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Wieder Wölfe im Tharandter Wald?

Einer Frau ist im Tharandter Wald ein Wolf über den Weg gelaufen. Laut Experten könnte das in Zukunft öfter passieren.

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© Symbolbild: dpa

Tharandt. Sie habe keine Angst vor großen Tieren, erzählt Ute Kalb aus Possendorf. Deshalb sei sie auch ganz ruhig geblieben, als ein Wolf am vergangenen Sonntag ihren Weg im Tharandter Wald kreuzte – nur etwa 50 Meter von ihr entfernt. Das war gegen 14.30 Uhr und ganz in der Nähe von Kurort Hartha. „Ich habe ihn nur drei Sekunden lang gesehen. Er war sehr scheu und ist sofort wieder in den Wald zurückgelaufen“, sagt Ute Kalb. Alles ging so schnell, dass ihr Mann, mit dem sie im Tharandter Wald Pilze sammeln war, das Tier gar nicht bemerkt habe.

Ute Kalb hat nach ihrem Ausflug alles richtig gemacht: Im Internet hat sie ein Protokoll des Kontaktbüros Wolfsregion Lausitz ausgefüllt und die Tharandter Stadtverwaltung informiert. Über beide Wege gelangte die Information zu Detlef Uhlig, dem Wolfsbeauftragten des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Wie schätzt er die Situation ein? Uhlig erzählt, dass es immer mal wieder Wölfe gibt, die den Tharandter Wald durchziehen. „In diesem Jahr wurden im Tharandter Wald aber noch keine Schafe oder andere Tiere gerissen“, so Uhlig. Vor zwei Jahren hielt sich ein Wolf ein paar Tage lang in Obercarsdorf auf und riss dort auch mehrere Schafe. Einen weiteren Verdachtsfall gab es im Februar vergangenen Jahres in Klingenberg. Dieser konnte aber nicht mit Sicherheit bestätigt werden.

Wölfe schauen sich ihre Umgebung sehr genau an und untersuchen, ob es vor Ort etwas zu holen gibt. „Wir haben diesen Hinweis vom Sonntag aufgenommen“, sagt Uhlig. Er ist den Waldweg am Montag auf der Suche nach Spuren abgelaufen. Gefunden hat er nichts. „Spuren sind hier schlecht zu sehen, obwohl es am Wochenende geregnet hat. Wir haben hier aber keine Sandböden, wie es sie in der Lausitz gibt.“ Auch Haare des Wolfes hat er nicht entdeckt. Dennoch nimmt er den Hinweis ernst. Er hat den Referenten für Wald- und Naturschutz im Sachsenforst informiert.

Helene Möslinger arbeitet beim Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz. Die Biologin beobachtet in einem permanenten Wolfsmonitoring mit ihrem Team die Wolfswanderung sachsenweit ganz genau. Was denkt sie über Ute Kalbs Beobachtung? „Es kann gut sein, dass die Dame einen Wolf gesehen hat. Bisher haben wir aber keine Hinweise darauf, dass sich ein Wolf in der Region niedergelassen hat.“ Die nächsten bekannten Wölfe würden sich nördlich von Dresden in der Laußnitzer Heide aufhalten und im Hohwald bei Neustadt.

Jedes Jahr mehr Wölfe

Möslingers Prognose für die kommenden Jahre ist eindeutig: „Der Wolf ist zurück in Deutschland und wird sich zunehmend verbreiten“, so die Expertin. „Erwachsene Wölfe verlassen ihr Rudel im Alter von etwa zwei Jahren. Dann suchen sich sowohl die männlichen als auch die weiblichen Tiere eigene Territorien. Diese sind 150 bis zu 350 Quadratkilometer groß.“ Erst Mitte der 1990er-Jahre siedelten sich Wölfe, die von der baltischen Population in Ostpolen abstammen, wieder in Deutschland an. Im Jahr 2000 konnten die ersten Wolfswelpen auf deutschem Gebiet nachgewiesen werden – nach 150 Jahren. Derzeit würden sie sich in Deutschland vor allem im Norden und Nordwesten niederlassen.

Wenn in der nächsten Zeit im Tharandter Wald gehäuft Wölfe gesichtet werden, müsste man dem weiter nachgehen und gemeinsam mit dem Sachsenforst zum Beispiel Fotofallen installieren. Detlef Uhlig will die Gefahr, die von Wölfen ausgehen kann, nicht kleinreden. Er weist aber darauf hin, dass es in Sachsen seit Jahrzehnten keine Wolfsangriffe auf den Menschen gegeben habe. Der Mensch, so Uhlig, stehe nicht auf der Nahrungsliste des Wolfes. „Derzeit“, hält Detlef Uhlig fest, „haben wir einen Hinweis. Aber auch nicht mehr.“

Das Landratsamt ist für Hinweise aus der Bevölkerung bei Wolfssichtungen dankbar. Diese nimmt es entgegen unter 03501 5153438 oder per E-Mail an [email protected]