befindet sich jetzt auf der Station B1 die neue „Klinik für Geriatrie und Frührehabilitation“. In dieser Abteilung werden vornehmlich ältere Senioren betreut und behandelt. In Betrieb ist die Fachabteilung schon seit Ende 2015, nun aber verfügt diese Abteilung über eine komplett eigene Station mit 34 Betten, einem Therapiebereich und einem Außenbereich. Im November 2017 startete der Umbau, nach wenigen Monaten ist nun alles fertig. „Es ging alles sehr schnell, und wir hatten viel Freiraum, um die Räume nach unseren Vorstellungen zu gestalten“, sagt Dr. Carolin Höhlig, Chefärztin der Station.

Das Klinikum investierte rund 1,5 Millionen Euro, der Freistaat Sachen förderte davon 1,2 Millionen Euro. Am Freitag wird die Geriatrie-Klinik offiziell mit Staatsministerin Barbara Klepsch, der Vorstandsvorsitzenden des Landesverbandes Geriatrie Sachsen, Dipl.-Med. Sabine Vodenitscharov, dem Landrat sowie Pirnas OB eröffnet.

Warum ist die geriatrische Station so wichtig für die Klinik?
Nach Auskunft von Chefärztin Höhlig steigt die Zahl älterer Menschen durch die demografische Entwicklung, sodass auch die Zahl betagter Patienten zunimmt, die ganz speziell behandelt und auf das Leben nach der Klinik vorbereitet werden müssen. Das Sächsische Sozialministerium erteilte 2014 dem Klinikum der Versorgungsauftrag für eine Geriatrie. Das Klinikum startete im September 2015 mit der speziellen Abteilung, zunächst mit zehn Betten. Carolin Höhlig kam als Chefärztin nach Pirna, weitere Ärzte, Therapeuten, Schwestern und Pfleger wurden speziell ausgebildet oder für das Zentrum für Altersmedizin gewonnen. Derzeit verfügt die Abteilung über 24 Betten, im kommenden Jahr sollen dann alle 34 Betten belegt werden.

Nach welchen Kriterien wurde die Station umgebaut?
Der Bundesverband der Geriatrie hat bestimmte strukturelle Anforderungen für eine geriatrische Klinik zusammengestellt, entsprechend diesen Parametern wurde umgebaut. Dazu zählen beispielsweise ausreichend große Patientenzimmer. Früher waren zwei nebeneinanderliegende Zimmer nur über eine einzige Tür zum Flur und einen gemeinsamen Vorraum zu erreichen. Diese Zwischenräume entfielen, jedes der Zimmer verfügt nun über einen separaten Eingang, die Räume wurden somit größer. „So ist es wesentlich einfacher, Hilfsmittel und Betten zu transportieren“, sagt Carolin Höhlig. Alle Zimmer sind rollstuhlgerecht, die Bäder sind barrierefrei.

Was ist das Besondere an der geriatrischen Klinik?
Die Patientenzimmer sind nicht nur nummeriert, an jeder Tür klebt ein Symbol, mal eine Eule, mal ein Baum – für jene Patienten, die sich keine Zahlen mehr merken können. Auch Arzt- und Schwesternzimmer sind übergroß gekennzeichnet.

In der Mitte der Station befindet sich das Wohnzimmer, ein Aufenthaltsraum mit Sesseln und Sofas, Fernseher, Büchern. Es fungiert als sozialer Treff für Patienten und Angehörige. „Es wird sehr gut angenommen“, sagt die Chefärztin. 80 Prozent der Patienten stammten aus Single-Haushalten, da sei das Bedürfnis, mit anderen zu kommunizieren, besonders groß. An das Wohnzimmer schließt sich ein Speiseraum an, in dem die Patienten miteinander essen und reden können. Zum Speiseraum gehört überdies eine Therapieküche, in der Senioren kochen oder einfache Handgriffe der Küchenarbeit wiedererlernen können.

Im Gang findet sich eben jene Bushaltestelle, an der die Senioren gern und viel sitzen. Laut der Chefärztin ist dieser Platz für die Patienten sehr bedeutsam. „Hier erinnern sie sich an die Zeit, als sie noch mobil waren und verreisten“, sagt Carolin Höhlig.

Zwei Etagen tiefer befindet sich der Antisturz-Raum, wo die Patienten lernen, sich allein oder mithilfe eines Rollators über unebenes Terrain zu bewegen, unter anderem über grobes Kopfsteinpflaster oder eine Treppe. Nächstes Jahr kommt noch ein Laufband hinzu. Es soll die Patienten schulen, wie sie mit Gehhilfen rasch über die Straße kommen. Im Außenbereich schließt sich ein Parcours mit unterschiedlichen Belägen an. Dort üben die Patienten, wie sie auf diesem Gelände zurechtkommen.

Wer gehört alles zum Betreuer-Team?
Zur Geriatrischen Klinik gehören drei Ärzte – zwei Neurologen und ein Internist. Hinzu kommt eine Psychologin, zudem speziell geschulte Pflegekräfte. Sie kümmern sich um die aktivierende therapeutische Pflege, weil sie die Patienten neben der üblichen Pflege auch anleiten, wie sie sich selbst anziehen oder waschen können. Ergänzt wird das Team durch Ergotherapeuten und Logopäden. Darüber hinaus sind Sozialarbeiter vor Ort, die sich beispielsweise darum kümmern, welche Hilfsmittel zu Hause benötig werden und ob entlassene Patienten etwa von Nachbarn oder Verwandten unterstützt werden können. Mit dabei sind auch die ehrenamtlichen „Grünen Damen“, die mit den Patienten sprechen, ihnen Beistand leisten und kleine Besorgungen übernehmen. Darüber hinaus kooperiert die Klinik mit den Vereinen „ZBBB“ und „Vergissmeinnicht“.

Wie lange werden die Patienten behandelt?
Im Normalfall werden Patienten mit akuten Erkrankungen im Klinikum behandelt und wieder entlassen, manche schon nach wenigen Tagen. Auf der Geriatrie-Station hingegen bleiben die Patienten bis zu drei Wochen. Der Grund liegt in einer Doppelfunktion: Auch auf die Geriatrie kommen Patienten mit akuten Erkrankungen, beispielsweise mit Brüchen, mit Darmverschlüssen, Herzinfarkten oder Schlaganfällen. Bei älteren Menschen, sagt Höhlig, kommen aber oft noch langwierige funktionelle Störungen hinzu. Daher werden neben der akuten Behandlung auch Muskelstatus, Beweglichkeit, Kraft und Hirnleistung getestet und bei Bedarf trainiert.

Welche Patienten werden auf der Geriatrie behandelt?
Laut Carolin Höhlig werden auf der Station betagte Patienten behandelt, wenn sie schwer erkrankt und funktionell stark eingeschränkt sind. In der Regel sind die Geriatrie-Patienten ab 70 Jahre alt, den Großteil machen allerdings die sogenannten Hochbetagten aus – Menschen ab 85 Jahre. Ein Drittel der Patienten kommt aus der Inneren Medizin auf die Geriatrie, ein Drittel aus der Chirurgie, ein Drittel wird von Hausärzten eingewiesen. Letzteres werde laut Höhlig gut angenommen, weil die Symptome erkrankter Senioren häufig unspezifisch sind und es schwer einzuschätzen sei, in welcher Fachabteilung sie optimal behandelt werden können.

Was ist das Ziel nach der Entlassung?
Im Idealfall sollen die Patienten nach dem Klinikaufenthalt wieder autonom und autark zu Hause leben können, zumindest aber autonom im Seniorenheim.