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Das "Wirtschaftswunder" von Lückendorf

Viele Menschen beklagen ein Kneipensterben. Die Polin Mirona Salaj hat ihre "Alte Schmiede" in Lückendorf oft rappelvoll. Wie macht sie das?

Von Holger Gutte
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Neustart trotz Corona-Zeit super geschafft. Mirona Salaj und ihr Team vom Gasthof Alte Schmiede in Lückendorf.
Neustart trotz Corona-Zeit super geschafft. Mirona Salaj und ihr Team vom Gasthof Alte Schmiede in Lückendorf. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Kehrt man im Gasthaus Alte Schmiede in Lückendorf ein, gewinnt der Gast den Eindruck, dem Gaststättengewerbe geht es glänzend. Die rustikale Gaststätte und der Biergarten sind oft sehr gut besucht. So gut, dass Wirtin Mirona Salaj rät, für das Wochenende bei mehr als zwei Personen sicherheitshalber vorzubestellen.

Auch an jenem Freitag, als die SZ in der Mittagszeit vorbeischaute, sind von den 40 Plätzen in der Gaststube und den 50 im Biergarten nur noch sehr wenige frei gewesen. "Es läuft gut", sagt Mirona Salaj. Mitten in der Corona-Zeit hat die 40-Jährige mit der Alten Schmiede in Lückendorf allen Unkenrufen vom Kneipensterben zum Trotz, den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und nicht bereut.

Der Gasthof "Alte Schmiede" in Lückendorf ist jetzt der beliebteste der Oberlausitz und damit "Gästeliebling 2022" geworden.
Der Gasthof "Alte Schmiede" in Lückendorf ist jetzt der beliebteste der Oberlausitz und damit "Gästeliebling 2022" geworden. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

"Als Chefin allein erreichst du gar nichts. Aber wenn du ein gutes Team um dich herum hast, kannst du viel bewegen", sagt sie. Als sich Familie Schüller, die über viele Jahre die Alte Schmiede in der Gabler Straße in Lückendorf betrieben hatte, zur Ruhe setzte, sah hier Mirona Salaj ihre große Chance. Und ihre Mutter ist froh darüber. Sie wollte wieder etwas näher an ihre polnische Heimat und wohnt jetzt in Zittau.

"Wer irgendwie die Möglichkeit hat, sich selbstständig zu machen, egal in welcher Branche, sollte das tun", schildert Mirona Salaj. Sie ist gelernte Restaurantfachfrau und Hotelmeisterin und im Gasthof Alte Schmiede Chefin und Mädchen für alles zugleich. Wo jemand gebraucht wird, springt sie ein, steht mal am Tresen oder kellnert.

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Der Kontakt und das Gespräch mit den Gästen ist ihr wichtig. Sie sollen sich wohlfühlen in ihrer alten Schmiede. Und dabei schließt sie ihre Mitarbeiter ein. "Auch Männer wollen Zeit mit ihren Kindern verbringen. Und das sollen und müssen sie auch", sagt sie. Mit Teamwork lässt sich das selbst in ihrer Branche verwirklichen, fügt sie hinzu.

Als Entschädigung spendiert sie ein Freigetränk

Dennoch kommt es natürlich vor, dass mal ein Gast trotz Vorbestellung etwas warten muss, weil einfach die Gaststube voll ist. Dann improvisiert sie und bittet die Gäste derweil im Biergarten unter einem Sonnenschirm Platz zu nehmen. Als Entschädigung spendiert sie ein Freigetränk für jeden. "Das habe ich mir so angewöhnt und es kommt gut an", schildert Mirona Salaj.

Es ärgert sie, dass sie seit Mai 2020 bis jetzt noch kein komplettes Jahr konsequent durchstarten konnte. Immer wieder gab es Einschränkungen wegen der Corona-Maßnahmen. Der Anfang war hart. Für mögliche staatliche Hilfen hätte sie den Verdienst von 2019 nachweisen müssen. Doch da hatte sie die Gaststätte ja noch gar nicht. Und die Einnahmen ihrer Vorgänger zählten nicht. "Aber wir haben das durchgestanden", sagt die 40-Jährige.

