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Wie die zweijährige Viktoria gegen den Krebs kämpft

Am 14. Dezember änderte sich mit einem Schlag das Leben einer jungen Familie in Oberseifersdorf: Ihre Tochter hat einen acht Zentimeter großen Tumor. Groß ist aber auch die Hilfsbereitschaft vieler Menschen.

Von Holger Gutte
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Die kleine Viktoria ist am 20. Dezember zwei Jahre alt geworden und kämpft schon gegen eine Krebsart. Für ihre Mama Grit Gründer und ihren Lebenspartner war es ein Schock, als sie am 14. Dezember von der Diagnose erfuhren.
Die kleine Viktoria ist am 20. Dezember zwei Jahre alt geworden und kämpft schon gegen eine Krebsart. Für ihre Mama Grit Gründer und ihren Lebenspartner war es ein Schock, als sie am 14. Dezember von der Diagnose erfuhren. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Etwas ängstlich schaut die kleine Viktoria zu der Kamera des Fotografen. Fremde Personen mit Maske bedeuten für das zweijährige Mädchen meist nichts Gutes. Sie schmiegt sich an ihre Mama. Und das Hutti, dass sie sonst kaum noch nimmt, hilft ihr, die Angst zu überwinden. Nach ein paar Minuten taut sie auf. Sie lacht, spielt, geht ins Bad und kommt mit einer Zahnpastatube zurück. "Sie putzt so gern ihre Zähnchen", sagt ihre Mutter Grit Gründer. Wenn man sie so sieht, kann man sich nur schwer vorstellen, das diese kleine Maus schon täglich um ihr Leben kämpft. Viktoria hat ein Neuroblastom - eine Krebsart.

"Von jetzt auf gleich, hat sich für uns das Leben geändert", erzählt Grit Gründer. Sie meint den 14. Dezember 2022. An diesem Tag haben sie und ihr Lebenspartner Toni Effenberger erfahren, warum ihre Tochter öfter mal über etwas Bauchweh klagt. "Bereits seit der Beikosteinführung hatte sie einen Blähbauch", sagt die Mutter. Mit einem Jahr hat der Arzt deshalb eine Ultraschalluntersuchung bei Viktoria gemacht, aber nichts feststellen können. Die 34-Jährige gab sich erstmal damit ab. Geht wie jede Mutter regelmäßig zum Kinderarzt.

Bei Spaziergängen durchs Dorf sagte Viktoria immer wieder kurz zur Mama, "Mama, Bauch Aua", lief aber weiter, als wäre nichts gewesen. Grit Gründer ließ nicht locker, ging deswegen seit Juli 2022 öfter, auch verbunden mit kleinen Infekten, mit der Kleinen zum Kinderarzt. "Es war so ein Muttergefühl, dass etwas nicht stimmt", sagt sie. Viktoria wurde abgetastet, immer wieder untersucht. Aber der Arzt konnte nichts fühlen und nichts feststellen. "Ein Blähbauch tut halt manchmal weh", heißt es.

"Das war heftig für die Kleine"

Im Dezember bekam die junge Familie einen zweiten Ultraschall-Termin für ihre Tochter. Plötzlich sagte der Arzt: "Oh, da ist was." Die kleine Viktoria hat einen acht Zentimeter großen Tumor an der Nebenniere. Grit Gründer ballt ihre Hand zur Faust und schaut sie an. Sie lässt sich nicht anmerken, dass sie wässrige Augen hat. "Stellen Sie sich mal vor, so einen großen Tumor hat meine Kleine", sagt sie. Viktoria war zu dem Zeitpunkt noch nicht mal zwei Jahre alt.

Nach der Feststellung des Tumors ging alles ganz schnell. Eine dreiviertel Stunde später sind sie mit dem Krankenwagen zur Kinderstation an die Uni-Klinik nach Dresden unterwegs. Grit Gründer rief sofort ihren Lebenspartner an und erzählte ihm, dass ihre Tochter Krebs hat. Toni Effenberger war dienstlich unterwegs, fuhr sofort nach Zittau ins Krankenhaus, verpasste die beiden nur wenige Minuten und düste nach Dresden hinterher.

Es folgten alle möglichen Untersuchungen bei dem Mädchen - MRT, Ultraschall, Herz-EKG, Röntgen und vieles mehr. Das Kind bekam einen Hickman-Katheter gelegt. Die Ärzte brauchten einen zentralen Zugang, dieser wird über den Hals in eine Vene geführt und kommt auf Herzhöhe mit zwei Schläuchen wieder aus dem Körper raus. Der Katheter bleibt die ganze Therapie Zeit in der Kleinen. Darüber findet die Chemotherapie, Blutproben, Bluttransfusion und ähnliches statt. "Das war schon heftig für die Kleine", schildert ihre Mutter.

Viktorias Knochen hatten Glück

In den Behandlungspausen darf Viktoria heim. Ständig pendelt die Familie mit dem Kind zwischen Friedersdorf bei Görlitz - wo sie vorübergehend lebt - und der Uni-Klinik in Dresden hin und her. Die erste Zeit in der Klinik war besonders schlimm. Viktoria hatte auch Influenza und RSV. Deshalb mussten Tochter und Mutter zwei Wochen in Isolation. Besuch außer vom Papa war tabu. Das Zimmer durfte nur für Untersuchungen verlassen werden.

Als die Eltern am 14. Dezember die Diagnose Neuroblastom nach all den Untersuchungen erfahren, war es wie ein Schock. Ist der Tumor gutartig, hat sie damals die Ärzte gefragt. "So etwas ist nie gutartig", erhielt sie zur Antwort. Und Viktoria hat wahrscheinlich schon mit Stadium IV das höchst mögliche erreicht. Viktoria musste in der Klinik bleiben. Ihre Mama ist Tag und Nacht bei ihr, schläft auf einem Klappbett in ihrem Zimmer.

