SZ + Zittau
Merken

3-Jährigen totgerast? Mutter des angeblichen Täters spricht

Ein junger Mann soll im Juni als Raser einen Unfall verursacht und dabei ein Kind getötet haben. Aber in den Berichten dazu gibt es Ungereimtheiten.

Von Markus van Appeldorn
 4 Min.
Teilen
Folgen
Eins der Unfallwracks mit dem angeblichen Todesfahrer Dominik H.
Eins der Unfallwracks mit dem angeblichen Todesfahrer Dominik H. © KPP Zgorzelec

Der Unfall war schrecklich: Am 6. Juni, einem Sonntag, prallte ein Audi auf der Straße zwischen Zgorzelec und Bogatynia in den VW Passat einer Familie - angeblich mit weit überhöhter Geschwindigkeit, wie polnische Medien berichteten. Der dreijährige Sohn der Familie wurde dabei getötet. Als Schuldigen präsentierten die polnischen Medien den 25-jährigen Dominik H. Der soll der Fahrer gewesen und vom Unfallort nach Deutschland geflohen sein, wo seine Mutter lebe. Am 16. Juli sei er schließlich in Deutschland in eine Polizeikontrolle geraten - wieder wegen Raserei - und in Folge derer wegen eines EU-Haftbefehls der polnischen Behörden verhaftet worden. Nun spricht die Mutter von Dominik H. mit der SZ - und deren Schilderungen wecken erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der polnischen Medienberichte.

Mit Bezug auf die polnischen Medien hatte auch die SZ von der Verhaftung berichtet. "Davon, dass mein Sohn sich bei mir versteckt hätte, kann schon deshalb keine Rede sein, weil er ganz regulär hier wohnt und polizeilich gemeldet ist", erzählt die Mutter - und zeigt der SZ die Meldebescheinigung. Seit die Familie in das Haus im Raum Zittau eingezogen ist, ist auch Dominik H. dort gemeldet. In Wahrheit sei ihr Sohn aber nach dem Unfall auch gar nicht daheim gewesen. Zuletzt habe sie ihn am Tag vor dem Unfall gesehen. "Am Abend des Unfalls kamen Polizeibeamte des Reviers Zittau und haben mir von dem Unfall und Dominiks angeblicher Beteiligung berichtet", erzählt sie. Sie habe deshalb sofort versucht, ihren Sohn auf dem Handy zu erreichen - das aber sei ausgeschaltet gewesen.

Ungereimtheiten in Medienberichten

Nach Angaben seiner Mutter hatte Dominik H. in den letzten Monaten ein Seminar in Zgorzelec besucht, um eine Qualifikation als Personal-Trainer zu erwerben. An jenem Abend sei er wohl auf dem Heimweg gewesen. "Aber es ist noch überhaupt nicht erwiesen, dass er überhaupt gefahren ist, zumal das Auto nicht ihm gehörte", sagt die Mutter. Rätselhaft findet sie auch die Berichte, dass nur noch ein weiterer Beifahrer in dem Auto gesessen habe. "Ich weiß, dass noch eine dritte Person mit in dem Audi saß", sagt sie. Besonders empört ist sie über die Behauptung der polnischen Medien, ihr Sohn sei bereits vorbestraft, unter anderem wegen Raubstraftaten. "Dominik ist bisher strafrechtlich völlig unbescholten", sagt sie.

Vollständig wirr wird es bei der Darstellung der polnischen Medien, ihr Sohn sei im Rahmen einer Raserkontrolle von der deutschen Polizei verhaftet worden. "Es gab keine Kontrolle. Dominik hat sich in Düsseldorf freiwillig auf einem Polizeirevier gestellt", erklärt die Mutter. Das belegt ein Schreiben, das ein in Düsseldorf tätiger polnischer Anwalt bezüglich der Auslieferungshaft an die dortige Generalstaatsanwaltschaft gerichtet hat. Demnach hatte Dominik H. den Anwalt am 16. Juli in dessen Kanzlei aufgesucht und sich anschließend bei der Polizei gestellt. Die nahm ihn aufgrund des europäischen Haftbefehls der polnischen Justiz in Auslieferungshaft. Sein Anwalt will nun erreichen, dass dieser Haftbefehl ausgesetzt wird, weil für Dominik aufgrund seines festen Wohnsitzes und Lebensmittelpunktes bei seiner Familie in Deutschland keine Fluchtgefahr bestehe.

Falschinformationen durch polnische Behörden?

Die Mutter will Dominik H. nicht reinwaschen. "Wenn er diesen Unfall verursacht hat, muss er sich dafür verantworten", sagt sie. Sie sieht ihren Sohn aber einer Medienhetze aus Falschinformationen ausgesetzt - und sie ist davon überzeugt, dass diese Falschinformationen bewusst von den polnischen Ermittlungsbehörden an die Medien durchgestochen worden seien. Sie glaubt auch, einen Grund für dieses Vorgehen zu kennen.

Ihr Verdacht steht in Zusammenhang mit einem Prozess, den sie selbst bei der Zgorzelecer Justiz führt. Ausgerechnet bei ihrer Hochzeitsfeier im Jahr 2018 kam es auf dem Gelände eines Zgorzelecer Restaurants zu einem schweren Unfall. Ihre damals zweijährige Tochter stürzte vier Meter tief in einen ungesicherten Brunnenschacht, als sie einer Katze hinterherlief, die sie streicheln wollte. Der Unfall wurde von einer Überwachungskamera des Restaurants aufgezeichnet. Die Mutter verklagte das Restaurant auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.

"Aber das Restaurant gehört der Mutter der Chefin des Zgorzelecer Gerichts", sagt sie. Bei den Ermittlungen seien bei der Staatsanwaltschaft Akten verschwunden. Auch ein polnischer Fernsehsender berichtete damals über den Unfall und das Gebaren der Zgorzelecer Staatsanwaltschaft - SZ hat diesen Beitrag gesehen. "Im Rahmen dieses Verfahrens wurden ich und auch mein Sohn oft grundlos von der Polizei kontrolliert", erzählt die Mutter. Sie fürchtet deshalb, dass ihr Sohn nun in der Unfallsache vorschnell verdächtigt und dämonisiert würde und dass ihn in Polen kein gerechtes Verfahren erwarten würde.