Da liegt ein ganzer Haufen Sachen im Gestrüpp: Essensreste, Bierflaschen, Verpackungen, ein Einkaufsbeutel. Hat sich hier über Nacht jemand versteckt? Ingolf Lange runzelt die Stirn. Um näher an die Stelle heranzukommen, muss er erst einmal über einen stinkenden braunen Haufen steigen. "Der ist auf jeden Fall nicht von einem Hund", stellt er fest. Dann hebt er ein kleines Blatt Papier auf. Ein Bank-Überweisungsschein, auf der Rückseite eng beschrieben mit Notizen.
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Schöne Handschrift, winzige Druckbuchstaben, deutsch. Eine lange Auflistung wie ein Spickzettel eines Schülers oder die Packliste für eine Reise. "Ich werde das mal mitnehmen", sagt Lange. "Vielleicht finde ich ja was raus." Zumindest ein Verwarngeld wegen illegaler Müllablagerung könnte demjenigen drohen, der den Haufen hier hinterlassen hat.
Ingolf Lange ist der neue Bürgerpolizist im Zittauer Gebirge. An diesem Nachmittag ist er mit Frank Prinke vom Olbersdorfer Ordnungsamt auf "Streife". Anwohner hatten dem Amt gemeldet, dass hier in dem kleinen Park am Sportplatz dieser Haufen liegt.
Ingolf Lange trägt Uniform, wie sich das gehört. Polizeihut, Funkgerät, Pistole im Halfter. "Wie ein richtiger Polizist", sagt der 56-Jährige und schmunzelt. Lange ist Polizeihauptmeister. Die Polizeidirektion Görlitz hat ihn ins Zittauer Gebirge geschickt, den "BüPo", wie ihn seine Polizisten-Kollegen nennen. Hier, unmittelbar an der Grenze zu Tschechien, ist er jetzt zuständig für das Sicherheitsgefühl.
Mit dem Sicherheitsgefühl ist es nicht gerade weit her in den Gebirgsorten: Laut einer Umfrage unter den Einwohnern war mehr als jeder Zehnte schon einmal Opfer einer Straftat. Jeder Vierte glaubt, dass auch er irgendwann Opfer einer Straftat wird. Fast jeder Zweite gibt an, dass er Angst hat vor der Grenzkriminalität. Und 86 Prozent aller befragten Einwohner sagen, ihnen fehle die Sichtbarkeit der Ordnungsmacht auf der Straße und sie kennen den Bürgerpolizisten nicht! 86 Prozent!
"Diese Umfrageergebnisse waren schon ziemlich frustrierend", sagt Ingolf Lange. "Aber das kann ja nur ein Ansporn sein", fügt er gleich hinzu: Dann wird er jetzt eben dafür sorgen, dass die Einwohner ihn kennenlernen - auch wenn das in einem Zuständigkeitsbereich, der von Großschönau bis Lückendorf reicht, eine schier unlösbare Mammutaufgabe scheint.
Aber Ingolf Lange ist unermüdlich: Er besucht Seniorennachmittage, geht zu den Kindergartenkindern, übernimmt die Fahrradausbildung für die Grundschüler. Überall hinterlässt er die Nummer seines Diensthandys, das er immer mit sich herumträgt. "Jeder kann jederzeit anrufen", betont er.
Sooft er kann, macht sich der Polizeihauptmeister zu Fuß auf den Weg, an diesem Tag in Olbersdorf zusammen mit den beiden Kollegen vom Olbersdorfer Ordnungsamt. Sie sind zu zweit zuständig für die ganze Verwaltungsgemeinschaft: Oybin und Lückendorf, Jonsdorf, Olbersdorf, Bertsdorf-Hörnitz - auch das ist eine schier unlösbare Aufgabe. Sie sollen sich öfter auf der Straße sehen lassen, hat der Olbersdorfer Bürgermeister sie angewiesen in Anbetracht der Ergebnisse aus der Einwohner-Umfrage.
Da gehen sie doch vom Park am Sportplatz gleich mal weiter zum Teich neben dem Bad. Dort soll angeblich immer jemand den Hundebeutel-Spender leeren. Unterwegs kommt ihnen ein Rentnerehepaar mit Hund entgegen. Ingolf Lange geht gleich auf die beiden Senioren zu: "Ich bin der neue Bürgerpolizist", sagt er und schon ist er im Gespräch. Das Ehepaar hat jetzt ebenfalls seine Handynummer für alle Fälle.
Der nächste, den Lange trifft, wusste bis dahin auch noch nicht, dass es den Bürgerpolizisten gibt. Also freundlich vorstellen und Handynummer austeilen. Der Mann beschwert sich gleich über Vandalismus in einem Garagenkomplex. Ingolf Lange verspricht, dort mal nach dem Rechten zu schauen. Im Gegensatz zu den beiden Mitarbeitern vom Ordnungsamt, deren Dienstzeit in der Regel die normale Arbeitszeit ist, ist der Bürgerpolizist flexibel. Er könnte auch mal abends raus. Für eine Nachtschicht bräuchte er aber einen Kollegen, sagt er.
Die Männer vom Ordnungsamt haben das Programm "Owigware" auf ihren Handys. Damit könnten sie immer und überall Knöllchen verteilen. Aber für die Falschparker haben sie schon lange kaum noch Zeit. Es gehen Anzeigen über Anzeigen ein im Olbersdorfer Ordnungsamt, denen sie nachgehen müssen: illegale Müllhaufen, Vandalismus, zugewachsene Verkehrsschilder, ungenügende Baustellenabsicherungen, fehlende Ausschilderungen von Umleitungen - es ist eine Unmenge Arbeit.
Manchmal kann Ingolf Lange helfen. So wie kürzlich bei dem dunkelblauen Dacia Duster, der wochenlang schräg über zwei Parklücken im Neubaugebiet stand. "Wie abgestellt und weggerannt", erzählt der Polizist. Er hat kurzerhand eine Halterabfrage gestartet und dann gemeinsam mit den Kollegen vom Ordnungsamt an der betreffenden Wohnungstür geklingelt. Der Dacia ist weg. Das Auto war stillgelegt. Lange hat dem Halter auch gleich noch den Abschleppdienst vermittelt.
An diesem Nachmittag auf Streife schließt der Bürgerpolizist noch viele neue Bekanntschaften und verteilt seine Handynummer. "Das wird schon werden mit dem Sicherheitsgefühl", sagt er und schmunzelt wieder.