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„Wir haben vom Westen profitiert“

Als ostdeutsche Modellstadt wird Meißen nach der Wende in eine besondere AG aufgenommen. Die Ergebnisse sind vielerorts in der Stadt zu sehen.

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© Claudia Hübschmann

Meißen. Steffen Wackwitz ist wieder zurück an seinem Schreibtisch im Bauamt auf der Leipziger Straße. Die letzten Tage seien anstrengend gewesen aber voller schöner Eindrücke, sagt Meißens Baudezernent. Gemeinsam mit Bauamts-Kollegen und Stadtplanern aus den Städten Regensburg, Bamberg, Lübeck, Stralsund und Görlitz ist er vom 16. bis 18. Juni in der Neißestadt sowie zu einer Exkursion im polnischen Breslau unterwegs gewesen.

Der Grund: Ein Treffen der AG Historische Städte, die in dieser Form seit 1991 existiert, jetzt also 25 Jahre alt geworden ist. Ihr Ziel war und ist es, sich den Herausforderungen der Sanierung historischer Stadtkerne zu stellen. „Vor allem ging es kurz nach der Wende um die Unterstützung bei städtebaulichen Problemen in rechtlicher, finanzieller, organisatorischer und personeller Weise“, erinnert sich der 54-Jährige, der seit 2002 Chef im Meißner Bauamt ist. Über die Arbeit in der AG, ihre sichtbaren Effekte in der Stadt Meißen und die baulichen Herausforderungen in nächster Zeit sprach Wackwitz mit der SZ.

Herr Wackwitz, die AG Historische Städte besteht aus drei westdeutschen und drei ostdeutschen Kommunen. Alle sind deutlich größer als Meißen. Wie kommt es, dass die Stadt überhaupt dabei ist?

In den alten Bundesländern hatten sich Lübeck, Bamberg und Regensburg bereits 1973 zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen. Kurz vor und nach der Wende haben dann erst die Bauminister der DDR und später der Bundesrepublik nach ostdeutschen Pendants mit einer historisch wertvollen Innenstadt und hohem Sanierungsbedarf gesucht. Modellstädte waren hier etwa Brandenburg, Stralsund, Halberstadt, Weimar, aber eben auch Meißen. Letztlich ist es der Initiative des damaligen Meißner Bürgermeisters und seiner Freundschaft mit dem Bamberger Stadtoberhaupt zu verdanken. Deshalb wählte Bamberg 1991 Meißen als Partner aus. Seit dem gibt es auch die AG Historische Städte, von der Meißen profitiert hat.

Weil nach der Wende hier niemand so recht wusste, wie eine funktionierende Verwaltung im Bereich Bauwesen aussehen soll?

So kann man das zugespitzt sagen. In Meißen lag nach 1991 so gut wie alles brach. Man brauchte Experten, die Erfahrungen in Sachen Stadtsanierung hatten, die über Fragen des Denkmalschutzes, Rahmenpläne, den Aufbau von Bauämtern und Eigentumsangelegenheiten Bescheid wissen. Das alles hatte es damals im Westen schon gegeben. Darum war und ist der Austausch mit den Partnerstädten für Meißen von hohem Wert. Profitiert haben wir auch hinsichtlich der stadttechnischen Erschließung. Komfort in Form einer Kläranlage oder unser modernes Abwassersystem – das alles wäre ohne Hilfe nicht so rasch möglich gewesen.

Wie schnell konnte Meißen den Wissensrückstand aufholen? Wo lag anschließend der Vorteil der Partnerschaft?

Heute sind wir auf Augenhöhe angekommen. Aber ich denke, schon kurz vor der Jahrtausendwende standen weniger der Aufbau der Verwaltung, sondern der konkrete Austausch zu Planungen, Baumaßnahmen und Ideen im Vordergrund. Ich erinnere mich etwa an lange Diskussionen in der AG vor dem Bau des Einkaufszentrums am Neumarkt. Am Ende haben uns positive Erfahrungen mit solchen Centern aus Görlitz oder Regensburg bei der Entscheidung geholfen. Seit 1998 lobt die AG außerdem einen internen Wettbewerb für die beste Sanierung in den Städten aus. Hier war auch Meißen schon siegreich – etwa bei der Sanierung des Wohnhauses an der Burgstraße 14, dem Goldenen Anker in Meißen oder auch das Hotel Goldener Löwe. Außerdem kommen Vertreter aus den anderen Städten auch hierher und beraten uns bei städteplanerischen Vorhaben. Im Frühjahr 2017 wird Meißen wieder Gastgeber des Treffens der AG sein.

Haben Sie auch aktuell Pläne zu städtischen Bauvorhaben auf Ihrem Tisch, die Sie mit Kollegen aus der AG besprochen haben?

Ja. Die Gestaltung des Theaterplatzes. Wie viele Bäume sollen hier stehen? Wie viele Stellplätze sind sinnvoll, wie präsentiert man am besten die Architektur des Theaters? Über solche Fragen berät auch die AG. Das hilft uns. Ähnlich war es bei der Gestaltung des Domplatzes oder des Kleinmarktes.

Ist es nicht manchmal frustrierend, wenn Sie die finanziellen Möglichkeiten etwa in den bayerischen Mitgliedsstädten der AG sehen und mit denen Meißens vergleichen?

Ich sehe das eher als Ansporn. Wenn man die wirtschaftliche Entwicklung und den Umgang mit historischer Bausubstanz in Regensburg sieht, kann uns das als Vorbild dienen. Denn auch dort lag 1973 noch vieles im Argen. Aber sie haben eine behutsame Stadtentwicklung vollzogen, sinnvoll investiert. Das geht auch in Meißen, wo sich die wirtschaftliche Situation peu á peu verbessert.

Welche baulichen Herausforderungen gibt es im Sanierungsgebiet Altstadt im Allgemeinen?

Hier denke ich vor allem an die Bereiche Energiesparen und Denkmalschutz. Beides zusammenzubringen ist in der Altstadt schwierig. Aber wir müssen und werden das – zum Beispiel bei der Wärmedämmung in sanierten Altbauten – hinbekommen.

Und im Stadtgebiet ganz konkret?

Schwerpunkte sind demnächst der Theaterplatz und die Neugasse. Aber auch die Platzgestaltung vor der Roten Schule. An der Questenbergschule und der Förderschule L stehen Sanierungsarbeiten an. Am Kalkberg wird es eine neue Kita geben. Hier stehen die konkreten Planungen ins Haus. Und wir würden auch gerne Fortschritte am Hamburger Hof sehen. Dazu muss der Betreiber einen Bauantrag stellen. Auf den warten wir aber noch.

Das Gespräch führte Marcus Herrmann.