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Wird die Uran-Altlast zur Jahrhundertaufgabe?

Das Wasser aus der alten Grube in Königstein ist belastet. Die Behörden haben vorerst die weitere Flutung der Schächte verboten. Doch Alternativen machen sich rar.

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© Wismut

Von Matthias Weigel

Königstein. In grellem Weiß schimmern die Gebäude und die endlosen Rohrleitungen durch winterkahle Bäume. Hier, im Königsteiner Forst schießt Wasser aus den Leitungen in große Becken. 6 000 Liter in jeder Minute, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr – hochgepumpt aus der Tiefe, aus den Kammern und Stollen der Urangrube, die die „sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft Wismut“ zu DDR-Zeiten betrieben hat.

Kamen jetzt zur Visite an den Standort Königstein zu Leiter Carsten Wedekind (l.): Wismut-Geschäftsführer Rainer Türmer und Stefan Mann sowie Ressortleiter Bau und Umwelt im Landratsamt, Heiko Weigel (l). Sie sind Teil des Umweltbeirats, der einmal jährli
Kamen jetzt zur Visite an den Standort Königstein zu Leiter Carsten Wedekind (l.): Wismut-Geschäftsführer Rainer Türmer und Stefan Mann sowie Ressortleiter Bau und Umwelt im Landratsamt, Heiko Weigel (l). Sie sind Teil des Umweltbeirats, der einmal jährli © Katja Frohberg

Dass die Pumpen noch vor seiner Pensionierung abgeschaltet werden, glaubt Carsten Wedekind nicht. Dazu kennt der Königsteiner Betriebsleiter der Wismut, die heute Bergbausanierung betreibt, die Fakten zu genau. Für Wedekind, 58, ist die Rente in ein paar Jahren greifbar – inzwischen aber als Szenario denkbar, dass die Anlagen im Ortsteil Leupoldishain noch Generationen laufen. 100 Jahre, vielleicht mehr, vielleicht weniger. „Unser Ziel ist das nicht. Aber wir müssen uns den Herausforderungen stellen“, sagt Wedekind.

Mit Herausforderung meint er, dass offen ist, wie es mit der Flutung der Urangrube weitergeht. Die Bergbaustätte unter Tage ist zwar lange verschlossen. Und seit gut 15 Jahren schon lässt die Wismut kontrolliert die unterirdischen Hohlräume fluten. Doch das Wasser wäscht Schadstoffe aus. Und die müssen in der Aufbereitungsanlage aufwendig wieder rausgefiltert werden, bevor das Wasser in die Elbe darf.

Gut 1 015 Tonnen Uran, 9 650 Tonnen Eisen, 54 600 Tonnen Schwefelverbindungen, 2 340 Tonnen Chloride waren das seit 2001, wie Wedekind jetzt bei einem Vor-Ort-Termin bilanzierte. Das Uran wurde auf Beschluss des Freistaates weitgehend verkauft. Der Rest wird auf der Halde entsorgt. „Inzwischen sind die Konzentrationen deutlich gesunken“, sagt Wedekind. Waren es im Mittel einst 200 Milligramm Uran je Liter Wasser, redet man heute von zehn Milligramm. Gefiltert wird trotzdem noch. Und um den Waschprozess zu beschleunigen, hilft die Wismut nach, pumpt Wasser nach unten – und wieder hoch.

Pumpen laufen immer noch

Doch die Pumpen laufen auch noch aus einem ganz anderen Grund: Der Pegel muss in etwa bei 140 Metern über Normalnull gehalten werden. Das sind in etwa zwei Drittel der Grubenhöhe. Die schrittweise Flutung des letzten Drittels hatten die Behörden 2013 verweigert – aus Sorge um die Grundwasserqualität. Immerhin rechnet man im oberen Bereich noch einmal mit 400 Tonnen Uran, die ausgewaschen werden könnten. Kontakt mit grundwasserführenden Schichten will man da vermeiden. Die geologischen und chemischen Verhältnisse unter Tage sind kompliziert, was exakte Vorhersagen schwermacht. Letzte Unschärfen bleiben.

Kann man sich darauf einlassen? Die Wismut sagt ja – nicht nur, weil die Alternative „Pumpen auf Ewigkeit“ hieße. Über 20 Jahre habe man inzwischen an der gesteuerten Flutung und dem Schadstoffmanagement geforscht. Es seien Dutzende Studien gemacht worden – eine gewisse Expertise ist also vorhanden. „Wir sind immer sehr vorsichtig herangegangen“, so Wedekind. Und die bisherige Flutung habe gezeigt, dass das System „Gott sei Dank“ noch sehr viel stabiler gewesen sei, als erwartet. Neue Belastungen blieben aus – die alten gingen stetig zurück. „Das gibt uns eine gewisse Sicherheit“, sagt er. Und die betreffende Grundwasserschicht, über die man nun rede, werde nur in einem kleinen Bereich berührt, der gar nicht genutzt wird – und den man isolieren könnte.

Fast eine Milliarde Euro bisher

Die Behörden sind da vorsichtiger. Sie lehnten das Konzept der Wismut vorerst ab, wollen sich auf Experimente nicht einlassen, wollen lieber Alternativen und andere technologische Ansätze prüfen. Gleichwohl wissen auch sie, dass man das Problem nicht einfach von Generation zu Generation weiterschieben kann, auch wenn sich die Technologien weiterentwickeln. Von allein wird sich das Problem nicht klären. Ohne Steuerung des Prozesses, ohne Pumpen, würden die Schadstoffe noch viel größeres Unheil anrichten. Derzeit fährt die Wismut ein Regime mit allerlei Sicherheiten: Ersatzpumpen vor Ort, enge Wartungszeiträume, für den Notfall ausgelegte Bohrlöcher, Notstrom.

Inzwischen ist der Bergbausanierer in Widerspruch gegangen. In dem Verfahren geht es nun darum, dass Fachleute und Behörden eine vernünftige Lösung für die endgültige Sanierung des ehemaligen Bergbaustandortes Königstein finden. Eine Lösung, damit das System irgendwann funktioniert. Ohne dauerhaft Millionen zu kosten. Ohne Pumpen. Ohne gefährliche Belastung der Umwelt. Wenn es gleichwohl illusorisch ist anzunehmen, dass die 40 Jahre rücksichtsloser Uranbergbau völlig ungeschehen gemacht werden könnten. Was jetzt passiert, ist allenfalls die angemessene und weitgehende Minimierung der Folgen.

Die hat seit 1990 allein am Standort Königstein, zu dem auch der Bereich Dresden-Gittersee gehört, bislang rund eine Milliarde Euro gekostet. Es werden nicht die letzten Gelder gewesen sein. Denn es stehen weitere Etappen auf dem Gelände an – so der Abriss weiterer Gebäude und der Umbau der Aufbereitungsanlage. Die soll bereits für das letzte Drittel gerüstet und für die nächsten 25 Jahre fit gemacht werden. So lange soll die Wasserreinigung mindestens noch laufen. Wedekind jedenfalls ist da längst in Rente. Ob er das Abschalten der Pumpen noch erleben kann? „Wir gehen nach wie vor optimistisch ran“, sagt er.