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Wohnen im Kulturerbe

Kaum ein anderes Wohngebiet lebt Genossenschaftsgeschichte so wie der Knöchel in Sebnitz. Allerdings haben die Genossenschafter auch zu kämpfen.

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© Dirk Zschiedrich

Von Anja Weber

Sebnitz. Ein Spaziergang durch das Wohngebiet am Knöchel in Sebnitz ist eine Zeitreise, eine Reise durch die Baugeschichte mehrerer Jahrzehnte und eine Begegnung mit bekannten Sebnitzer Persönlichkeiten. Diese Zeugnisse einer Genossenschaftsgeschichte gibt es so kein zweites Mal. Die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Sebnitz ist eine der ältesten Genossenschaften in ganz Deutschland, sagt Vorstandsvorsitzender Ullrich Franke. Er präsentiert den neuen Stempel „Wir sind Kulturerbe“. Die Genossenschaft habe sich den Titel gesichert, sozusagen als Hilfe zur Selbsthilfe.

1904 wurde das erste Haus erbaut. An den mühevollen Aufbau erinnert dieser Schriftzug.
1904 wurde das erste Haus erbaut. An den mühevollen Aufbau erinnert dieser Schriftzug. © Anja Weber
An der ehemaligen öffentlichen Badeanstalt zieren die Abbildungen von Berufen die Fassade.
An der ehemaligen öffentlichen Badeanstalt zieren die Abbildungen von Berufen die Fassade. © Anja Weber
Solche einzeln benannte Häuser gibt es gleich mehrere, wie schräg gegenüber das Eisenbahnerhaus.
Solche einzeln benannte Häuser gibt es gleich mehrere, wie schräg gegenüber das Eisenbahnerhaus. © Anja Weber

Kulturerbe nicht zuletzt auch, weil es so ein Wohnprojekt mit Überlebenspotenzial nicht so einfach und auch Sorgen hat, wozu auch die leeren Wohnungen in einigen Häusern gehören. Und wenn Ullrich Franke mehr Zeit hätte, würde er sogar Führungen durch das Viertel anbieten. Doch wer es möchte, kann auch allein auf Erkundungstour gehen und die verschiedenen Schriftzüge entdecken, die bei der Erbauung der Häuser angebracht und heute noch erhalten werden. Da wäre zunächst die ehemalige Badeanstalt. An diesem Gebäude, sozusagen als Eingang in das Wohngebiet sind die Gewerke stilisiert, die hier bei der Erbauung einmal ansässig waren.

Das Haus Petzoldstraße 6 ziert zum Beispiel eine Lok mit Hänger und die Schrift Eisenbahnerhaus. Ältere Knöchelbewohner wissen zu berichten, dass das Haus so genannt wurde, weil die Reichsbahn eine Bauhypothek dazugab. Das Nachbarhaus heißt Dr.-Petzold-Haus. Auch das nicht ohne Grund. Der Arzt hatte der Genossenschaft eine größere Schenkung vermacht, die diese damals, 1910, dringend brauchte. Schräg gegenüber wurden ein Jahr später drei Häuser mit 14 Wohnungen gebaut und Schäferei genannt. Dort ziert ein Schäfer eines der Gebäude.

Markant sind auch die gelben Häuserkomplexe, allesamt mit grünen Fensterläden versehen. Diese stehen unter Denkmalschutz. Der Sebnitzer Maler Dr. Hanns Georgie hat hier sein Atelier eingerichtet. An ihn erinnert eine steinerne Tafel. Und natürlich haben die Genossenschafter schon zu früheren Zeiten ihrem Gründungsvater, Pfarrer Oskar Gröschel, ein Denkmal gesetzt. Auf Pfarrer Oskar Gröschel geht die ganze Entstehung dieser deutschlandweit einzigartigen Siedlung zurück. Sein Gedanke war es, eine Siedlung für sozial schlechter gestellte Familien zu schaffen. Die sollten nicht Tür an Tür, sondern in verschiedenen Wohnformen in einer Gemeinschaft wohnen dürfen. Die Bewohner sollten sich gegenseitig helfen und in schweren Zeiten beistehen. Und so wurde praktisch in den Jahren nach 1904 ein Haus nach dem anderen errichtet. Und entsprechend den Wandsprüchen oder Tafeln kann deren Entstehungsdatum zeitlich näher eingeordnet werden, auch für diejenigen, die die Chronik des Sebnitzer Knöchels nicht kennen.

Schätzungsweise 20 Häuser tragen solche Schriftzüge, wie zum Beispiel: „Willst Du glücklich sein im Leben, trage bei zu Anderen Glück. Denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück“ oder auch „Das Geld war knapp, als man mich in Auftrag gab 1931“ oder „Man säe nur und ernte mit der Zeit“, daneben ein Mann der Körner sät. Mit der Zeit verblassen einige dieser Schriftzüge, so wie Letzterer. Sie werden nach und nach erneuert, sagt Ullrich Franke. Denn in der Gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft wisse man, was man der Nachwelt schuldig sei.