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Zoff im Wildpinkler-Revier

Die Neustadt zieht viele Feiernde an. Wie knapp die Toiletten sind, testete die SZ bei einer Runde durchs Viertel.

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© Christian Juppe

Von Julia Vollmer

Bier oder Radler? Das ist die Frage der Fragen an diesem Abend am sogenannten Assi-Eck. Der Sommerabend ist mild, das Thermometer zeigt um halb elf immer noch 25 Grad an. Überall ist fröhliches Lachen zu hören, das Bier schmeckt, doch irgendwann drückt die Blase. Eine Gruppe macht sich auf die Suche nach einer Toilette, die SZ schließt sich an bei der Runde durchs Viertel.

Die Frauen, charmant lächelnd, bitten den netten Besitzer vom Dönerladen Mamaris um Erlaubnis, seine Toilette benutzen zu dürfen. Diese kommt sofort, doch die Jungs haben ein Problem. Die Männer blitzen in mehreren Kneipen ab. Immer mehr Feierabend-Biertrinker pilgern in Richtung Nordbad-Passsage. Nach einer Geruchsprobe dort, ist auch klar, warum. Das Wildpinkeln in dem Durchgang Richtung Nordbad hat so stark zugenommen, dass die Passage inzwischen nachts abgeschlossen wird. Viele Anwohner beschwerten sich. Doch wohin nun mit dem Bedürfnis?

Weiter geht es vierhundert Meter weiter die Louisenstraße hinunter Richtung Scheune. Auf dem ehemaligen Lehrerparkplatz steht eine öffentliche Toilette. Doch dort ist eine lange Schlange. Also weiter zur Scheune. Der Klub kämpft seit Monaten gegen Wildpinkler. „Es ist extrem geworden. Es gibt Leute, die pullern tatsächlich zwei Meter neben unseren Gästen, die gerade Abendbrot essen“, schimpft Romy Jähnig, Geschäftsführerin des Scheune-Vereins. Die Feiernden erleichtern sich zum Teil mitten auf dem Vorplatz oder gegen die Wand der neu eröffneten Turnhalle. Die Toilette in der Scheune-Gaststätte wird stark frequentiert. „Eigentlich müssten wir extra Personal einstellen, um die Sanitärräume zu betreuen“, sagte Jähnig. Die WCs seien oft nach wenigen Stunden in einem schlimmen Zustand, überall liegt Müll. Die Kellner haben Probleme, die betrunkenen Gäste wieder aus den Toilettenräumen hinauszubugsieren. „Das ist extrem schädlich für unser Image“, betont die Geschäftsführerin. Außerdem kämpft die Scheune weiter gegen die vielen Glasscherben, die herumliegen. Das ist besonders für Kinder und Hunde gefährlich.

Der Scheune-Verein geht jetzt in die Offensive und sucht das Gespräch mit Anwohnern und Gästen. Romy Jähnig und ihre Kollegen ließen 600 Aufkleber mit lustigen Piktogrammen drucken. „So läuft es richtig“, heißt die Aktion und soll die Wildpinkler zum Nachdenken bringen. Sie verteilten Getränke mit den Aufklebern auf dem Vorplatz. Ohne erhobenen Zeigefinger, sondern mit Humor wollen die Scheune-Betreiber das Problem lösen.

Die Gruppe kehrt zurück zum Assi-Eck. Die SZ schließt sich an. Die Toilette im Curry & Co. ist noch eine Alternative. „Bisher lassen wir alle Besucher, auch ohne zu bezahlen, auf die Toilette“, erzählt Inhaberin Simone Meyer-Götz. Aber gerade am Wochenende werde das WC oft in desolatem Zustand hinterlassen. Noch sieht sie es gelassen.

Nicht witzig finden die Mitarbeiter des Ordnungsamtes die Freiluft-Pinkler. Sie gehen verstärkt in der Neustadt auf Streife. In den ersten achten Monaten des Jahres erwischten sie 63 Menschen. Wildpinkeln ist eine Ordnungswidrigkeit und kann bis zu 1 000 Euro Strafe kosten. Allein von Juni bis August ertappten sie 29 Pinkler. Neben der Neustadt stellen die Ordnungshüter am Albert-Wolf-Platz in Prohlis besonders viele auf frischer Tat. Wie viel die Stadtverwaltung ausgibt, um die Hinterlassenschaften wegzuräumen, kann sie nicht genau beziffern. Diese Arbeiten werden nicht einzeln erfasst, heißt es aus dem Rathaus.

Die Feierabend-Bietrinker entscheiden sich unterdessen, den Heimweg anzutreten. Wohl dem, der in der Neustadt wohnt.