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Wo Orgelpfeifen wieder schön gerade werden

Christoph Rühle arbeitet an jahrhundertealten Instrumenten. Auch an einer Silbermannorgel.

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Mit großer Sorgfalt und hoher Konzentration. Christoph Rühle restauriert in seiner Orgelbau-Werkstatt in Moritzburg die Silbermannorgel aus Fraureuth. Seit Herbst 2018 wird daran gearbeitet.
Mit großer Sorgfalt und hoher Konzentration. Christoph Rühle restauriert in seiner Orgelbau-Werkstatt in Moritzburg die Silbermannorgel aus Fraureuth. Seit Herbst 2018 wird daran gearbeitet. © Norbert Millauer

Von Beate Erler

Moritzburg. Eine alte Scheune mit verblassten Dachziegeln, einer neuen Glastür und neuen Fenstern. Keine Werbung, kein Schild, das darauf hindeutet, dass hier eine Orgelbaufirma sitzt. Christoph Rühle, Inhaber und Chef der Werkstatt für Orgelbau in Moritzburg, erklärt, warum: „Wir haben hier Instrumente mit einem Versicherungswert von bis zu 200 000 Euro“, sagt er. Das soll eben nicht jeder sofort sehen.

In der Werkstatt ist es am Sonnabendvormittag voll. Die erste der zwei Besuchergruppen der Gemeinde Fraureuth im Landkreis Zwickau ist schon da. Jeweils etwa 20 Besucher der Kirchgemeinde wollen ihre Orgel sehen und erfahren, was der Orgelbauer und sein Team mit ihr schon alles angestellt haben. Schließlich handelt es sich um eine Silbermannorgel von 1742.

Die Besucher drängen sich auf behelfsmäßigen Bänken, auf der schmalen Treppe, die in den oberen Raum mit den Hobelbänken führt, und um die Maschinen, Regale und Schränke. „Willkommen im Weltkulturerbe“, begrüßt Christoph Rühle die Gäste. Erst im vergangenen Jahr wurde der Orgelbau zum Weltkulturerbe erklärt und derzeit, auch unabhängig davon, mit vielen Fördermitteln unterstützt.

Doch bevor sich alle der wertvollen Silbermannorgel zuwenden, erzählt der Chef ein bisschen über die Firmengeschichte: Sein Opa hat sich 1932 mit dem Orgelbau selbstständig gemacht: „Er hat Tischlermeister gelernt und war Kirchenmusiker“, erklärt Rühle, „nach dem Krieg gab es wenige Arbeitsstellen, und so hat er seine eigene Werkstatt eröffnet.“ Damals noch im Elternhaus und gleich der erste Auftrag war adlig: Ein Orgelpositiv aus dem Privatbesitz von Prinz Ernst Heinrich. Heute kann man diese Orgel im Kunstgewerbemuseum in Pillnitz bewundern.

Der Vater hat die Werkstatt dann übernommen, bevor sie 2007 aus Altersgründen an ihn überging. Die dreieinhalbjährige Ausbildung zum Orgelbauer hat Christoph Rühle 2004 beendet. Ein Orgelbauer muss alle Facetten der Holzbearbeitung, -verarbeitung und alle Orgelteile kennen, obwohl das fast nicht möglich ist. Metallverarbeitung, Leime, Filze, Klang. Es ist ein lebenslanges Lernen, sagt Rühle.

Die Hauptarbeit der Werkstatt liegt in der Restaurierung sehr alter Orgeln. Die bisher älteste stammte aus dem Jahr 1589. Die Orgelexperten fertigen aber auch Neubauten an, vor allem für den sächsischen Raum. 2005 für die Jacobikirche in Chemnitz oder „das Meisterstück meines Vaters in Leubnitz“, sagt Rühle. Sie hatten aber auch schon deutschlandweite Aufträge: 1995 in Bonn und 2002 in Köln. Allerdings: Christoph Rühle arbeitet lieber im eigenen Gebiet. „Hier gibt es genug zu tun und ohne die langen Anfahrtswege“, sagt er.

Nun aber zurück zur Silbermannorgel, für die sie Spezialisten sind. Seit der Wende hat die Orgelwerkstatt Rühle die meisten Silbermannorgeln restauriert. Ganz aktuell die aus Fraureuth. Vergangenes Jahr im Mai haben sie die Orgel in Teilen ausgebaut und nach Moritzburg transportiert. „Das Gehäuse und die Blasebälge lassen wir vor Ort“, erklärt Christoph Rühle, denn die könnte man nicht ohne Weiteres abbauen und herbringen. Seit Herbst arbeiten sie nun an dem Instrument.

Die Orgel aus Fraureuth war eine der letzten, die der weltbekannte Gottfried Silbermann gebaut hat. Von seinen 50 Neubauten prägen 31 noch heute die Orgellandschaft Sachsens. Die Orgel für die Fraureuther Dorfkirche war Nummer 46. Aber Christoph Rühle und sein Team aus zwei festen und einem freien Orgelbauer haben entdeckt: Hier ist nicht alles Silbermann, was glänzt. Die Windkästen sind aus dem Jahr 1860, vermuten sie. Das kann also kein Silbermann mehr sein: „Wahrscheinlich haben die mal einen Schwapp Wasser von oben abbekommen und wurden ausgetauscht“, erklärt Rühle den Besuchern.

Eine Weile muss sich die Gemeinde Fraureuth noch gedulden, aber vieles ist schon überarbeitet. Zum Beispiel die Orgelpfeifen. Die waren verstaubt, hatten Dellen und Risse. „Das zweite Register ist fertig“, sagt Rühle und zeigt es den Besuchern. Nach der Restaurierung sind die Orgelpfeifen wieder schön gerade und glatt.