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„Wir Schüler brauchen den Lößnitzdackel“

Täglich wird die Kleinbahn von vielen jungen Leuten auf dem Weg in Radebeuler Schulen genutzt. Doch wegen Geldmangel ist der Frühzug in Gefahr.

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Von Wolf Dieter Liebschner

Zeitig beginnt der Tag für Constanze Schmidt. Die Zwölfjährige aus Radeburg besucht das Gymnasium Luisenstift in Radebeul, fährt täglich mit der Lößnitzgrundbahn. „Halb sechs stehe ich jeden Tag auf. Eine halbe Stunde später muss ich aus dem Haus.“ Bis zum Bahnhof hat sie es nicht weit. Wenn sie ankommt, dampft schon die Lok. Pünktlich 6.11 Uhr fährt der Zug ab.

Damit könnte allerdings in naher Zukunft Schluss sein. Man müsse eventuell die Früh- und Abendzüge ausfallen lassen, hieß es vom Verkehrsverbund Oberelbe (VVO). Hintergrund sind die Sparpläne der Landesregierung im neuen Haushalt, der gegen Ende des jahres beschlossen werden soll. Danach müsste der VVO auf über acht Millionen Euro verzichten. Und das würde wiederum die Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft (SDG) treffen, die vom VVO jährlich zwei Millionen Euro für wochentags sieben Fahrten zwischen Radebeul, Moritzburg, Radeburg und zurück erhält.

Constanze genießt die Fahrt. „Hier hat man viel Platz. Im Bus ist es viel zu voll“, sagt sie. „Außerdem kann ich mich noch in Ruhe auf die Schule vorbereiten.“ Als ihre Freundin Luisa Gläser in Berbisdorf einsteigt, beginnen beide sofort die Französisch-Hausaufgaben zu vergleichen. Constanze wäre traurig, wenn sie den „Lößnitzdackel“ nicht mehr nutzen könnte. Luisa fragt besorgt, ob sie dann wohl den Bus nehmen müsste. Von ihrer Mutti habe sie schon gehört, dass der Frühzug auf der Kippe steht.

„Wir haben insgesamt 134 Mädchen und Jungen aus dieser Region am Luisenstift“, sagt Schulleiterin Heike Stolzenhain. „Ein beträchtlicher Teil davon kommt täglich mit dem Zug.“ Aus dem Lößnitzgymnasium waren keine Angaben dazu zu erfahren.

„Von Tag zu Tag unterschiedlich“ sei die Zahl der mitfahrenden Schüler, sagt Zugleiterin Simona Liebscher. Seit 2004 fährt sie auf dieser Strecke. Und kennt ihre Pappenheimer. Etwa den Jungen, der immer auf den buchstäblich letzten Pfiff gerannt kommt. Lokführer Torsten Arndt ist seit 1995 hier unterwegs. „Mit Schülern immer gut besetzt“, sagt er. „Besonders im Winter, wenn die Straßenverhältnisse schlecht sind.“ Sein Kollege René Otto versteht die Sparpläne nicht. „Sonst ist für alles Geld übrig“, schimpft er. „Aber ausgerechnet bei so einer kleinen Bahn soll gespart werden. Die Großen haben dafür doch viel mehr Potenzial.“

Einer der wenigen, die nicht in eines der beiden Radebeuler Gymnasien wollen, ist Robert Egbert aus Radeburg. Zweimal pro Woche fährt er zur Radebeuler Berufsschule. „Das wäre ganz schlecht, wenn der Frühzug nicht mehr fahren würde“, sagt er. „Da müsste ich noch früher aufstehen. Denn der Bus fährt eher.“

Am gestrigen Donnerstag sind etwa 30 bis 40 Schüler unterwegs. Die meisten steigen in Moritzburg ein. Zu ihnen gehört auch Willy Conrad aus der 12. Klasse des Lößnitzgymnasiums. Wenn es zeitlich passt, fährt er mit dem „Dackel“ auch zurück. Er ist schon ein alter Hase auf dieser Strecke, fährt seit der 5. Klasse. „Wir Schüler brauchen den Lößnitzdackel“, sagt er. „Auf die Bahn ist Verlass. Immer pünktlich und besser als ein überfüllter Bus. Besonders im Winter gibt es dort schnell mal Chaos. Und außerdem müsste ich umsteigen.“

Pünktlich 6.55 Uhr steigen etwa 40 Schüler am „Weißen Roß“ aus. Bis nach Radebeul-Ost sind es noch genau sechs Minuten. Kaum eine Handvoll Passagiere absolviert diese letzte Strecke.