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Zehn Kilo in sechs Wochen

Eine zweifache Mutter aus Walda will abnehmen. Dresdner Spezialisten helfen ihr dabei. Und auch ihr fester Wille.

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© Anne Hübschmann

Von Jörg Richter

Großenhain. Wenn Kathrin Hesse durch die Fitnessräume des Großenhainer Vereins KAB geht, spürt sie die anerkennenden Blicke der anderen. Als sie hier im Oktober mit Sport anfing, wog die 1,64 Meter große Waldaerin 116 Kilo! Innerhalb der ersten sechs Wochen nahm sie zehn Kilo ab. Im Dezember noch mal drei.

„Man sieht deutlich, wie sie abgenommen hat“, sagt KAB-Mitarbeiterin Kerstin Herzog-Proschwitz. Vor allem an der Jacke, die jetzt drei Nummern zu groß ist. Sie vergleicht jedes Kilo Körpergewicht mit Milchtüten. „Kathrin hat 13 Tüten mit sich rumgeschleppt und ist sie jetzt los. Das ist doch großartig!“, sagt sie.

„Auf die letzten drei Kilo, die ich abgenommen habe, bin ich ganz besonders stolz“, sagt Kathrin Hesse. Denn das war in der Adventszeit, wo an allen Häuserecken süße Verführungen lauerten. Ihr Mann Gerd sowie ihre beiden Söhne Christoph und Clemens unterstützten sie und verzichteten extra auf Schokolade. Und das zur Weihnachtszeit! Und auch ihr Arbeitgeber, die Lebenshilfe Großenhain, ermöglicht ihr, dass sie mindestens einmal pro Woche vormittags trainieren kann.

Nur auf Arbeit selbst ist die Versuchung groß. Denn Kathrin Hesse ist Betreuerin einer Wohngruppe von geistig behinderten Menschen. „Deren Leidenschaft ist Essen“, erzählt sie. Vor allem am Wochenende wollen ihre Schützlinge Kuchen haben. „Deshalb ist es auch so schwer für mich, immer nein zu sagen“, erzählt die Waldaerin. Schließlich wolle sie ihre Wohngruppenmitglieder nicht dauernd vor den Kopf stoßen. Sie würden es nicht verstehen.

Für ihr Vorhaben abzunehmen, hat Kathrin Hesse sich professionelle Hilfe gesucht. Von Kollegen erfuhr sie vom Adipositas-Programm des Klinikums Dresden-Neustadt. Das ist speziell an Menschen gerichtet, die mindestens einen Body-Mass-Index von 35 aufweisen. „Ich dachte, alleine schaffe ich es nicht“, erzählt die Waldaerin. Außerdem betrachtet sie die damit verbundenen regelmäßigen Besuche bei den Dresdner Ärzten als zusätzliche Motivation. Ja, sogar als Verpflichtung. Denn es ist nicht einfach, in dieses Adipositas-Programm hineinzukommen. „Die Wartezeiten sind sehr lang“, erzählt sie.

Das bestätigt auch Jeanne Hübler, die als Koordinatorin das hiesige Adipositas-Programm betreut. Als es vor einem Jahr startete, habe das Neustädter Klinikum wöchentlich sechs neue Patienten in das Programm aufgenommen. „Weil die Nachfrage so groß ist, haben wir auf acht aufgestockt“, sagt sie. Die Warteliste sei lang. „Schon jetzt vergeben wir Termine für August.“

Ein Jahr lang werden die Teilnehmer von Ärzten, Psychologen und Ernährungsberatern in regelmäßigen Abständen betreut. Bislang haben 266 Übergewichtige an dem Programm teilgenommen. Und nur ganz wenige davon haben aufgegeben. Gerade mal vier. „Meist wegen anderer Krankheiten“, sagt Jeanne Hübler. Die Bilanz sei sehr gut. Nach einem halben Jahr würden die meisten fünf bis zehn Kilo weniger auf die Waage bringen.

Ziel des Programmes sei ohnehin eine langsame, kontinuierliche Gewichtsreduzierung, bei der vor allem Essgewohnheiten verändert werden sollen. „Ziel ist es auch, dass übergewichtige Menschen ihr Selbstwertgefühl zurückerhalten. Denn es ist schlimm, wie viele gedemütigt werden.“, sagt Jeanne Hübler. „Bei uns werden sie ernst genommen.“ Dass Kathrin Hesse in nur drei Monaten schon 13 Kilo abgespeckt hat, findet sie ganz stark.

Die Waldaerin kennt mittlerweile einige Tricks, wie richtig gegessen wird. „Man isst zum Beispiel langsamer an einem gedeckten Tisch“, verrät sie und empfiehlt auch, das Radio auszustellen, um in Ruhe zu essen. Besser sei es, Gespräche zu führen. Auch das entschleunigt das Essen. Prinzipiell esse sie jetzt in Maßen. Statt zwei Kartoffeln nur eine. Lieber Gemüse statt süßes Obst.

„Aber hin und wieder sündige ich auch mal“, gibt Kathrin Hesse zu. Ein Gummibärchen am Tag sei erlaubt. Doch vor allem helfe es, sich beim Sport „auszupowern“. Und das macht die zweifache Mutter inzwischen mit Begeisterung. „Denn hier guckt mich keiner schief an, und ich erhalte viel Zuspruch von Trainern und Freunden“, sagt sie und ergänzt: „Ich weiß nicht, ob ich ohne das Adipositas-Programm so lange durchgehalten hätte.“

Jetzt wiegt sie 103 Kilo. Und noch weitere Pfunde sollen purzeln. Sie hat sich selbst ein realistisches Ziel gesetzt: 94 Kilo. – Also 22 Kilo weniger als zu Beginn. – Respekt!

Das Klinikum Dresden-Neustadt ist das erste zertifizierte Adipositas-Kompetenzzentrum Sachsens. Menschen, die hier unter ärztlicher Kontrolle abnehmen wollen, können sich unter 0351 8563019 anmelden.