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Wilsdruffer singen mit der Stern Combo Meißen

Der Wilandes-Chor ist bei der Rocksinfonie „Bilder einer Ausstellung“ dabei. Ein Novum in der Vereinsgeschichte.

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© Thomas Morgenroth

Von Thomas Morgenroth

Wilsdruff. Der Tod war nicht gut“, sagt Stephan König und blickt in den Saal im Wilsdruffer Bahnhof. Vierzig Sängerinnen und Sänger stimmen dem 53-jährigen Dirigenten aus Leipzig mit einem zaghaften Nicken zu. Also noch einmal. König setzt sich an das elektrische Klavier, gibt mit der linken Hand den Einsatz, und eine gewaltige Ode an die Welt füllt die einstige Wartehalle: „Zeig mir im Spiegel der Wahrheit zartblaue Freiheit oder Krieg und Tod, liegt vielleicht dahinter auch das Ende der Welt?“

Der Wilandes-Chor geht so stimmgewaltig durch „Das große Tor von Kiew“, dass der Zuhörer schon bei der Probe eine Gänsehaut bekommt. Und die ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf eines der größten Ereignisse in der Geschichte des 2003 gegründeten Ensembles: Ende März stehen die in ihrer Freizeit singenden Männer und Frauen mit dem Leipziger Symphonieorchester und der Stern Combo Meißen in Reichenbach im Vogtland auf der Bühne. König dirigiert dort im Neuberinhaus seine rocksinfonische Bearbeitung eines der bedeutendsten Klavierzyklen der Musikgeschichte: „Bilder einer Ausstellung“.

Modest Mussorgski beschreibt in seinem 1874 komponierten Werk mit außergewöhnlichen Klangfarben Bilder seines im Jahr zuvor gestorbenen Freundes Viktor Hartmann. Hundertfach ist der musikalische Gang entlang der Kunstwerke bearbeitet worden. Auch Rockmusiker wie Tomita oder Emerson, Lake and Palmer haben sich des Stoffs angenommen, die wiederum 1975 die Stern Combo Meißen zu einer eigenen Fassung anregten.

Gesungen wurde zu Mussorgski damals nicht. Erst vierzig Jahre später bekam das rein instrumentale Stück einen deutschen Text – von Manuel Schmid, dem Sänger der Stern Combo Meißen. Der Pianist, Dirigent und Komponist Stephan König, von dem es auch eine Jazz-Version der „Bilder einer Ausstellung“ gibt, fügte schließlich alles zusammen: Orchester, Rockband und Chor. Das Auftragswerk hatte beim ersten Sächsischen Landesmusikfest im Juni 2015 in Grimma seine Weltpremiere. Das vom Publikum gefeierte Ereignis, bei Buschfunk als DVD und CD erschienen, blieb allerdings einmalig – die Veranstalter scheuen den Aufwand und die Kosten.

Uwe Treitinger nicht. Der 52-jährige Inhaber des Gasthauses „Bergkeller“ in Reichenbach veranstaltet in dem kleinen Ort schon zum fünften Mal ein dreitägiges Art-Rock-Festival. Höhepunkte sind Chris Thompson, der Sänger von Manfred Mann’s Earthband, der Ex-Scorpions-Gitarrist Uli Jon Roth mit seinem einzigen Deutschland-Konzert in diesem Jahr, Omega aus Ungarn – und das Projekt „Bilder einer Ausstellung.“ „Das wollte ich unbedingt haben“, sagt Treitinger, der die Stern Combo noch aus seinen Jugendtagen kennt. „Die hat regelmäßig hier gespielt.“ Mit Orchester und Chor ist der Auftritt jetzt ein Novum – und das zudem bei einem Rockfestival. „Das gibt es nur bei mir“, freut sich Treitinger, der mit tausend Besuchern pro Veranstaltungstag rechnet.

So kommt es also, dass die Rocksinfonie nach knapp zwei Jahren ihre erste Wiederaufführung erlebt. Mit einer entscheidenden Neuerung: Statt des Landesjugendchores Sachsen, dem der Termin nicht passte, ist diesmal der Wilandes-Chor aus Wilsdruff dabei. Der Kontakt kam über eines seiner Gründungsmitglieder zustande: Gunter Dreßler, Schriftführer im Vereinsvorstand, ist Stammkunde im „Bergkeller“. Nicht des Bieres, sondern der Rockkonzerte wegen, die dort in Club-Atmosphäre stattfinden. Als Treitinger von seinem Vorhaben erzählte, und klagte, dass ihm noch ein Chor fehle, war Dreßler gleich Feuer und Flamme. „Das passt doch bestens in unser Repertoire“, sagt der 53-Jährige.

Der von Helmar Federowski geleitete Chor singt eher selten Volkslieder, und dann nur in außergewöhnlichen Arrangements, zum Beispiel als atemberaubende Collage aus vierzehn verschiedenen Frühlingsliedern. Ansonsten kommen Klassiker des Rock’n’Roll genauso zur Aufführung wie Hits des Hardrock etwa von AC/DC oder auch Ostrock wie Citys „Am Fenster“, das Federowski einst für das Plattenlabel Amiga produzierte. Mit einer Rockband zusammen, meint der 70-Jährige, sei der Wilandes-Chor allerdings noch nie aufgetreten. „Aber der Mensch wächst mit seinen Aufgaben“, sagt Federowski und lacht. Dann setzt er sich mitten in seinen Chor und besingt mit ihm zusammen „Das große Tor von Kiew“, solange, bis Stephan König auch mit dem Tod zufrieden ist.

Wilandes-Chor live: 31. März, 18 Uhr, in Reichenbach mit Stern Meißen und dem Leipziger Symphonieorchester; 7. März, 19 Uhr, Klinik „Am Tharandter Wald“, Hetzdorf.

Hiergeht’s zum Chor.