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Wo ist die kleine Ella?

Marko Lemke sucht seine Tochter. Seit dem 5. Mai ist das Mädchen weg – mit der leiblichen Mutter.

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© Kristin Richter

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Ella ist nicht zu finden. Am 5. Mai hätte die Sechsjährige zu einer Berufungsverhandlung mit ihrer Mutter vor dem Oberlandesgericht in Dresden erscheinen müssen. Aber da war die leibliche Mutter längst mit dem Kind auf der Flucht. Sie hatte offenbar jede Hoffnung auf ein anderes Urteil aufgegeben, nachdem ihr die Richter das Sorgerecht für Ella entzogen hatten. Dabei wollte sie doch die alleinige Sorge. Deshalb war sie immer wieder vor Gericht gezogen.

Wo ist Ellla? Sie wurde offenbar entführt. Die Polizei ermittelt gegen die leibliche Mutter wegen Kindesentzug.
Wo ist Ellla? Sie wurde offenbar entführt. Die Polizei ermittelt gegen die leibliche Mutter wegen Kindesentzug. © privat

Nun ermittelt die Polizei wegen Kindesentzug und der Vater ist ratlos. Er macht nicht den Eindruck, als habe er seine Tochter mit allen Mitteln von der Mutter wegholen wollen. Das Amtsgericht Riesa bestätigt diesen Eindruck, denn es hält dem 50-jährigen Dresdner gerade zugute, dass er in den gerichtlichen Auseinandersetzungen kompromissbereit war. Er wollte Ella aber regelmäßig sehen, als die Beziehung 2012 auseinanderging.

Doch die Mutter, eine Großenhainerin, beantragte vor Gericht viermal das alleinige Recht, über den Aufenthalt, Kita- und Schulangelegenheiten entscheiden zu können. Und sie bestand darauf, mit der Kleinen nach Bayern umzuziehen, weil sie dort ein sehr gutes Jobangebot als Altenpflegerin erhalten habe. Die ausgebildete Krankenschwester, die seit 2014 nicht mehr arbeitete, gab vor Gericht wiederholt an, das Jobcenter könne ihr keine entsprechenden Arbeitsangebote machen. Dem Jobcenter entzog sie aber in dem Moment das Recht, dem Gericht Auskunft zu geben, als es die Richter dann doch genauer wissen wollten.

Ein auffälliger Schritt, wie die Richter in der 20-seitigen schriftlichen Urteilsbegründung darlegten, wohl auch ein symptomatischer, denn es blieb nicht bei der einen Abkapslung gegenüber Behörden und Familie väterlicherseits. Die vielen familiären Querelen gehören nicht hier her, allein was die Richter schriftlich darlegen, soll ausreichen, ein Bild der Tragödie zu zeichnen. Denn die Mutter verwehrte auch Jugendamt, Beratungsstellen, Familiengutachtern und sogar dem eigenen Anwalt den Einblick in die Situation.

Ella bekam so vom Gericht sogar einen eigenen Verfahrensbeistand und wurde befragt. Markant war für die Richter die Aussage des Mädchens, dass sie gern wieder in den Kindergarten gehen würde, denn ihre Freundin besuche sie auch nicht mehr. In der Gesamtschau vieler Begebenheiten, immer in der Tendenz, sich und das Kind abzuschotten, sahen die Richter beim Amtsgericht Riesa schließlich eine Gefährdung des Kindeswohls und die „Erziehungstauglichkeit“ eher aufseiten des Vaters. Marko Lemke wurden „von Amts wegen“ so das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Kita- und Schulangelegenheiten übertragen. Auch jetzt liegt die schriftliche Erklärung des Vaters vor, dass die Mutter jederzeit Umgang mit Ella haben könne.

Der Vater hatte für Ella nach der Entscheidung für die verbleibenden drei Monate vor der Einschulung einen Kindergartenplatz im St.-Benno-Kindergarten in Dresden organisiert und das Kind in der Schule angemeldet. „Ich wollte sie wenigstens noch die drei Monate mit anderen Kindern in Kontakt bringen“, sagt er. Doch dazu kommt es wohl nun nicht. Denn die Mutter ging gegen das Urteil vorm Oberlandesgericht in Berufung, obwohl die Richter dort schon sagten, ein erneutes Verfahren habe keinerlei Aussicht auf Erfolg.

Wie Recherchen ergaben, hatte sich die Mutter im sogenannten Mütternetzwerk im Internet Rat geholt. „Genau das hat sie gemacht“, sagt Marko Lemke resigniert. Geldkarte, Auto und Handy zu Hause lassen, das Konto nicht mehr benutzen, möglichst für ein Jahr Bargeld mitnehmen. Und dann? Marko Lemke zuckt mit den Schultern. Vermutlich hat die Mutter keinen Plan.

Auf der Facebook-Seite der Mutter ist ein Artikel einer fatal ähnlichen Lebensgeschichte geteilt: „Ich wollte einfach nur Mutter sein, ich wollte nur glücklich sein“ heißt die Schilderung. „Doch die Reaktionen der Menschen um sie machten sie traurig, wütend und schließlich sogar depressiv – so der Vorspann“. Vielleicht hat sie sich darin wiedergefunden. Inzwischen hat Ellas große Halb-Schwester im Netz eine Suchaktion gepostet – 16 000 Mal wurde die geteilt – die Polizei hat bis heute kein Bild veröffentlicht, den aktuellen Stand der Ermittlungen erfährt Lemke nicht. Auch das macht den Vater ratlos.

In den nächsten Tagen will das ZDF den Fall aufgreifen und publik machen. Marko Lemke erhofft sich Hilfe von der Öffentlichkeit, vielleicht auch scheinbar noch so unbedeutende Hinweise aus dem Großenhainer Umfeld.

Mögliche Hinweise bitte an die Großenhainer Polizei unter der Vorgangsnummer: 121/17/129213