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Ärztemangel: Keine Termine mehr beim Hautarzt

Ende Juni schließt die letzte Hautarztpraxis im Raum Löbau-Zittau. Patienten haben im Umkreis von 50 Kilometern kaum eine Chance - nicht das einzige Problem.

Von Jana Ulbrich
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© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Wenn Nadine Linge mit ihrem jüngsten Sohn einen Termin beim Hautarzt hat, dann muss die Zittauerin einen Tag Urlaub nehmen, den Zweijährigen ins Auto setzen und zu einer kleinen Weltreise aufbrechen. Der Junge leidet an Neurodermitis. Die nächstgelegene Dermatologen-Praxis, die den kleinen Patienten aufgenommen hat, hat Nadine Linge in Dresden gefunden. "Ich habe mir die Finger wund telefoniert, bis wir endlich in einer Praxis aufgenommen wurden", sagt die junge Mutter. "Ich hätte so etwas nicht für möglich gehalten." Doch wie ihr geht es inzwischen fast allen in der Region Löbau-Zittau, die einen Termin beim Hautarzt brauchen. Und in vier Monaten wird das Problem noch größer - wenn bis dahin kein Wunder geschieht.

Auf das Wunder hofft Dr. Volker Kohl nicht mehr. Er ist der letzte praktizierende Hautarzt im Süden des Kreises Görlitz. Am 30. Juni wird er seine Praxis in Zittau schließen. "Das ist definitiv", sagt der Facharzt. "Ich habe meine Zulassung zu diesem Datum bereits zurückgegeben." Die Praxis ist auch schon seit Längerem zur Neubesetzung ausgeschrieben. Eine einzige Interessentin habe sich gemeldet, sagt Dr. Kohl. Sie habe sich aber nicht dafür entschieden. Seinen Stammpatienten rät er deshalb schon jetzt, sich einen neuen Facharzt zu suchen.

Doch das ist leichter gesagt als getan: Schon seitdem 2020 kurz hintereinander die beiden Hautarztpraxen in Neugersdorf und Herrnhut geschlossen wurden - die eine aus Alters-, die andere aus Krankheitsgründen - gibt es außer Dr. Kohl im Bereich Löbau-Zittau keinen weiteren Hautarzt mehr. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat eine Unterversorgung auf diesem Fachgebiet festgestellt - und zahlt Nachfolgern sogar eine Prämie von 100.000 Euro. Doch selbst diese großzügige Starthilfe konnte bisher noch keinen neuen Dermatologen anlocken.

Und auch im Umkreis ist die Versorgungslage für die Patienten nicht viel besser. In Bautzen ist ebenfalls eine von drei Planstellen unbesetzt. Die beiden anderen Hautarzt-Praxen sind heillos überfüllt. "Terminanfragen haben aus Kapazitätsgründen bis auf Weiteres keine Aussicht auf Erfolg", heißt es deshalb gleich vom automatischen Anrufbeantworter. Nur in sehr dringenden Fällen, bei akutem Verdacht auf Hautkrebs oder schweren Allergien, nehmen die Fachärzte in Bautzen noch Patienten an.

Bei den beiden Görlitzer Dermatologen ist die Lage ähnlich: Terminvergaben sind zurzeit nicht möglich. Die Hautärztin in Bischofswerda spricht von Überstrapazierung. Bei der Kassenärztlichen Vereinigung ist man sich des Problems bewusst. Den Interessenten würde der rote Teppich ausgerollt - wenn sie denn kämen. Das Problem: Für junge Ärzte ist es nicht mehr unbedingt die erste Wahl, eine eigene Praxis zu eröffnen - zu viel Verwaltungsarbeit, zu viel Papierkram, zu viele Abrechnungsfallen. Auch die Arbeit auf dem Land ist für viele nicht attraktiv.

Auch bei Rheumatologen ist die Versorgungslage kritisch

Für Nadine Linge, die zum Studieren nach Zittau gekommen ist und jetzt hier mit ihrer Familie lebt, ist diese Entwicklung nicht nachvollziehbar. "Das kann doch nicht so einfach hingenommen werden", findet die 34-Jährige. "Da müsste doch die Politik aktiv werden." Und sie fragt, wer ihr denn die Urlaubstage und Fahrtkosten für die Reisen zu den Ärzten nach Dresden erstattet. "Niemand!", sagt sie. Denn die Krankenkasse zahlt nur bei stationärer Behandlung.

Die junge Mutter muss nämlich nicht nur mit ihrem jüngsten Sohn zum Arzt nach Dresden fahren, sondern auch sie selbst. Und das ist gleich der nächste Fall von akutem Fachärztemangel in der Region-Löbau Zittau. Nadine Linge leidet an einer sehr schmerzhaften Erkrankung und braucht die Hilfe eines Rheumatologen. Doch trotz einer Überweisung mit Dringlichkeitsvermerk hat sie bei ihrer Arztsuche ebenfalls erst in einer Dresdener Praxis Erfolg gehabt. Vorige Woche hat die Zittauerin einen Brief an das Bundesgesundheitsministerium geschrieben, in dem sie ihre Odyssee bei der Facharztsuche schildert. Und sie fragt, was denn der Staat unternimmt, um diese Situation zu ändern. Auf die Antwort aus Berlin ist nicht nur sie gespannt.