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„Wir sind nicht klüger, wir denken nur schneller“

Ein Hochbegabten-Verein hat in der Lausitz nur zwölf Mitglieder. Um weitere Betroffene zu finden, bietet er jetzt in Görlitz einen IQ-Test an.

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© nikolaischmidt.de

Von Ingo Kramer

Anja-Christina Carstensen erlebt es ein bisschen als ein Tabu-Thema. „Die Leute reden nicht viel über Hochbegabung, weil es schnell elitär wirkt“, sagt die 45-Jährige, die seit 2011 in Görlitz lebt. Sie selbst ist hochbegabt, das heißt, sie hat einen IQ über 130. Trotzdem empfindet sie sich nicht als elitär. „Einen hohen IQ zu haben, heißt nicht, klüger zu sein. Wir denken nur schneller.“

Das könne durchaus zu Problemen führen. Manche Betroffenen sind in der Schule unterfordert, was sich in Verhaltensauffälligkeiten äußere. Wird die Hochintelligenz nicht erkannt, könne das zu gescheiterten Biografien führen, weil sich die Leute wenig zutrauen. „Bei mir selbst zeigt sich die Begabung dadurch, dass ich ein Tausendsassa bin“, sagt Anja-Christina Carstensen, die im Übrigen die Tochter von Peter Harry Carstensen ist, dem früheren Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein. Sie habe Tausende Interessen und wolle immer alles ganz genau wissen: „Das ist nicht unbedingt karrierefördernd.“ Beruflich macht sie alles Mögliche, ist freie Dozentin für Kunst und Design an verschiedenen Hochschulen, arbeitet als systemischer Coach und Beraterin und beschäftigt sich mit Kunst, Kultur und Design.

Von ihrer Hochbegabung weiß sie schon länger, seit zehn Jahren ist sie Mitglied im Hochbegabten-Verein Mensa. Der ist international tätig, allein in Deutschland hat er 13 000 Mitglieder – in der Lausitz aber nur zwölf. Und in Zgorzelec gar nur eine einzige Frau. Die ist auf die Deutschen zugegangen. „Da haben wir festgestellt, dass wir beide kaum Mitglieder haben“, sagt Anja-Christina Carstensen. Das sei schade, denn es mache Spaß, Leute zu treffen, die so ähnlich ticken. „Diskussionen laufen da etwas anders ab, das ist schon witzig“, sagt sie. In Dresden, Leipzig und Berlin gebe es regelmäßige Stammtische und Spieleabende, seit Mai oder Juni auch – in ganz kleiner Runde – in Bautzen.

So etwas hätte Anja-Christina Carstensen auch gern in Görlitz. Deshalb bietet sie am 24. November, 11 Uhr, in der Blue Box auf dem Gelände der Hochschule Intelligenztests an. Sie selbst übernimmt die Leitung. Wer mindestens 14 Jahre alt ist, darf teilnehmen. Nach dem Testende bekommt ein unabhängiger Psychologe die Unterlagen und wertet sie unter strengster Schweigepflicht aus. Die Teilnehmer – und nur sie – erhalten eine Mitteilung mit dem Ergebnis. Kein Dritter, auch nicht Mensa, erfährt den genauen Ausgang der IQ-Messung. Dem Verein wird nur mitgeteilt, wer für eine Mitgliedschaft in Betracht kommt. Theoretisch haben zwei Prozent der Bevölkerung einen IQ von mindestens 130.

Das Ganze kostet 60 Euro pro Person. Ein sehr niedriger Preis, sagt Anja-Christina Carstensen: „Wenn man zu einem Psychologen geht, liegen die Kosten schnell im mittleren dreistelligen Bereich.“ Aber unter 60 Euro kann auch der Verein den IQ-Test nicht anbieten. Zwar arbeitet die Testleiterin ehrenamtlich, aber der Psychologe muss entlohnt werden und für den Test selbst muss der Verein auch Lizenzgebühren bezahlen. Dass nicht Hunderte Leute teilnehmen werden, ist Anja-Christina Carstensen bewusst: „Es geht darum, die Leute zu erreichen, die Interesse an dem Thema haben.“ Wird Hochintelligenz erkannt, könne das für denjenigen ein großer Schritt sein: „Menschen, die sich bisher nichts zugetraut haben, können ihren Lebenslauf verändern.“ Oder es gründet sich einfach ein Görlitzer Stammtisch, bei dem sich die Betroffenen austauschen können.

Anmeldung zum Test bis 22.11. unter www.mensa.de - ohne verbindliche Anmeldung ist keine Teilnahme möglich!