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Räuberpistole um falschen Briefkasten

Thomas Göttsberger aus Ostritz wird von einer Firma auf 16.000 Euro verklagt. Doch das Gericht weist die Klägerin wegen eines fiesen Tricks in die Schranken.

Von Markus van Appeldorn
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Thomas Göttsberger vor der Zittauer Mandaukaserne - eine seiner Immobilien.
Thomas Göttsberger vor der Zittauer Mandaukaserne - eine seiner Immobilien. © Matthias Weber (Archiv)

Der Ostritzer Stadtrat und Besitzer mehrerer denkmalgeschützter ImmobilienThomas Göttsberger ist ein streitbarer Geist, der sich nicht so einfach über den Tisch ziehen lässt. Das hätte eine Firma aus Radibor bei Bautzen vielleicht wissen sollen, bevor sie ihn vor Gericht zerrte. Vor der Zivilkammer des Landgerichts Görlitz endete ein Streitfall jetzt nämlich hauptsächlich deswegen, weil jene Firma beim Versuch an Göttsbergers Geld zu kommen überaus erfinderisch - und womöglich sogar kriminell - agierte.

Alles begann damit, dass Göttsberger die Firma beauftragte, eine bis heute nicht funktionsfähige Photovoltaik-Anlage auf dem Dach eines seiner Häuser in Görlitz zu installieren. Die sollte nicht bloß Strom generieren, sondern vor allem Rendite - in Form jahrelanger Einspeisungsvergütungen. 81.000 Euro sollte die Installation kosten, 65.000 Euro davon zahlte Göttsberger in zwei Tranchen vertragsgemäß nach dem Fortschritt der Installation. Dann kam's zum Streit. "Ich habe Mängel festgestellt und mehr als ein Jahr Verzug gerügt", sagt Göttsberger. Er weigerte sich daher, die letzten 16.000 Euro zu bezahlen. Die beauftragte Firma kündigte daraufhin den Vertrag und forderte die Restzahlung.

So weit, so normal - doch dann kam die Sache mit dem ominösen Briefkasten. Thomas Göttsberger nämlich hörte länger nichts von der Firma - dann aber von seinem Arbeitgeber. "Man hat mir mitgeteilt, dass mein Gehalt gepfändet worden ist", sagt er. Wie das? Göttsberger fragte beim zuständigen Mahngericht nach. Dort teilte man ihm mit, dass der der Pfändung zugrunde liegende Mahn- und schließlich Vollstreckungs-Bescheid nicht an seine Wohnadresse geschickt worden war, sondern an die Adresse eines leer stehenden Hauses in Leuba, das Göttsberger auch gehört. Weil dem Mahngericht daraufhin die Zustellung bestätigt wurde und ein Einspruch unterblieb, wurde der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig. Das Problem nämlich: Ein Mahngericht prüft nicht, ob an einer angegebenen Zustelladresse tatsächlich jemand wohnt - sondern nur, ob dort eine Sendung zugestellt wurde.

Der ominöse Briefkasten am Tor des unbewohnten Hauses mit Göttsbergers Namen darauf.
Der ominöse Briefkasten am Tor des unbewohnten Hauses mit Göttsbergers Namen darauf. ©  privat

Die böse Falle mit dem falschen Briefkasten

Die Information ließ Thomas Göttsberger aufhorchen. Er fuhr zu dem leerstehenden Haus in Leuba und machte eine groteske Entdeckung. "Da hatte jemand einen Briefkasten am Tor angebracht mit meinem Namen draufgepinselt. Der war vorher nicht da. Und ich habe den Verdacht, dass jemand den Briefkasten nur dort aufgehängt hat, damit die Post vom Mahngericht darin landet", sagt er. Er widersprach dem Vollstreckungsbescheid - doch dafür war die Frist längst abgelaufen. Allerdings erreichte er, dass das zuständige Amtsgericht in Löbau die Gehaltspfändung zunächst aussetzte. Deshalb verklagte ihn die Firma aus Radibor vor dem Landgericht nun auf Zahlung. Göttsberger dagegen forderte, den rechtsgültig gewordenen Vollstreckungsbescheid für unwirksam zu erklären.

