Merken

Wilde Müllhaufen im Wald

90 Tonnen illegalen Abfall muss der Landkreis pro Jahr entsorgen. Den Tätern drohen hohe Strafen – theoretisch.

Teilen
Folgen
© Gernot Menzel

Von Jana Ulbrich

Landkreis Bautzen. Das ist doch nicht zu fassen: Ein alter Lautsprecher, Teppichreste, Farbeimer, eine Tasche voll mit kleinteiligem Restmüll, eine kaputte Heckenschere . . . Rita Thieme hockt sich ins Gras und notiert. Das hier ist schon der vierte frische Müllhaufen in diesem Waldstück hinter der Bahnlinie im Hoyerswerdaer Ortsteil Bröthen. Anwohner hatten beim Sachgebiet Abfallwirtschaft des Kreises angerufen. Das muss sich jetzt um den Haufen kümmern.

Rita Thieme, die Sachgebietsleiterin, wird den Kollegen vom Serviceteam dann gleich einen Auftrag schreiben. In einer Landkarte im Wanderkartenmaßstab wird sie die Stelle mit einem Kreuz markieren, dazu wird sie eine kurze Wegbeschreibung geben und eine Auflistung dessen, was sie auf den ersten Blick erkennen kann.

Derjenige, der den Haufen hier in den Wald geschafft hat, muss mit Auto und Anhänger gekommen sein. Und nicht nur er. Ein paar Meter entfernt liegen neben einem alten Korbstuhl zwei eimergroße Blechbüchsen: „Weißkäse, 14 Kilogramm“ ist darauf zu lesen – auf Englisch, Deutsch und Türkisch. „Die könnten aus einem Dönerladen stammen“, vermutet Rita Thieme. Aber aus welchem? Den Verursacher solcher illegalen Müllkippen ausfindig zu machen, ist so gut wie aussichtslos. Selbst wenn sich im Abgelagerten eine Spur finden würde, ließe es sich am Ende nur schwer beweisen, wer den Müll tatsächlich in den Wald gebracht hat. „Die einzige Chance wäre es wohl, wenn jemand auf frischer Tat gestellt werden würde“, sagt Rita Thieme. Sie kann sich nicht erinnern, dass das schon mal vorgekommen ist.

Auch Grünschnitt gehört nicht in den Wald

Wenn die Mitarbeiter des Landratsamtes doch mal einen erwischen würden! Richtig teuer könnte das werden: Den Umweltsündern nämlich drohen je nach Art und Umfang des Müllhaufens empfindliche Strafen. Sie reichen von 50 Euro Bußgeld für eine Kofferraumladung Gartenabfälle bis zu 20 000 Euro für fünf Kubikmeter Bauschutt.

Ja, auch Gartenabfälle und Grünschnitt gehören nicht in den Wald, erklärt Rita Thieme. Weil sich über diesen Weg unerwünschte Pflanzen unkontrolliert ausbreiten können, und weil sich mit dem Grünabfall der Zustand des Bodens verändert.

Rita Thieme ist nur wenige Schritte weitergelaufen, als sie schon wieder vor einem Müllhaufen steht: alter Fußbodenbelag, Kabel, Schläuche, ein Klodeckel, ein altes Ceranfeld, Teile eines alten Küchenregals, diverser Kleinkram im ausgedienten Plastiksack einer Trockenschüttung aus dem Baumarkt. Da hat wohl jemand renoviert. Nicht weit entfernt liegen altes Laminat und PVC-Fußbodenreste im Brombeergebüsch. Dazu sechs große, prall gefüllte blaue Müllsäcke, Inhalt unbekannt. Rita Thieme wird dem Service-Team vorsichtshalber den Hinweis geben, dass es sich in den Säcken auch um Gefahrgut oder Sondermüll handeln könnte und angemessene Arbeitsschutzbekleidung nötig ist.

Abfall oft kostenlos zu entsorgen

Die Sachgebietsleiterin schüttelt den Kopf: „Wer macht so was?“, fragt sie sich immer wieder. „Und warum?“ Die Müllentsorgung im Kreis Bautzen ist komfortabel geregelt – einschließlich Schadstoffmobil, Sondermüllannahmestellen und einer kostenlosen Sperrmüllabholung im Jahr. Trotz allem werden die wilden Müllhaufen im Wald nicht weniger. Das Problem ist überall im Landkreis dasselbe. Dieses hässlich bestückte Waldstück hier bei Hoyerswerda ist keine Ausnahme.

Die Service-Mitarbeiter vom Sachgebiet Abfallwirtschaft haben auch schon alte Sofas, Sessel, Kühlschränke, Fernseher und Fahrräder aus dem Wald geholt. Dazu jede Menge Sondermüll wie Farben, Lacke und Chemikalien, die obendrein noch den Boden verseuchen. Letztes Jahr musste Rita Thieme eine Spezialfirma beauftragen, um ölverseuchtes Erdreich abzutragen.

Sage und schreibe 90 Tonnen Müll haben die Mitarbeiter des Landratsamts 2015 aus den Wäldern geholt, darunter auch 389 Altreifen ohne und 69 mit Felgen. Rund 18 000 Euro hat die Entsorgung der illegalen Müllhaufen gekostet. Geld, das der Steuerzahler aufbringen muss. Dabei schaffen es die Mitarbeiter des Landratsamtes am Ende noch gar nicht, wirklich alles einzusammeln. Und das, obwohl zwei Kollegen das ganze Jahr über ausschließlich mit der Entsorgung solcher illegaler Müllhaufen beschäftigt sind. Sie könnten auch Besseres zu tun haben.