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Wohin, Herr Ganze?

Bischofswerdas Bauhofleiter hat sich verabschiedet. Er hat gute Gründe und neue Pläne.

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© Steffen Unger

Von Gabriele Naß

Bischofswerda. Die Brücke am Napoleonstein über Bischofswerdas Ortsumgehungsstraße hat für Sven Ganze besondere Bedeutung. Er schaut jedes Mal hoch, wenn er durchfährt. Es war das letzte Bauwerk, dessen Entstehung er als Bauleiter beim Bautzener Unternehmen Hentschke Bau mitverantwortet hat, bevor er vor fünf Jahren als Chef zum Bauhof Bischofswerda kam. Das geht ihm woanders genauso. „Im Urlaub fahren wir manchmal kurz gucken. Es ist schön, wenn ich zurückkomme und sehe, was ich mal mit hingestellt habe.“

In den letzten fünf Jahren hatte er dieses Gefühl nicht mehr, was zu schaffen. „Ich möchte nicht mehr verwalten, ich will wieder gestalten“, sagt er und wechselt deswegen den Job. Er konnte unter mehreren Stellen wählen: „Dass Fachkräfte fehlen, merkt man auch in meiner Branche.“ ’Entschieden hat sich Ganze für Frank Spiller und dessen Planungsbüro für Straßen und Tiefbau in Großdrebnitz. Man kennt sich. Was als Erstes anliegt, wenn er dort am 1. Februar anfängt, weiß er noch nicht. Aber es soll genug zu tun geben. Ob auch einmal eine Brücke dabei ist? „Das hoffe ich.“ Eigentlich ist sich Sven Ganze da sogar sicher: „Straße bestellt Brücke“, heißt es.

Sven Ganze ist jetzt 46. Noch jung genug, sich beruflich zu korrigieren. In den letzten Jahren der DDR wurde er Baufacharbeiter. In die Wendezeit fiel sein Abi bei der Abendschule in Bischofswerda. Viele hätten die Ausbildung damals angefangen, nur zwei die Prüfung abgelegt. Der junge Mann aus Großdrebnitz ließ sich nicht beirren, hielt durch und ging studieren. Jetzt sagt er sich: „Ich will nicht umsonst studiert haben. Auch deswegen gehe ich zurück in meinen Beruf als Bauingenieur.“ Als Bauhofleiter allerdings hat sich der Großdrebnitzer wegen seiner praktischen Art, seiner Nähe zu den Leuten und der Fachkenntnis Achtung verschafft. Als Ende des Jahres bekannt wurde, dass er bei der Stadt gekündigt hat, bedauerten das in den sozialen Netzwerken viele.

Fokus auf die Familie

Bauhofleiter zu werden, bot für Sven Ganze die Chance auf den Job in der Nähe, den er sich gewünscht hat. Als Bauleiter bei Hentschke war er jahrelang oft nur unterwegs, selten zu Hause und es war abzusehen, dass das noch lange so weitergeht. Er habe damals zur Baustelle Ostkreuz in Berlin wechseln sollen. Dort bauen sie bis heute. „Aber ich hatte meine Kinder fast immer nur schlafend gesehen.“ Oder an den kurzen Wochenenden. Das wollte er damals ändern. Als er es tat, waren die Söhne 13, acht und vier Jahre alt. Der Jobwechsel 2012 habe dann tatsächlich wieder ein Familienleben möglich gemacht. Sven Ganze erzählt, wie er anfangs oft mit Rad zur Arbeit gefahren ist und auf dem Heimweg seinen Jüngsten von der Kita abgeholt hat. „Ich kann wieder viel mehr unterstützen. Und das tut mir auch selber gut.“ Wenn die Söhne erzählen, „ist das Abwechslung. Gut für den Kopf.“ Inzwischen ist sein Ältester 18. „Er macht Abi und kümmert sich“. Die beiden Jüngeren aber fährt der Vater immer noch zum Fußball nach Burkau oder Großharthau. Er selbst konnte früher aus der Haustür fallen und spielen. Und das kann er bei den Alten Herren Großdrebnitz heute immer noch. Dort arbeitet Sven Ganze auch im Vorstand des Sportvereines. „Ich mach das gern“, sagt er. Weil er so nah dran ist, weiß er, wie schwierig es geworden ist, genug Nachwuchs im Verein zu haben. Er wundert sich darum nicht, dass seine Söhne zum Fußball nach Burkau oder Großharthau gebracht werden müssen. Spielgemeinschaften sind nötig geworden, um Mannschaften zusammenzubekommen. „Ohne, dass Eltern unterstützen, geht es nicht“, sagt Sven Ganze. Dass seine Jungs beim Fußball Ausdauer zeigen, freut ihn. Es sei ihm als Vater auch wichtig. „Wenn man mal Ja zu etwas gesagt hat, heißt das Ja“. Den Job als Bauhofleiter hat Sven Ganze am Dienstag an den Nagel gehängt. Am Vormittag verabschiedete er sich zuerst bei seinen Kollegen im Bauhof, dann im Bauamt und im Rathaus. Manche kamen auch extra vorbei.

Liebe zum Gestalten

Er werde vor allem die Truppe vermissen. Zupackende Jungs mit feinem Gespür. Sie schenkten Sven Ganze zum Abschied ein gelbes Ortsausgangsschild, das sie umgestaltet haben. Hinten drauf schrieben sie ihre Namen und vorn schicken sie ihren Chef süffisant von der „Komfortzone“ zu Spillers Planungsbüro. Komfortzone? Nur nicht zu konkret werden! Aber es würde da jemanden geben, an den sich die Kollegen erinnern, wie er vom Bauhof als Komfortzone sprach. Ganze lacht und stellt klar: Natürlich hätte er sich einrichten können bis zur Rente. Aber lieber hätte er gestalten wollen. „Ich hatte mir vorgenommen, den Bauhof modern zu machen.“ Die Technik, das Gebäude. Jetzt seien der Kauf eines neuen Lkw und eines Unimog geplant. „Ein Anfang.“ Der Fuhrpark müsse sogar erweitert werden. „Dann wird es effizienter und bleibt leistbar für die wenigen Kollegen.“ Sven Ganze wünscht sich für seine Mitarbeiter, dass sie in Ruhe arbeiten können, sich keine Sorgen um Job oder Bezahlung machen müssen – dass gilt, was gesagt wird, nämlich. dass der Bauhof Regiebetrieb bleibt und nicht ausgegliedert wird. Das ganze Jahr 2016 hat er am Konzept dazu mitgearbeitet.

Bauhofleiter zu werden, hat Sven Ganze der Nähe zum Zuhause wegen gereizt. Aber Winterdienst oder Baumpflege waren auch sein Ding. Dass er jetzt Urlaub hatte, mitten im Winter, wäre unter anderen Umständen gar nicht infrage gekommen. Jeder wird gebraucht, keiner darf fehlen. Von Komfortzone könne das ganze Jahr über keine Rede sein. Sven Ganze hätte sogar erwartet, dass man ihm mehr Verantwortung zugesteht. Beim Geld zum Beispiel. Controlling ja, erst recht in Zeiten der Konsolidierung, sagt er. Aber in seinem Job als Bauleiter habe er es vorher schon mit ganz anderen Summen zu tun gehabt. Jetzt musste es manchmal um das Paket Schrauben gehen. Sinnbildlich gesprochen.