Aber es gibt Hoffnung. Denn meist wird selbst das Stadium IV erst erkannt, wenn der Krankheitsverlauf weit fortgeschritten ist. Bei Viktoria wurde es aber sehr zeitig festgestellt. Zwar hat der Tumor bereits ins Knochenmark gestreut, aber der Knochen ist nicht befallen.

Seit Silvester ist die Zweijährige wieder zu Hause. Dabei wäre sie so gern wenigstens an ihrem Geburtstag und zu Weihnachten zu Hause gewesen. Am 20. Dezember ist sie zwei Jahre alt geworden.

Zu Hause nach Oberseifersdorf kann sie aber nicht. "Wir wohnen jetzt bei meinen Eltern in Friedersdorf", erzählt Grit Gründer. Das Haus der Familie in Oberseifersdorf ist ein altes ehemaliges Umgebindehaus. Im Bad, auf Toilette und im Flur gibt es ein paar kleine Ecken an der Wand mit Schimmelbefall, und auch einen Kohleofen gibt es noch. All das ist Gift für die Kleine. Die Eltern müssen das Gebäude trockenlegen und den Schimmel entfernen. Jetzt viel eher, als es geplant war.

Viele Tage Chemo-Therapie

Liebevoll streicht die Mutter dem Kind durch die Haare. Sehr wahrscheinlich wird sie die bei der zweiten Chemo-Therapie verlieren. Sechs Chemo-Blöcke wird sie bekommen. Drei jeweils über die Dauer von vier und drei jeweils sechs Tage lang. Und das 24 Stunden am Tag.

Die erste viertägige hat sie hinter sich - über Weihnachten, danach ging es der Zweijährigen richtig schlecht. Sie wollte tagelang nichts essen, nichts trinken. Die nächste Chemo über sechs Tage mit zweitägiger Spülung wird noch härter. Der zu erwartende ständig wechselnde Gemütszustand des Kindes von total aggressiv bis total anhänglich wird da das geringste Übel sein.

Viktoria genießt die Zeit mit ihren Eltern bei Oma und Opa in Friedersdorf. Stolz zeigt sie eine schöne bunte Mutperlen-Kette. 32 bunte Kugeln und andere Formen aus Holz sind darauf aufgefädelt. Das Kind ahnt nicht, was jede einzelne Form bedeutet. Ihre Mutter findet das eine schöne Geste von der Uni-Klinik und vom Verein Sonnenstrahl. Jedes Element steht für eine spezielle Behandlung, die sie schon erhalten hat. Die vier flachen Holzscheiben stehen für die vier Chemo-Tage. Die Kette wird sehr lang werden. Mit ein bis zwei Jahren intensiver Therapie muss die Familie rechnen.

Solange Viktoria zu Hause ist, kommt erst einmal kein Kettenteil hinzu. Trotzdem wird sie quasi rundum betreut. Täglich bekommt sie eine Spritze ins Bein und jeden Sonnabend und Sonntag Antibiotika gegen einen gefährlichen Lungenkeim. Jeden zweiten Tag müssen die Eltern mit der Kleinen zur Uni-Klinik fahren. Da gibt es auch am Wochenende keine Ausnahme. Alle drei Tage muss der Hickmann-Katheter neu geblockt und alle sieben Tage der Zugang am Bein gewechselt werden.

Viktoria vermisst das Spielen mit anderen Kindern. Sie ist schon mit einem Jahr in die Kita in Eckartsberg gegangen, weil die Mutter einen neuen Job bekommen hat. Zum Geburtstag bekam sie von ihrer Kita-Gruppe ein Video und ein Plüschtier. Sie hat geweint, als sie das Video sah.

Weil die nun zu erwartenden Kosten für die Familie hoch sind, hat Grit Gründer bei PayPal unter https://www.paypal.com/pools/c/8PXBe7fLxt einen Spendenaufruf gestartet. Die angestrebten 5.000 Euro sind zwar schon überzeichnet, aber reichlich zehn Tage läuft die Aktion noch. Das Geld wird schnell verbraucht sein, sodass sie dankbar sind, wenn trotzdem noch bis zum Ende der Laufzeit weitere Spenden eingehen.

Das Problem mit dem Essen

Denn es sind nicht nur die Fahrkosten, die nur teilweise erstattet werden, sondern auch die Zuzahlungen zu den Rezepten und noch vieles mehr. Mit zwei Jahren kann Viktoria noch nicht richtig viermal am Tag ihren Mund spülen. Deshalb gibt es für Kleinkinder von der Krankenkasse Mundstäbchen. Das ist aber sehr unangenehm, damit den gesamten Mund abzuwischen. Die im Krankenhaus verwendeten Schwämmchen sind viel besser, müssen aber voll bezahlt werden.

Wesentlich mehr gibt die Familie jetzt für Lebensmittel aus. "Was ich auch für das Essen verwende, es darf nur 24 Stunden geöffnet sein", erklärt Grit Gründer. Jede Ketchup- oder andere Flasche, Butter oder was auch immer darf sie schon am nächsten Tag für Viktoria nicht mehr verwenden. So viele "Rester" kann die Familie gar nicht essen. Also ist sie im Internet auf der Suche nach kleinen Portionen, wie sie Hotels verwenden. Aber das kostet viel mehr. Zudem wird Grit Gründer ihren neuen Job nicht mehr wahrnehmen können, weil Viktoria Vollzeit gepflegt werden muss. Irgendwie werden sie das stemmen, ist sich die Familie sicher. Im Vergleich zu dem, was ihre Kleine leistet, ist das gar nichts, meint die Mama.