Auch, weil die Lückendorfer und viele andere Gäste sie sehr gut aufgenommen haben. "Gleich zu Beginn sind die Vereine vom Ort zu uns gekommen. Sie stellen hier viel auf die Beine. Da wollen wir natürlich nicht hinten anstehen", erzählt sie.

Mirona Salaj ist Polin, bezeichnet sich selbst aber als Europäerin. Die 40-Jährige kam mit ihrer Familie schon als Siebenjährige nach Deutschland und ist in Nürnberg aufgewachsen. "Die letzten zehn Jahre habe ich aber in Österreich in der Gastronomie und im Hotelgewerbe gearbeitet", erzählt sie. Mirona Salaj spricht perfekt und schnell deutsch. Dann hört man auch etwas den Akzent durch.

So wie bei einigen Mitarbeitern im Team. "Wir sind eben richtig europäisch und das ist gut in einem Dreiländereck", meint sie. Vom alten Mitarbeiterstamm der Familie Schüller ist beispielsweise noch der tschechische Koch dabei. Die Chefin ist Polin und die anderen Kollegen Deutsche.

Mirona Salaj geht auf in ihrem Job. Egal, wo sie gerade rumwuselt, sie hat immer die Gäste im Blick. Mit einem Auge fürs Detail hat sie sogar den Parkplatz vorm Haus dekoriert. "Das war ich aber nicht allein", gesteht sie. Eine Nachbarin hat ihr eine Strohpuppe als Vogelscheuche zur Gartendekoration geschenkt. Doch Mirona Salaj hat aus ihr Horst, den Pferdeflüsterer gemacht und noch andere kleine Hingucker aufgestellt.

"Der erste Eindruck ist der Wichtigste", ist sie überzeugt. Deshalb soll der Gast schon am Parkplatz einen kleinen Aha-Effekt erhalten, der dann in der Gaststätte, mit freundlicher Bedienung, gutem Essen und gemütlichem Ambiente noch getoppt wird, erklärt sie ihr Prinzip.

Die Wirtin legt Wert auf frische Produkte aus der Region. Das Wildfleisch und der Fisch kommen direkt aus der Umgebung. Die Wild-Roulade und der frische Oybiner Saibling gehören auch deshalb mit zu den meist bestellten Gerichten in der Schmiede.

An manchen Tagen gibt es sogar Live-Musik in der Gaststube. Das kommt gut an. Mirona Salaj hat noch viele Ideen im Hinterkopf und hofft, dass sie in diesem Jahr endlich richtig durchstarten kann - ohne Einschränkungen wegen Corona-Maßnahmen. Denn die Alte Schmiede wird auch zunehmend als Pension gebucht.

Gasthof wurde zum "Gästeliebling 2022" gewählt

Und ihr Engagement kommt bei den Gästen an. Der Gasthof "Alte Schmiede" in Lückendorf ist jetzt der beliebteste der Oberlausitz und damit zum "Gästeliebling 2022" geworden. Das teilte kürzlich das Sächsische Tourismusministerium mit.

Bei all dem täglichen Geschäft verliert Mirona Salaj nicht den Blick auf ihre Umgebung. Sie unterstützt das Kinderheim im angrenzenden tschechischen Krompach mit Sachspenden. 92 Kinder leben dort. Regelmäßig lädt sie Kindergruppen aus dem Heim zu sich ein. Sie fühlt sich schon nach kurzer Zeit heimisch in Lückendorf. "Ich höre gern zu, wenn Leute reden und erfahre so manchmal, wo der Schuh drückt", erzählt sie. Es gibt ihr auch ein wenig das Gefühl, dazuzugehören. Und wenn sie kann, hilft sie gern.

Mittwochs ist Ruhetag. Ansonsten ist der Gasthof am Montag und Dienstag von 17 bis 22 Uhr und von Donnerstag bis Sonntag von 11 bis 21 Uhr geöffnet. Zumindest die Küche - Getränke gibt es bis open end.