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Der Arbeitskampf im Supermarkt

Seit Monaten sind die Verhandlungen im Einzelhandel zum Erliegen gekommen. Zwei Betriebsrätinnen von Aldi und Kaufland berichten von den Auseinandersetzungen.

Von Nikolaus Gruendahl
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Beschäftigte im Lebensmitteleinzelhandel bei einem Streik in Chemnitz vor dem Chemnitzcenter am 26.03.2023. Betriebsrätin Ina Taute-Hässelbarth trägt hier blaue Hasenohren. Foto: Ina Taute-Hässelbarth
Beschäftigte im Lebensmitteleinzelhandel bei einem Streik in Chemnitz vor dem Chemnitzcenter am 26.03.2023. Betriebsrätin Ina Taute-Hässelbarth trägt hier blaue Hasenohren. Foto: Ina Taute-Hässelbarth © Foto: Ina Taute-Hässelbarth

In den letzten zwei Jahren ist die Inflation kräftig gestiegen. Im Alltag ist deutlich spürbar, dass alles teurer geworden ist. Besonders betroffen von den Preissteigerungen sind Angestellte im Niedriglohnsektor, da sie einen größeren Anteil ihres Einkommens ausgeben müssen, um ihre Grundbedürfnisse abzudecken. Im Supermarkt, dort, wo wir alle die Inflation vor allem erfahren, müssen die Beschäftigten jedoch schon seit Monaten für höhere Löhne und eine Inflationsausgleichsprämie kämpfen.

Ina Taute-Hässelbarth ist Betriebsratsvorsitzende in der Aldi GmbH & Co KG Beucha bei Leipzig. „Wir haben über 100 Streiktage hier in Beucha“, sagt die 55-Jährige, „jedoch ohne Erfolg.“ Das Problem der Gewerkschafter ist, dass anders als bei Lokomotivführern oder Piloten, die meisten Kunden die Streiks gar nicht mitbekommen. Der Arbeitgeber Aldi schaffe es immer wieder mit der Ausgliederung von Arbeitsprozessen, die Streiks abzufangen. Und wenn ein Markt mal geschlossen ist oder vielleicht ein paar Produkte nicht hat, können die Kunden einfach zu einem anderen Supermarkt gehen.

„Es gibt ein klares Muster, wonach die streikenden Mitarbeiter benachteiligt werden“

Überall im Einzelhandel gibt es einen hohen Anteil von Teilzeitbeschäftigten. Häufig wollen die Arbeitnehmer jedoch mehr arbeiten. Für Taute-Hässelbarth ist die Sache klar: „Viele Mitarbeitenden wollen 30 oder Vollzeit 38 Stunden arbeiten, werden jedoch bei 23 Stunden (im Lager 30,4 Stunden) gehalten. Das ist Zwangsteilzeit.“ Um mehr Geld zu verdienen, machen viele Mitarbeiter Überstunden. Nun kommt es laut der Betriebsrätin dazu, dass die Streikteilnehmer systematisch nicht mehr für Überstunden eingeplant werden. „Der Arbeitsplan wird so aufgesetzt, dass wir Streikteilnehmer nur noch für Grundstunden eingeplant werden, ohne Begründung.“

Auf Nachfrage der Sächsischen Zeitung erwidert Aldi, dass „grundsätzlich nicht zwischen streikenden und nicht-streikenden Mitarbeitern unterschieden wird. Dies hat auch eine Nachprüfung aus Anlass der Anfrage bestätigt.“ Die Arbeitszeitdokumentation im Logistikzentrum Beucha sei geprüft worden und belege, dass die Vorwürfe nicht haltbar seien.

Weiterer zentraler Streitpunkt: Die Inflationsausgleichsprämie

Katrin Kluge ist Betriebsrätin bei Kaufland in Ulm. Sie hat eine Petition initiiert, die Kaufland zur Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie auffordert. Mittlerweile hat die Petition bundesweit 19.000 Unterschriften, 2.300 der Unterschriften kommen aus 37 Kaufland-Märkten in Sachsen. In der Petition heißt es, dass die Inflation die Lebenshaltungskosten dramatisch nach oben treibt. Die Bundesregierung hat daher die Möglichkeit geschaffen, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern bis zum 31.12.2024 jeweils 3.000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei zusätzlich zum Gehalt auszahlen können.

Bisher haben sowohl Kaufland als auch Aldi ihren Mitarbeitenden einen Warengutschein in Höhe von 250 Euro, für geringfügig Beschäftigte 75 Euro, zukommen lassen. Kaufland hat im Dezember 2023 seinen Vollzeitkräften zusätzlich 500 Euro überwiesen. Teilzeitkräfte erhielten anteilsmäßig, mindestens 75 Euro. Auf Anfrage der Sächsischen Zeitung gibt die Pressestelle von Kaufland an, dass man aktuell „keine Zusagen zu weiteren Zahlungen im Rahmen der Inflationsausgleichsprämie geben kann.“ Man habe bereits im März das Tarifentgelt freiwillig erhöht und sei damit anderen Einzelhandelsunternehmen vorausgegangen.

Verdi hat mittlerweile erneut zu Streiks im Einzelhandel in Thüringen aufgerufen. Unverändert fordert die Gewerkschaft eine Erhöhung von mindestens 2,50 Euro pro Stunde, mit einer Laufzeit von einem Jahr. Dies würde einer Steigerung des Eckgehalts von 15 Prozent entsprechen. Die Arbeitgeberseite hingegen bietet laut Verdi ein Plus von 10 Prozent, über eine Laufzeit von zwei Jahren.