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Großschönauerin erhält die höchste Ehrung Sachsens

Ministerpräsident Michael Kretschmer hat Barbara Schienbein den Verdienstorden verliehen. Die 63-Jährige sprudelt vor Ideen - was sich in Löbau, Zittau und Großschönau auswirkt.

Von Holger Gutte
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Die Großschönauerin Barbara Schienbein gehört zu den zwölf Personen, denen Ministerpräsident Michael Kretschmer am Dienstag den Verdienstorden des Freistaates verlieh - die höchste staatliche Auszeichnung Sachsens.
Die Großschönauerin Barbara Schienbein gehört zu den zwölf Personen, denen Ministerpräsident Michael Kretschmer am Dienstag den Verdienstorden des Freistaates verlieh - die höchste staatliche Auszeichnung Sachsens. © privat

Wenn man liest und hört, wo und wie sich Barbara Schienbein überall engagiert, müsste man denken, ihr Tag hat 30 Stunden. Das außergewöhnliche Engagement der 63-jährigen Wahl-Großschönauerin ist bis in die Landeshauptstadt durchgedrungen. Als Ministerpräsident Michael Kretschmer am Dienstag zwölf Bürgern den Verdienstorden des Freistaates verlieh, gehörte Barbara Schienbein zu denen, die mit der höchsten staatliche Auszeichnung Sachsens geehrt wurden. Den Orden erhalten Menschen, die sich im politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen, gesellschaftlichen oder ehrenamtlichen Bereich in herausragendem Maße einsetzen.

"Man muss sehen, wie man mit seinen Interessen wachsen kann. Aber man muss auch später Verantwortung abgeben können", sagt die Mutter von drei erwachsenen Kindern. Nach diesem Motto hat sie zumindest immer gelebt und hält sich heute noch daran. Dabei hat die in Torgelow geborene Sachsen-Anhaltinerin beruflich anfangs mal einen ganz anderen Weg eingeschlagen.

Sie hat nach der Schule Baufacharbeiterin in einem großen Baukombinat gelernt und während der Ausbildung in einem Lehrlingswohnheim gelebt. Maurer war aber dann doch nicht so ihr Ding. "Ich wollte eigentlich Innenarchitektur studieren", erzählt sie. "Aber dafür hätte ich in die damalige Sowjetunion gemusst. Und das wollte ich nicht. In dem Alter habe ich manchmal bisschen rum gebockt."

Durch das Leben im Wohnheim angeregt, studierte sie stattdessen Erzieherin für Lehrlingswohnheime. Nach der Wende gab es das nicht mehr. "Das war zu systemnah", sagt sie. Also studierte Barbara Schienbein erneut - diesmal Sozialpädagogik. Die Liebe hatte sie längst in die Oberlausitz nach Großschönau geführt.

Sie engagierte sich für die Jugendarbeit. Und sie wurde Insolvenz- und Schuldnerberaterin - zuerst nebenberuflich für die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und später für eine Kanzlei. Barbara Schienbein hat ein Gespür, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, um ihnen helfen zu können. In Zittau und Großschönau baute sie eine Schuldnerberatungsstelle auf.

Immer mehr widmet sie sich der Kinder- und Jugendarbeit. "In der DDR hatten wir gelernt, im Kapitalismus ist alles böse. Ich bin in den Westen gefahren und habe mir angesehen, wie die AWO das dort so macht und fand es gut", berichtet sie.

Barbara Schienbein scharte Gleichgesinnte um sich, die sich mit ihr für Kinder- und Jugendarbeit engagieren wollen. Mit ihrem außergewöhnlichen Elan trug die heute 63-Jährige maßgeblich zum Aufbau des Arbeiterwohlfahrtsverbandes in der Oberlausitz bei. In verschiedenen Funktionen setzte sie sich beruflich und ehrenamtlich für den Wohlfahrtsverband ein. So initiierte sie 1991 die Gründung eines Ortsvereins in Großschönau, den sie bis 2004 ehrenamtlich leitete.

Aber nicht nur das: Barbara Schienbein kümmerte sich in der Region um eine Kinder- und Jugendwohngruppe in Herwigsdorf bei Löbau. In dem Heim wurden sechs- bis 18-Jährige betreut, die aus schwierigen Familienverhältnissen kamen. Als es aufgelöst wurde, zog sie mit den Bewohnern in die Kinder- und Jugendwohngruppe "Maxi" der AWO nach Zittau, die es heute noch gibt. Diese orientiert sich familienähnlichen Strukturen heilpädagogisch am Alltag.

Barbara Schienbein war zudem Fachberaterin und Koordinatorin für die Einrichtungen der AWO im Bereich der Hilfen zur Erziehung für Kinder und Jugendliche und später auch Mitglied der Geschäftsleitung. Sie wirkte immer als ein Ideengeber und Motor und machte es sich zur Aufgabe, in ihrem Beruf und in ihrer Freizeit sozial schlechter gestellte Menschen zu unterstützen - vor allem, wenn es dabei um Kinder, Jugendliche und Familien geht.

Neben all dieser Aufgaben in Beruf und Freizeit ist sie nach der Wende über anderthalb Jahrzehnte auch Gemeinderätin in Großschönau gewesen, war zudem Mitglied im Förderverein der Mittelschule Großschönau.

Vor einem Jahr ist sie nun in Ruhestand gegangen. Obwohl: Das Wort trifft für sie nicht zu. Jetzt, wo sie keine Mitarbeiterin der AWO mehr ist, kann sie dem Vorstand angehören. Und so ist sie weiterhin am Ball, wenn es um Kinder- und Jugendarbeit geht.

Sie ist also wirklich mit ihren Interessen gewachsen und hat Verantwortung abgegeben. "Jetzt ist es für mich wichtig, dass wir neue Mitglieder bekommen", sagt sie.

Langweilig wird ihr als Rentnerin bestimmt nicht. Barbara Schienbein denkt bereits darüber nach, wie sie sich politisch mehr einbringen könnte. Eine erneute Kandidatur für den Großschönauer Gemeinderat kann sie sich gut vorstellen. Auch beim Zukunftsprojekt Großschönau 2030 möchte sie gern mitwirken. Die Pläne hier für den Bahnhof, der Webschule und anderen Projekte findet sie gut.

Und die Großschönauerin hat auch noch ein Hobby. Imkerin ist sie längst. Sie würde aber ebenso gern mit tier- therapeutischen Maßnahmen in Schulen und Kitas gehen. "Damit das Gehirn im Alter nicht schrumpft, muss man es schon noch etwas beschäftigen", sagt sie. Man darf also gespannt sein, auf die nächsten Ideen und Initiativen, die sie anregen wird.