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Wohnen in der alten Post

Aus dem Bahnpostamt in Görlitz sollen Seniorenwohnungen werden. Der Investor wartet auf die Baugenehmigung.

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© Ralph Schermann

Von Ralph Schermann

Es tut sich was, man sieht es nur nicht. So etwa antwortet Andreas Waldow auf besorgte Fragen Görlitzer Bürger, wie es denn mit der ehemaligen Bahnpost weitergeht. Das Interesse daran scheint groß zu sein, und so erinnert mancher an bisherige Aussagen des Geschäftsführers der Seniorenwohnen Görlitz GmbH, nach denen der Umbau zu einer Wohnanlage schon in vollem Gange sein müsste.

Auch der Hof wird dabei dann umgestaltet. Bis 2007 wurden auf diesem noch die Zustellfahrzeuge beladen.
Auch der Hof wird dabei dann umgestaltet. Bis 2007 wurden auf diesem noch die Zustellfahrzeuge beladen. © Ralph Schermann
Ältere Görlitzer kennen noch die drei markanten Telefonzellen neben dem Eingang zur Briefpost-Schalterhalle.
Ältere Görlitzer kennen noch die drei markanten Telefonzellen neben dem Eingang zur Briefpost-Schalterhalle. © Nikolai Schmidt

Ist er ja auch – wenn man die Planungsarbeit mit betrachtet. Viele Überlegungen galt es zu berücksichtigen, denkmalpflegerische Aspekte ebenso wie direkt am Kreisverkehr passende Einfahrten. „Wir arbeiten dran“, heißt es aus dem Rathaus. „Wir machen das sehr gründlich“, betont Investor Waldow, „und mit allen Bereichen der Stadtverwaltung gibt es eine hervorragende Zusammenarbeit.“ Mit der Erteilung der Baugenehmigung rechnet er spätestens am Ende des Sommers, lässt aber in Abstimmung mit dem Bauamt bereits jetzt innen einige notwendige Baufreimachungen vornehmen. „Es passiert also mehr, als man vielleicht denkt, weil noch kein Gerüst steht“, sagt Andreas Waldow. Er rechnet jetzt damit, dass in der zweiten Jahreshälfte 2017 die ersten Räume fertig sind.

Dafür hatte die Betreibergesellschaft das Gebäude 2015 dem früheren Eigentümer abgekauft, der Luxemburger Investment-Gesellschaft Lorac. Entstehen sollen 33 kleine Mietwohnungen von etwa 30 bis 75 Quadratmeter Größe für Menschen mit oder ohne Pflegestufe. Im Gebäude wird dazu eine Serviceeinrichtung mit einer Betreuungskraft geschaffen, von der die Bewohner so viel Hilfe bekommen können, wie sie benötigen. An dieser geplanten Zukunft der Bahnpost habe sich nichts geändert, versichert Andreas Waldow. Er ist überzeugt davon, dass das Haus für Seniorenwohnungen geeignet ist

Das Gebäude sei zentrumsnah, gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden und eben nahe am Bahnhof. An alten Postämtern gefalle ihm, sagte er beim Erwerb, dass sie genauso aussehen, wie sich ältere Menschen Häuser vorstellen. Lange war für das 4 000 Quadratmeter große denkmalgeschützte Objekt eine neue Nutzung gesucht worden, seit das Postamt Ende 1995 schloss. Bis 2012 hatte die Deutsche Post AG dem damaligen Käufer noch 55 000 Euro Miete pro Jahr gezahlt und bis 2007 hier nur noch die Briefsortierung sowie die Beladung der Zustell-Fahrzeuge vorgenommen.

2010 waren einige Räume für ein Tanzfestival und eine Ausstellung genutzt worden. Dann stand das Haus leer, das eine über 100-jährige Geschichte hat. Es war der letzte große Görlitzer Postbau, sieht man vom Nachwende-Verteilzentrum Sattigstraße ab. In die Chronik eingegangen ist das Haus als Bahnpostamt. Die Deutsche Post erwarb 1913 für 232 000 Mark Grund und Boden von der Bahn und begann mit dem Bau als dem neuen Bahnhof angepasstes Ensemble. 428 000 Mark kostete das die Post, und seit der Einweihung 1915 geblieben sind die schmiedeeisernen Symbole der Postgeschichte, die der Görlitzer Schlossermeister Kalle für die Fenstergitter fertigte.

Der Postkunde kannte meist nur die Schalterhalle. In späterer DDR-Zeit war aber auch das Foyer interessant. Hier befanden sich neben Telefonzellen viele Selbstbedienungselemente von Briefmarken- bis Einschreibeautomaten und eine Päckchen-Klappe. Für die Paketpost galt ein anderer Eingang auf der rechten Gebäudeseite. Betriebe lieferten direkt im Hof an. Geräumige Packkammern mündeten dann im großen Posttunnel direkt zu allen Bahnsteigen des Görlitzer Bahnhofs, wo es fünf Aufzüge gab. Im ersten Stock befand sich der Briefträgersaal. Von hier aus starteten die Zusteller. Auch den modernsten Stand technischer Entwicklungen gab es 1915 schon: Rohrpost. Eine solche Verbindung bestand vorrangig für die Weiterleitung von Telegrammen zwischen den Postämtern am Bahnhof und am Postplatz.

Heute gehört keine Rohrpost, sondern der Internetanschluss als Selbstverständlichkeit zur modernen Ausstattung. Nicht nur für die alte Görlitzer Bahnpost. „Wir sind mit unseren Objekten mittlerweile komplett auf einem guten Stand, haben für alle die Bauanträge gestellt“, berichtet Andreas Waldow. Denn seine Gesellschaft hat nicht nur die Görlitzer Immobilie erworben, sondern gleich ein ganzes Paket – alles ehemalige Postämter in Sachsen, in Thüringen und in Sachsen-Anhalt.