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Warum ein Rentner plötzlich weniger Geld bekommt

Werner Liebelt aus Jonsdorf hat 41 Jahre lang gearbeitet. Trotzdem bekommt der 70-Jährige heute nur wenig Rente. Und die wird jetzt noch kleiner - wegen seiner Frau.

Von Jana Ulbrich
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Werner Liebelt aus Jonsdorf ist sprachlos über seinen neuesten Rentenbescheid.
Werner Liebelt aus Jonsdorf ist sprachlos über seinen neuesten Rentenbescheid. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Werner Liebelt sitzt in der Küche seines kleinen Umgebindehauses in Jonsdorf und versteht die Welt nicht mehr. Vor ihm auf dem Küchentisch liegt sein neuer Rentenbescheid. Was da auf 13 eng beschriebenen Seiten in umständlichem Bürokraten-Kauderwelsch steht, ist ohnehin kaum zu verstehen. Aber die Summe unterm Strich, die versteht der 70-Jährige gleich gar nicht: 42,70 Euro weniger Rente jeden Monat als bisher? Das kann doch nicht stimmen!

41 Jahre lang hat Werner Liebelt schwer gearbeitet. Bis zur Wende als Schienenfahrzeugschlosser bei der Reichsbahn, später nach kurzer Arbeitslosigkeit in der Frottana, zuletzt als Handwerker in einem Zittauer Pflegeheim. Die Arbeit hat Spuren hinterlassen. Der Jonsdorfer ist heute schwerbeschädigt. Vor zehn Jahren - mit 60 - ist er in Rente gegangen. Trotz freiwilliger Zusatz- und Riesterrente hatte er zuletzt gerade mal 1.001,94 Euro im Monat. Und ab diesem Jahr sollen es nur noch 959,24 Euro sein.

Werner Liebelt greift zum Telefon und ruft bei der Deutschen Rentenversicherung an. Es kann sich doch nur um einen Rechenfehler handeln, glaubt er. Sein Gespräch mit der zuständigen Mitarbeiterin am Service-Telefon dauert 32 Minuten. Er zeichnet es mit seinem Handy auf, hört es sich immer wieder an - und kann es trotzdem nicht begreifen.

Die Mitarbeiterin am Telefon erklärt ihm, dass alles seine Richtigkeit hat. Schuld sei das Einkommen seiner Frau, mit der er seit 45 Jahren verheiratet ist. Silvia Liebelt nämlich, heute 68, hat als Altenpflegerin gearbeitet und eine höhere Rente als ihr Mann - zu hoch, wie sich bei der jährlichen Neu-Berechnung im Januar herausgestellt habe.

Bei langjährig versicherten Rentnern, die wie Werner Liebelt einen Grundrentenzuschlag erhalten und verheiratet sind, wird jedes Jahr aufs Neue das gemeinsame Einkommen der Ehepartner betrachtet, so erklärt es ihm die Mitarbeiterin. Weil die Rente seiner Frau bei der neuesten Erhebung um 382 Euro über der angerechneten Bemessungsgrenze liegt, bekommt Werner Liebelt jetzt keinen Grundrentenzuschlag mehr. "Der ist ab Januar bei Ihnen auf Null zurückgestrichen", erklärt die Mitarbeiterin.

"Beschweren Sie sich doch beim Bundestag!"

Für die jährliche Prüfung ruft die Rentenversicherung alle verfügbaren Daten aus dem vorletzten Jahr beim Finanzamt ab. Je nachdem, was das Finanzamt meldet, könne es eben auch passieren, es bekommt jemand weniger. Das sei leider so, das könne man nicht ändern, sagt die Mitarbeiterin.

Werner Liebelt ist sprachlos: "Ich habe doch meine Rente selber erarbeitet, was hat das denn mit der Rente meiner Frau zu tun?", fragt er. Sollte er sich nach 45 glücklichen Ehejahren jetzt vielleicht scheiden lassen? Die Mitarbeiterin am Servicetelefon der Rentenversicherung muss zugeben, dass das "wirklich ungerecht" sei und man das "sinnig auch wirklich niemandem erklären" könne.

Aber für solche Ungerechtigkeiten sei die Rentenversicherung der falsche Ansprechpartner, fügt sie hinzu. Die Versicherung berechnet die Rente so, wie es im Gesetz steht. Und das Gesetz werde nun mal im Bundestag gemacht. Werner Liebelt solle sich doch an seine Bundestagsabgeordneten wenden und sich bei denen beschweren, empfiehlt die Kollegin.

"Aber dieses Gesetz, das ist doch falsch, oder?"

Der Rentner aus Jonsdorf ist bei Weitem nicht der einzige, dem das so geht. Genaue Zahlen, wie viele Rentner in Sachsen aufgrund der Ehegattenregelung von Kürzungen des Grundrentenzuschlags betroffen sind, liegen zwar nicht vor, doch kann Anne-Kathrin Sturm, die Sprecherin für den Bereich Mitteldeutschland, das Problem durchaus bestätigen.

Die Deutsche Rentenversicherung ist an die von der Finanzverwaltung übermittelten Daten gebunden, erklärt sie. Maßgeblich für die Berechnung sei dabei grundsätzlich das Einkommen des vorletzten Kalenderjahres. "Für die Betroffenen ist das oft nicht nachvollziehbar", weiß die Sprecherin.

Werner Liebelt ist gegen den neuen Rentenbescheid in Widerspruch gegangen. Aber nach dem Gespräch mit der zuständigen Service-Mitarbeiterin weiß er nun eigentlich schon, dass er damit nicht durchkommen wird. "Nach allem, was ich jetzt weiß, haben sie bei der Rentenversicherung wohl richtig gerechnet", sagt er.

Dann heftet er die 13 Seiten seines neuen Rentenbescheids zu den anderen in den dicken Ordner. Mit einem Seufzer schlägt er ihn zu. "Aber dieses Gesetz, das ist doch falsch, oder?", fragt er leise.

Update, 29. Februar, 10 Uhr: Wir haben die Überschrift des Textes geändert. In einer früheren Version hätte suggeriert werden können, dass die Rentenversicherung an der gestrichenen Zusatzrente den Betroffenen schuld sei. Das ist nicht so. Die Neuberechnung der Rente ist korrekt.