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Als eine tschechische Baude zur DDR-Jugendherberge wurde

Zwischen 1958 und 1968 übernachteten jährlich 5.000 Jugendliche in der DDR-Jugendherberge „Julius Fučík“ auf dem Johannisstein bei Oybin. Die eigentlich zu Tschechien gehörte.

Von Rolf Hill
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Ein Foto aus der Zeit zwischen 1958 und 1968 zeigt die Baude auf dem Johannisstein bei Oybin-Hain, wie sie zu der Zeit als deutsche Jugendherberge aussah. Kleines Bild: So sieht die Baude heute aus.
Ein Foto aus der Zeit zwischen 1958 und 1968 zeigt die Baude auf dem Johannisstein bei Oybin-Hain, wie sie zu der Zeit als deutsche Jugendherberge aussah. Kleines Bild: So sieht die Baude heute aus. © Rolf Hill/Ortschronik Oybin

Wie Perlen an einer Schnur reihten sich einstmals im Zittauer/Lausitzer Gebirge beiderseits des Kamms Bauden und andere Rastmöglichkeiten für müde Wanderer aneinander. Viele von ihnen wurden – insbesondere durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges – Opfer unsinniger Zerstörung. Meist setzte ihnen jemand den „roten Hahn“ aufs Dach und sie versanken in Schutt und Asche. Dieses Schicksal blieb der beliebten Einkehrstätte auf dem Johannisstein erspart, doch auch sie hatte schwere Zeiten zu überstehen.

Die ehemalige Gaststätte „Zum Johannisstein“ steht auf der 604 Meter hohen Anhöhe der Jánské kameny (Johannissteine), einer Gruppe von Basaltfelsen zwischen dem zum tschechischen Krompach (Krombach) gehörenden Ortsteil Valy (Schanzendorf) und Oybin-Hain. Bereits im Jahre 1880 ließ Anton Zippe, dessen Vater im nahen Krombach den Gasthof „Zum Schloss“ betrieb, auf dem Grundstück eines ehemaligen Gutes die erste gemütliche Bergbaude errichten. Auf dem angrenzenden Gipfel entstand wenig später ein Steinturm, auf dem am Johannistag 1881 (28. Juni) feierlich eine Aussichtsplattform eröffnet wurde.

1890 erwarb ein Otto Vogt aus Bürghartshain die Gaststätte. Er richtete ein Gästezimmer ein, stockte das Gebäude auf und erweiterte die Veranda um den charakteristischen Erkerturm. Friedrich Wagner übernahm 1909 die Verwaltung des Gasthofs. Aufgrund des großen Aufschwungs des Wanderbetriebs blieb der Johannisstein nun auch im Winter geöffnet. 1912 wurde die Küche umfangreich saniert, hinter ihr wurden zudem Privatzimmer angebaut. 1915 starb Wagner, das Geschäft übernahm seine Frau, die jedoch 1918 ebenfalls verstarb. Der einzige Sohn fiel im Ersten Weltkrieg, und die Erben Goldberg und Liebelt schlossen die Baude.

Am 13. März 1919 ging der Johannisstein durch eine Zwangsversteigerung an Ewald Schönfelder aus Olbersdorf über. Nun begann die größte Blütezeit des Gasthofes, er wurde großzügig umgebaut und erhielt eine für jene Zeit sehr moderne Einrichtung. In den Jahren 1920 und 1921 erreichte der Betrieb seinen Höhepunkt. Aber nach dem Zusammenbruch der Deutschen Mark versiegte der Besucherstrom aus Deutschland.

Der Besitzer schloss die Johannissteinbaude und erbaute auf dem anliegenden Grundstück jenseits der Grenze eine neue sächsische Baude, um deutsche Besucher anzuziehen. Erst 1924 besserte sich die Lage so weit, dass die böhmische Baude wieder geöffnet werden konnte. Auch in den folgenden Jahren arbeitete Ewald Schönfelder an der Vergrößerung und Modernisierung des Johannissteins, sodass hier ein monumentales Berghotel entstand, dessen wachsende Berühmtheit aber durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vorerst ihr Ende fand.

Nach dem Krieg war das Hotel zwar der Zerstörung entgangen, es wurde aber auch nicht weiter instandgehalten. Sein Zustand verschlechterte sich schnell. Man wusste zunächst nichts damit anzufangen. So kam es zu einem Novum, etwas völlig Neuem: Am 14. Juni 1958 wurde in Novy Bor (Haida) ein Vertrag zwischen der DDR und der ČSSR unterzeichnet, der die tschechische Baude in die Trägerschaft der Gemeinde Oybin überführte. Vorausgegangen waren Verhandlungen der beiden Außenministerien. Ziel war die künftige Nutzung als Jugendherberge „Julius Fučík“. Darüber berichtet die ehemalige Oybiner Bürgermeisterin Gabriele Sattler im Bildband „Oybin von 1945 bis 1989“: „Bis Oktober 1958 leisteten Jugendliche des Kreises Zittau, Studenten und Pioniere etwa 10.000 Stunden für den Ausbau. Der Rat des Kreises und Betriebe unterstützten das Vorhaben. Die Einweihung fand am 7. Oktober 1958 statt. Jährlich übernachteten rund 5.000 Jugendliche.“

Leider fand diese Zeit als Jugendherberge mit der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 ein jähes Ende. Das Gebäude stand leer, Vandalen vernichteten alles, was nicht niet- und nagelfest war. Erst 1970 kaufte es der Betrieb „Silnice Teplice“ als Erholungsobjekt, nutzte es aber nie.

Einen Lichtblick gab es erst 2001, als Jiří Kudrna das heruntergekommene Objekt kaufte und nach und nach wiederherstellte. 2002 gründete er zusammen mit seinem deutschen Nachbarn von der einstigen sächsischen Baude den Verein „Jánské kameny – Johannisstein“. Man strebte die Wiederbelebung an.

Und heute? Wie Anwohner aus dem Oybiner Ortsteil Hain bestätigten, ist die tschechische Baude geöffnet und wird als Pension betrieben. Der Besitzer hat sich inzwischen auch der deutschen Baude angenommen. Dort, so heißt es, will er mit dem Ausbau im nächsten Jahr beginnen.