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Zuckerfabrik Brottewitz steht vorm Aus

Die Südzucker AG will zwei Werke schließen. Damit stehen 90 Arbeitsplätze in der Region auf der Kippe.

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Dieses Bild dürfte bald der Vergangenheit angehören: In der Zuckerfabrik Brottewitz (Stadt Mühlberg) werden Zuckerrüben unter anderem aus der Lommatzscher Pflege verarbeitet. Die Südzucker AG möchte das Werk mit 90 Mitarbeitern schließen.
Dieses Bild dürfte bald der Vergangenheit angehören: In der Zuckerfabrik Brottewitz (Stadt Mühlberg) werden Zuckerrüben unter anderem aus der Lommatzscher Pflege verarbeitet. Die Südzucker AG möchte das Werk mit 90 Mitarbeitern schließen. © Archiv: K. Bär/LR

Von Frank Claus

Mühlberg. Das ist den Einwohnern in der Region Mühlberg in die Knochen gefahren. Am Donnerstag sickerte durch, dass die Südzucker AG im Zuge ihres „Restrukturierungsplanes für das Segment Zucker“ die Schließung ihrer Werke in Brottewitz und Warburg (NRW) plant.

Mühlbergs Bürgermeisterin Hannelore Brendel (parteilos), zu deren Stadtgebiet Brottewitz gehört, erklärte: „Ich bin geschockt.“ Etwa 90 Mitarbeiter arbeiten am Brottewitzer Standort. „Die Stimmung ist am Boden. Bei uns in Brottewitz hat doch jede zweite, dritte Familie irgendwie mit der Zuckerfabrik zu tun“, so Ortsvorsteher Dieter Jähnichen. 

Denn neben den direkt Beschäftigten dürfte auch viele Nachfolgegewerke, Handwerker und Zulieferer das mögliche Aus hart treffen. „Ich denke, da kann man leicht mit dem Faktor drei rechnen“, meint Jähnichen. – Begründet wird die beabsichtigte Schließung „mit einem historisch niedrigen Preisniveau innerhalb der EU“. 

Wie Unternehmenssprecher Dominik Risser erklärte, kalkuliere das Unternehmen, das nach eigenen Angaben „europaweit der größte Anbieter von Zuckerprodukten mit 29 Zuckerfabriken und zwei Raffinerien“ ist, im zurückliegenden Wirtschaftsjahr, das im Februar endet, mit einem Verlust zwischen 150 bis 250 Millionen Euro – allein im Segment Zucker. Im dritten Quartal sei ein Minus von 83 Millionen Euro eingefahren worden.

Seit dem Ende der Zuckermarktordnung, die bis Ende 2017 den Werken stabile Preise garantierte, habe es auf dem internationalen Markt gehörige Turbulenzen gegeben. Um wirtschaftlich einigermaßen auskömmlich arbeiten zu können, müssten 300 Euro je Tonne Zucker eingespielt werden. Das sei schon lange nicht mehr erreicht worden. 

Der Preisverfall auf dem Weltmarkt sei enorm. Zudem habe es in den großen Exportnationen wie Indien und Thailand nicht nur außerordentlich gute Ernten gegeben, sondern auch noch Exportzuschüsse durch die Regierungen. 

Auch in Europa gäbe es Verzerrungen. Während etwa Deutschland, Frankreich und Belgien ohne Zuschüsse auskommen müssten, hätte auch Polen Hilfsgelder an seine Verarbeiter gezahlt. Und noch ein Effekt sei nicht mehr wegzuwischen. Wegen der Diskussionen zu gesundheitsbewusster Ernährung, so Dominik Risser, würden mehr Verarbeiter immer konsequenter den Zuckerverbrauch reduzieren oder mit Ersatzstoffen kompensieren.

Mit dem Restrukturierungsplan wolle der Südzucker-Vorstand die Auswirkungen der starken Preisschwankungen an den Zuckermärkten auf das Segment Zucker verringern und damit den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu sichern.

Kostensenkung in Millionenhöhe

Der Plan sieht laut Unternehmen „Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette vor“. In Betracht gezogen würden in Deutschland und anderen europäischen Ländern neben allgemeinen Kostensenkungsmaßnahmen in den Verwaltungen „Kapazitätsanpassungen, die auch zu Werksschließungen mit einer Reduktion des Zuckerproduktionsvolumens von bis zu rund 700.000 Tonnen pro Jahr führen können“. 

Ziel sei, so das Unternehmen, die Kapazitäten „stärker am Bedarf des europäischen Marktes“ auszurichten. Die Kosten könnten so „um bis zu rund 100 Millionen Euro pro Jahr“ gedrückt werden. Das Werk in Warburg, das ebenfalls von der Schließung bedroht ist, beschäftigt 60 Mitarbeiter.

Für Uve Gliemann, Chef der Agrargenossenschaft Mühlberg, ist das Südzucker-Problem „zum Teil hausgemacht“. Sein Unternehmen baue auf 225 Hektar Rüben an und bewirtschafte zudem noch Flächen im Raum Herzberg. „Nach Ende der Zuckermarktordnung sind wir von Südzucker aufgefordert worden, unsere Rübenanbauflächen um 25 Prozent zu erweitern. Versüßt wurde das mit einer Treueprämie. Die Erweiterung war angestrebt worden, um damit die jährlichen Kampagnen konstant auf mindestens 120 Tage auszudehnen. So sollte die Auslastung der Zuckerfabriken wirtschaftlicher gestaltet werden.“ 

Jetzt steht für Uve Gliemann fest: Sollte die Schließung kommen, das letzte Wort hat der Aufsichtsrat, „werden wir unsere Anbauflächen deutlich reduzieren“. Denn die Mühlberger müssten dann nach Zeitz liefern. Die Logistikkosten würden erheblich steigen. Der Mühlberger Agrarexperte macht noch auf ein anderes Problem aufmerksam: „Was wird jetzt mit den Zuckerrübenschnitzeln, die wir als ,Abprodukt‘ immer entgegengenommen haben und die hochwertiges Futter in der Tierproduktion waren? Die aus Zeitz abzuholen, rentiert sich auf keinen Fall mehr.“

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