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Wohin mit alter Arznei?

Jeder Zweite entledigt sich seiner Restmedikamente im WC. Mit Folgen für die Umwelt. Doch genaue Regeln fehlen.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller und Luisa Selle

Einfach hinunterspülen – so werden etwa die Hälfte aller ausgemisteten Arzneimittel entsorgt. Als ganz akutes Problem bezeichnete jüngst erst die Stadtentwässerung Dresden diesen Umstand. Denn Medikamente können selbst in modernsten Kläranlagen nicht vollständig herausgefiltert werden. Gelangen sie in den Wasserkreislauf, belasten sie die Umwelt und werden damit zur gesundheitlichen Gefahr.

Aber wie entledigt man sich der chemischen Restposten richtig? In einer Umfrage in Riesa und Radebeul häufen sich als Antworten: Apotheke und Wertstoffhof.

Nicht falsch. Aber ganz so einfach ist es auch wieder nicht. Denn die Apotheken sind nicht mehr verpflichtet, Altmedikamente entgegenzunehmen. Die Radebeuler Apothekerin Bettina Lange erklärt: „Nach der Wende hat die Industrie viele Jahre lang bei uns Tonnen für Restarznei aufgestellt und diese auf eigene Kosten abgeholt.“ Mittlerweile beteilige sich die Industrie nun aber nicht mehr an der Entsorgung der Medikamente. In die Stadtapotheke an der Riesaer Hauptstraße dagegen kommt regelmäßig eine auf Medikamente spezialisierte Entsorgungsfirma. „Wir trennen vorher nur Verpackung und Medikamente“, sagt eine Mitarbeiterin.

Sachsens Apothekerkammer empfiehlt Patienten, abgelaufene Arznei – selbst Tropfen und Salben – zu Hause im Restmüll zu entsorgen. „Bei der Müllverbrennung werden die Wirkstoffe zerstört, eventuell anfallende Reste grundwassersicher deponiert“, heißt es. Krebsmedikamente, bestimmte Hormonpräparate und virushemmende Mittel sollten aber zu Sondersammelstellen gebracht werden. Und größere Mengen beim Recyclinghof oder Schadstoffmobil abgegeben werden.

Einige Apotheken bieten Service an

Viele Apotheken nehmen ausgesonderte Medikamente dennoch weiter an. So hält es etwa die Riesaer Domos-Apotheke an der Elbgalerie. „Bei uns kommen zweimal die Woche Kunden, um etwas abzugeben“, sagt eine Verkäuferin. In der Apotheke in Merzdorf kommt es sogar vor, dass jemand einen ganzen Beutel voll abgibt, weil jemand gestorben ist. Andere Apotheken bieten diese Dienstleistung nur noch in Ausnahmefällen ein. Sie wollen nicht genannt werden. – Allerdings belasten nicht nur Medikamentenrückstände aus falsch entsorgten Arzneien die Gewässer. Salben, die auf die Haut aufgetragen werden, gelangen beim Duschen ins Wasser. Reste aller eingenommenen Tabletten werden ausgeschieden und wandern ebenfalls in die Kanalisation. Laut Umweltbundesamt ist der Arzneimittelgebrauch zwischen 2002 und 2013 um 20 Prozent gestiegen.

Die deutschen Wasserversorger fordern bereits, dass im Zulassungsverfahren für Medikamente berücksichtigt werden muss, wie hoch die Gefahr der Gewässerverunreinigung durch sie ist. Der Verband Kommunaler Unternehmen warnt längst vor einer Überforderung der Kläranlagen und einer Belastung des Trinkwassers.

Eine Gefahr, die Hartmut Gottschling als Chef der Wasserversorgung Brockwitz-Rödern nicht bestätigt. „Das mag in manchen Ballungsgebieten ein Thema sein, aber nicht hier“, sagt er. Das Maß der Verunreinigung durch Medikamente sei im hiesigen Trinkwasser äußerst gering. Der Betrieb versorgt den Altkreis Meißen und damit etwa 120 000 Einwohner. Dabei bezieht er sein Trinkwasser aus zwei Gebieten: Der überwiegende Teil kommt über die Drewag Dresden aus der Trinkwassertalsperre Klingenberg. Der Rest stammt aus dem eigenen Wasserwerk Rödern. Dort wird das Wasser über Brunnen gefördert und aufbereitet.

Täglich werden Proben genommen

Hartmut Gottschling verweist auf die ständigen Kontrollen zur Trinkwasserqualität. Das Unternehmen selbst sei in der Pflicht, täglich Proben zu nehmen. Zudem führten externe Labore Untersuchungen durch. Und auch das Gesundheitsamt analysiere unangemeldet das Wasser. „Trinkwasser muss jederzeit die gesetzlichen Bestimmungen erfüllen.“

Eine gesundheitsbewusste Radebeulerin ist dennoch skeptisch. „Ich denke, da ist vieles drin, was nicht reingehört“, sagt sie. „Wo sollen die Hormone denn hin?“ Darum hat sie sich in ihre Spüle eine Filteranlage der Firma Bestwater einbauen lassen. Für 1 600 Euro. Darin fließt das Leitungswasser durch drei Filter und abschließend über eine Energiespule. Der dazugehörende Edelstahlbehälter fasst zehn Liter gereinigtes Wasser. „Wir trinken es, kochen und gießen damit“, erzählt die 61-Jährige. Es schmecke weicher, kurbele den Stoffwechsel an, selbst die Blumen hielten länger.