Weißwasser
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Zeitlose Schönheiten im Glasmuseum 

Die neue Sonderausstellung zeigt Glasgestaltung von Wagenfeld bis heute.

Von Rolf Ullmann
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In den Vitrinen des Glasmuseums in Weißwasser zeugen die Exponate der neuen Sonderausstellung von der künstlerischen und gestalterischen Meisterschaft der Glaskunst.
In den Vitrinen des Glasmuseums in Weißwasser zeugen die Exponate der neuen Sonderausstellung von der künstlerischen und gestalterischen Meisterschaft der Glaskunst. © Foto: Rolf Ullmann

Weißwasser. Der kleinen grünen Zitronenpresse ist eine separate Vitrine vorbehalten. Sie ziert auch das Plakat sowie den Flyer der neuen Sonderausstellung, die am Freitagabend im Glasmuseum Weißwasser der Öffentlichkeit präsentiert wurde. So manch einer der Besucher fragt sich natürlich angesichts der Fülle hervorragend gestalteter Gläser, Schalen und Krüge, warum ausgerechnet dieser, für uns mitunter so alltäglicher Gebrauchsgegenstand, eine solche Ehre genießt. Christine Lehmann, die im Gestalterteam der Ausstellung mitwirkt, erinnert sich an die Diskussionen darüber, welches Exponat als Symbol ausgewählt werden soll. „Wir haben uns schließlich für die Zitronenpresse entschieden, weil an diesem Produkt aus Pressglas alles perfekt ist und es die Bauhausphilosphie beispielhaft verkörpert,“ erklärt Christine Lehmann.

Damit schlägt sie den Bogen zum Anliegen der neuen Sonderausstellung, die sich einordnet in die Würdigung des 100. Jahrestages der Gründung des berühmten Bauhauses. Die ausgestellten Exponate verdeutlichen unter anderem den großen Einfluss, den das inhaltliche sowie gestalterische Grundkonzept dieser Einrichtung auf die Entwicklung der Glasgestaltung in Weißwasser ausübt. Untrennbar damit sind die Namen von Professor Wilhelm Wagenfeld und Friedrich Bundtzen verbunden. Sie haben der künstlerischen Gestaltung der Glaskunst in Weißwasser zur Weltgeltung verholfen. Oft ist dies das Ergebnis eines zähen Ringens um die Herstellung der Einheit von Formschönheit und einer ausgeprägten Funktionalität. So erinnert sich Professor Wagenfeld in seinem 1937 verfassten Essay „Glasfachsimpeleien“ an die langwierigen Versuche und immer wieder neuen Tests, bis die bereits erwähnte Zitronenpresse allen Vorstellungen entspricht. Der Ausgangspunkt und der Anlass für diese Entwicklung lag darin begründet, dass bereits eine große Zahl dieses Gebrauchsgegenstandes auf dem Markt vorhanden war. Unhandlich, unpraktischen und in ihrer äußeren Gestaltung wenig ansehnlich fordern sie Wagenfeld sowie seine Mitstreiter heraus, ihnen etwas entgegenzustellen. Das sollte nicht nur praktisch, sondern auch schön sein und auf jeden Tisch gehören. Dieses Vorhaben gelingt schließlich und stellt ein hervorragendes Beispiel dafür dar, das Produkte aus der Massenproduktion hohen ästhetischen Ansprüchen gerecht werden und darüber hinaus auch für Jedermann erschwinglich sind.

Für Wagenfeld bedeutet die Aufnahme das Studiums am Staatlichen Bauhaus in Weimar im Jahr 1923 eine Zäsur in seiner Entwicklung als Künstler und Formgestalter. Mit der Schaffung seiner berühmt gewordenen Bauhausleuchte setzt er ein erstes Achtungszeichen. Sein inzwischen bekannter Ruf als Gestalter führt ihn schließlich nach Weißwasser. Nach einem Vortrag vor der Glastechnischen Gesellschaft antwortet er selbstbewusst auf die Anfrage, wen er für die künstlerischen Leitung des Unternehmens empfehlen kann. „Ich kenne nur einen – Wagenfeld.“ Er erhält diesen wichtigen Posten. Er führt die künstlerische Glasgestaltung zu einem international anerkannten und mehrfach ausgezeichneten hohen Standard. Die Verleihung des Grand Prix auf der Weltausstellung in Paris 1937 für seine Kelchserie Oberweimar steht dafür als Beispiel.

Nach dem Abschied von Professor Wagenfeld Ende der 40er-Jahre aus Weißwasser führt Friedrich Bundtzen sein Werk als Leiter der künstlerischen Glasgestaltung mit seinen Mitarbeitern weiter fort. Die neue Sonderausstellung im Neuen Schloss im Fürst-Pückler-Park Bad Muskau erinnert gleichfalls an diese Periode der Glasindustrie in Weißwasser.

In seiner Laudatio zur Eröffnung der Sonderausstellung würdigt Hans-Dieter Marschner die Leistungen der Glaswerker, die sie unter den schwierigen Bedingungen der geforderten Massenproduktion in der DDR auch auf künstlerischen Gebiet vollbracht haben. „Oft war ich mehr der Seelsorger für die Mitarbeiter als das ich meine Funktion als Leiter in der Entwicklung ab 1982 ausüben konnte“, erinnert sich der Laudator. Mit der Ausstellung soll das Interesse der Öffentlichkeit an ein bedeutendes Kapitel der Industriegeschichte in Weißwasser wach gehalten werden. Rund ein halbes Jahr hat das Gestalterteam an der Konzeption und am Inhalt der Ausstellung immer wieder gefeilt. Christine Lehmann und Horst Gramß, als den beiden Hauptaktakteuren ist es gelungen, mit der Unterstützung des Fördervereins für das Glasmuseum unter der Leitung von Horst Fasold das Projekt erfolgreich umzusetzen.