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Zittauer will Angela Merkel "teeren und federn"

Vor dem Amtsgericht muss er sich wegen der Aufforderung zu Straftaten verantworten - doch der Mann kann nichts Strafbares an seiner Forderung finden.

Von Markus van Appeldorn
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Ein Prozess um den Aufruf zu Straftaten gegen die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde vor dem Amtsgericht Zittau geführt.
Ein Prozess um den Aufruf zu Straftaten gegen die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde vor dem Amtsgericht Zittau geführt. © dpa/David-Wolfgang Ebener

Die Corona-Krise hat einen Trend in den sozialen Medien im Internet wieder befeuert: Hass und Hetze gegen politisch Verantwortliche. Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel war naturgemäß Ziel etlicher solcher Anfeindungen. Bei einem Prozess wegen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten hat das Amtsgericht Zittau nun zu klären, ob ein Zittauer bei einem gegen Merkel gerichteten Beitrag im Internet zu weit gegangen ist.

Es war der 2. Dezember 2021. An jenem Abend wurde Angela Merkel (CDU) mit einem "Großen Zapfenstreich" der Bundeswehr im Berliner Bendlerblock verabschiedet - eine übliche Abschiedszeremonie für deutsche Regierungs-Chefs. Einem Zittauer aber war das der Ehre zu viel für die scheidende Kanzlerin.

Angeklagter pocht auf Meinungsfreiheit

Auf Facebook schrieb er in der Nacht: "Die Boshaftigkeit in Person" und warf ihr vor, die Gesellschaft gespalten und das Volk drangsaliert zu haben. War das so weit bestenfalls unhöflich, wurde der Mann dann in seiner Wortwahl massiver. Er schlug vor, die Veranstaltung umzubenennen: "Zapfen ab. Die Alte teeren und federn und durch die Straßen peitschen." Diese Formulierung brachte ihm einen Strafbefehl über 1.000 Euro ein - weil er eben öffentlich zu Straftaten gegen Merkel aufgefordert habe. Diesem Strafbefehl widersprach der Mann.

Vor dem Amtsgericht brachte er vor, der hier angeklagte Straftatbestand sei in seinem Fall überhaupt nicht einschlägig. "Das ist ja meine persönliche Meinung. Ich habe niemanden dazu aufgefordert oder bestimmt, so etwa zu tun", sagt er, und außerdem: "Teeren und Federn ist keine strafbare Handlung, keine Körperverletzung." Teeren und Federn ist ein Instrument der Selbstjustiz, das teilweise noch bis ins 20. Jahrhundert vornehmend in den USA verbreitet war. Dabei wurden wahre oder auch nur vermeintliche Straftäter mit Teer bestrichen, mit Federn beworfen und oft auch noch durch den Ort getrieben.

"Und jemanden durch die Straßen zu peitschen - ist das auch keine strafbare Handlung?", fragte der Richter. "Nein", antwortete der Angeklagte. Denn es gehe nicht darum, jemanden auszupeitschen, sondern jemanden mit einer Peitsche vor sich herzutreiben. "Das macht man mit Pferden so oder in der Manege. Demnach wäre ja jeder Dompteur ein Straftäter", so die Logik des Mannes. Jedenfalls habe Angela Merkel die besondere Ehrerweisung durch den "Großen Zapfenstreich" nicht verdient, weil sie in ihrem Leben keine besonderen Leistungen erbracht habe. "Ich kann nicht verstehen, wie diese Frau für sich in Anspruch nehmen kann, besonders geehrt zu werden", so der Mann und pochte auf seine Meinungsfreiheit.

Ins Grübeln kam der Mann, als der Richter verkündete, dass auch eine Verurteilung nach Paragraf 140 "Belohnung und Billigung von Straftaten" des Strafgesetzbuchs infrage käme. Nach dieser Norm ist es gar nicht nötig, zu einer Straftat aufzufordern. Es reicht schon, bestimmte Straftaten öffentlich zu billigen. Für diesen Fall sah der Angeklagte seine Argumentation offenbar als schwächer an. Er bat darum, in dieser Sache nun doch einen Rechtsanwalt zu konsultieren, was ihm der Richter aus Gründen der Prozessfairness gewährte und das Verfahren vorläufig unterbrach.