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Mittelsachsen: Auf Umwegen zum Berufsabschluss

Nicht allen gelingt die Ausbildung im ersten Anlauf. Die Arbeitsagentur hilft – aber nicht nur Schulabgängern.

Von Cathrin Reichelt
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Ein Mitarbeiter von Siltronic Freiberg absolviert 20 Jahre nach dem Schulabschluss eine Berufsausbildung. Durch die wird eine weitere Qualifizierung möglich.
Ein Mitarbeiter von Siltronic Freiberg absolviert 20 Jahre nach dem Schulabschluss eine Berufsausbildung. Durch die wird eine weitere Qualifizierung möglich. © Wacker Chemie AG

Mittelsachsen. Für die meisten jungen Menschen startet die Berufsausbildung direkt nach dem Schulabschluss. Das gelingt aber nicht allen. Die Gründe sind so vielfältig wie die Wege zum Facharbeiter. Dabei gibt‘s auch Unterstützung.

Mit Modulen neben dem Job zum Berufsabschluss

Miroslav Holecek arbeitet bei der Firma Siltronic in Freiberg und hat seit 20 Jahren nicht mehr auf der Schulbank gesessen. Doch vor einigen Monaten hat sich das geändert. Ursprünglich wurde er als Zeitarbeitnehmer bei dem Waferhersteller eingestellt. Inzwischen ist er sehr gut in seinem Job und will bleiben. Allerdings hat der keinen Berufsabschluss. Den holt er jetzt nach.

Demnächst stehen Prüfungen an. Auf die Theoretische sei er schon gespannt, sagt Holecek: „Weil ich aus Tschechien komme, fallen mir Wirtschaft und Sozialkunde schwerer.“ Der praktischen Prüfung im Januar sieht er gelassener entgegen. Hat er den Abschluss als Maschinen- und Anlagentechniker in der Tasche, kann er bei Siltronic an speziellen Projekten mitarbeiten und sich noch weiter qualifizieren.

Bei der Suche nach einer Ausbildungsmöglichkeit für Miroslav Holecek wurde Siltronic von Sandro Curth, Berufsberater im Erwerbsleben der Agentur für Arbeit Freiberg unterstützt. Die Möglichkeit, auch im späteren Berufsleben noch einen Berufsabschluss zu erwerben, gebe es immer, sagt er. Die Qualifizierung erfolge in Modulen. Kenntnisse, die bereits vorhanden sind, werden anerkannt. Dadurch verkürze sich die Ausbildung.

Fünf Module seien für Holeceks Beruf vorgesehen. Aufgrund seiner Berufserfahrung müsse er aber nur zwei absolvieren, sodass seine „Lehrzeit“ lediglich drei Monate beträgt. „Das Arbeitsentgelt wird in dieser Zeit bis zu 100 Prozent von der Agentur für Arbeit übernommen“, erklärt Curth. Ziel einer solchen Modul-Ausbildung sei es, Arbeitnehmern einen langfristigen Job in ihren Unternehmen zu ermöglichen.

Jugendberufsagentur wird um mobiles Angebot erweitert

Bei jungen Leuten bestehe eine gewisse Scheu, ein Amt aufzusuchen. Vor allem auch bei jenen, die nicht zum ersten Mal nach der richtigen Ausbildung suchen. Seit 2014 konnten sie sich auch an die virtuelle Jugendberufsagentur wenden.

Jetzt wird dieses um ein mobiles Angebot erweitert. „Wir wollen jungen Menschen in individuellen Lebenslagen helfen, sie bei der Berufswahl unterstützen, aber auch dem Abbruch einer Ausbildung vorbeugen oder die jungen Leute neu vermitteln“, fasst Birgit Kleinert, Geschäftsführerin des Jobcenters Mittelsachsen, zusammen.

Weil auch Abbrecher unterstützt werden sollen, sei die Jugendberufsagentur für Frauen und Männer bis zu einem Alter von 35 Jahren zuständig. Der Landkreis arbeite bei dem Vorhaben mit dem Jobcenter, der Arbeitsagentur, dem Landesamt für Schule und Bildung sowie der IHK und Handwerkskammer und weiteren Akteuren zusammen.

Vernetzung und Zusammenarbeit aller wichtigen Akteure

Der Jugendhilfeausschuss hat jetzt beschlossen, die Erweiterung der Jugendberufsagentur mit dem Don Bosco Jugend-Werk Sachsen umzusetzen. Das verfüge seit 30 Jahren über eine breite Erfahrung in der Jugendarbeit und der Berufsbildung. Insgesamt hatten sich drei Träger für das Projekt interessiert. Das soll zeitnah starten und vorerst bis Ende 2024 laufen. So lange unterstütze der Freistaat die Arbeit durch Fördergeld.

„Der Träger vernetzt sich eng mit bestehenden Strukturen. Vernetzung und Zusammenarbeit aller wichtigen Akteure hilft nachweislich dabei, junge Menschen vor Arbeits- und Perspektivlosigkeit zu bewahren. Wir möchten junge Menschen ansprechen, die vielleicht Hemmnisse haben, direkt zur Arbeitsagentur, Jobcenter oder Jugendamt zu gehen und sie in den neuen Lebensabschnitt noch aktiver als jetzt begleiten“, erklärt auch Annett Voigtländer von der Abteilung Jugend und Familie im Landratsamt.

Praxisorientierte Berufsvorbereitung mit Jugendberufshilfe

Im Raum Freiberg wird ein neues Angebot für benachteiligte und beeinträchtigte junge Menschen etabliert – die sogenannte Jugendberufshilfe-Jugendwerkstatt. Auch Schüler, die bereits Probleme im Unterricht haben oder nicht regelmäßig zur Schule gehen, erhalten beim Berufsausbildungs-Förderverein Brand-Erbisdorf eine individuelle Unterstützung.

Dabei wird der theoretische Teil des Unterrichts auf ein Minimum beschränkt. Die Priorität liegt auf der praxisorientierten Berufsorientierung und Berufsvorbereitung. Ziel ist, die Chancen der jungen Menschen auf dem Ausbildungs- und Erwerbsmarkt zu erhöhen.

Interessierte an dem Projekt können sich an das Jobcenter wenden, Schüler an das Landesamt für Schule und Bildung sowie die jeweilige Schulleitung. Möglich wird das Projekt durch die Bereitstellung von Fördergeld aus dem Europäischen Sozialfond. Der Landkreis beteiligt sich ebenfalls finanziell.