Der Richter ließ die vor Gericht erschienene Anwältin der Firma wissen, dass es so nicht gehe. "Mir ist nicht klar, warum man den Beklagten jahrelang unter seiner Wohnadresse anschreibt und nur wenn es um die Schlussrechnung und Mahnbescheide geht, plötzlich die Zustelladresse wechselt", sagte er. Nach der Zivilprozessordnung sei die richtige Zustelladresse die Wohnadresse eines Menschen, also dort, wo er seinen Lebensmittelpunkt habe. Auch die Klägerin - also die Firma - müsse erkennen, dass nicht überall, wo ein Briefkasten hängt, auch jemand wohnt. "Die Zustellung erachte ich als nicht wirksam", erklärte der Richter und kassierte damit gewissermaßen den Vollstreckungsbescheid, der nur rechtskräftig werden kann, wenn er wirksam zugestellt wurde.

Auch das weitere Geschäftsgebaren der Firma kritisierte der Richter. Die Anwältin übergab Göttsberger nämlich erst im Gerichtssaal die für die Forderung nötige Endabrechnung - in Form von einem Blatt Papier. Ein Dokument, das beim Richter auf Unverständnis stieß. "Also, Ihnen ist aber schon klar, dass so etwas nachvollziehbar sein muss?", ließ er die Rechtsanwältin wissen. Vorschriften für eine kaufmännisch ordentliche Rechnungslegung sehen nämlich vor, dass eine Rechnung in sich nachvollziehbar sein muss. "So eine Schlussrechnung müsste normalerweise gut 30 Seiten umfassen", erklärt Göttsbergers Anwalt Rainer Fahrenbruch, weil darin sämtliche erbrachten Leistungen aufgelistet werden müssen - ein Blatt Papier mit einer Rechnungssumme reicht da nicht. Und auch der Richter erklärte: "Diese Rechnung ist nicht prüfbar." In der Sache um die Forderung kündigte er das Urteil für den 4. November an.

Betrugs-Anzeige gegen Firma

Aber für Thomas Göttsberger ist die Sache damit noch lange nicht vom Tisch. "Ich habe auch Strafanzeige wegen Betruges erstattet", sagt er - infrage kämen aber auch noch weitere Straftatbestände. Er hegt den Verdacht, dass jene Firma selbst diesen falschen Briefkasten angebracht haben könnte - um die Zustellung dort sicherzustellen. "Ich kann das aber nicht beweisen", sagt er. Allerdings hat er den Briefkasten als Beweisstück gesichert. "Ich habe ihn nur mit Handschuhen angefasst", sagt er, und: "Die Staatsanwaltschaft wird ihn öffnen, es ist ja noch Post drin. Ich selbst habe ja keinen Schlüssel dafür."

Und er macht der Firma auch eine eigene Rechnung in Form einer Widerklage auf. Nämlich die über entgangene Einnahmen, weil die immer noch nicht funktionstüchtige Photovoltaik-Anlage keinen Strom einspeisen kann und Göttsberger daher auch keine Vergütung erhält. Die Höhe dieser Einspeisevergütung ist auch davon abhängig, wann eine solche Anlage ans Netz gegangen ist - und ist mittlerweile gesunken. Ab Januar 2021 fällt diese Einspeisevergütung mitunter sogar komplett weg. "Auf 20 Jahre gerechnet könnte sich da ein Verlust von 60.000 bis 70.000 Euro summieren, sagt er. Und die will er von der Firma haben, "falls es die Firma dann überhaupt noch gibt", wie sein Anwalt anmerkt. Diese Widerklage trennte der Richter aber als eigenes Verfahren vom jetzigen Forderungsprozess ab.

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