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Zum Frühstück nach Prag auf einer „illegalen“ Autobahn

Nach dem Gerichtsurteil über die A17 ist der Termin der endgültigen Fertigstellung fraglich.

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Von Hans-Jörg Schmidt, SZ-Korrespondent in Prag

Zum Frühstück nach Prag lautete der hoffnungsvolle Spruch, der den Bau der Autobahn von Dresden in die tschechische Hauptstadt begleitet hatte. Wer sich heute zu einer normalen Zeit auf den Weg macht, ist erst zum zweiten Frühstück an der Moldau. Der Bau auf tschechischer Seite ist immer noch nicht fertig. Der Zeitpunkt dafür steht in den Sternen. Erst recht nach einem Urteil des Bezirksgerichts Usti nad Labem (Aussig), das gut passt zu den Pleiten und Pannen rund um die D8, wie die A17 in Tschechien heißt.

Vor mehr als acht Jahren waren die Umweltschützer von „Deti Zeme“ (Kinder der Erde) zum ersten Mal vor Gericht gezogen, weil sie den Bau der Prag-Autobahn für gesetzwidrig halten. Mehrfach sind sie abgewiesen worden. Doch das Verfahren wurde nie eingestellt worden, sondern immer wieder zur Neuverhandlung an das Bezirksgericht zurückverwiesen. Nun haben „Deti Zeme“ ihre Genugtuung: Der Bau, das haben sie bestätigt bekommen, hätte nie begonnen werden dürfen, war von Anfang an eine „illegale“ Aktion.

Nach einem Bericht des Internetservers Aktualne.cz von gestern begründete das Gericht seine jetzige Entscheidung damit, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung für die D8 in den 1990er-Jahren nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Die Bevölkerung sei seinerzeit nicht gehört worden. Dennoch habe das Umweltministerium in Prag die Genehmigung für den Bau erteilt. Das hätte es nicht machen dürfen.

Auch alle folgenden Genehmigungen waren in der Konsequenz des Richterspruches illegal. „Wir sind selbstverständlich hocherfreut, dass das Gericht sich unserer Sicht der Dinge angeschlossen hat, auch wenn sich der Streit so lange hingezogen hat“, sagte Miroslav Patrik, Chef von „Deti Zeme“.

Andere werden nicht so erfreut sein und abermals den Umweltschützern die Schuld für mögliche neue Verzögerungen in die Schuhe schieben. Dabei ging es „Deti Zeme“ nie darum, die Autobahn an sich zu verhindern. Die Organisation verwahrt sich nur gegen die Laxheit der Behörden. Die ist in Tschechien speziell bei großen Verkehrsprojekten gerade in den ersten Jahren nach dem Neuanfang 1989 an der Tagesordnung gewesen. Ernst genommen hat das seinerzeit aber niemand. Auch die Presse schoss sich regelmäßig nur auf die „grünen Nörgler“ ein, die sich dem Fortschritt wegen irgendwelcher Kröten in den Weg stellten.

Dass bei alldem heute die Anwohner der Schnellstraßen im Böhmischen Mittelgebirge leiden, die eher Langsamstraßen geworden sind, weil sich auf ihnen Kolonnen von Lkws stauen, ist den Umweltschützern kaum anzulasten. Auch sie sehen die Beeinträchtigung des Lebensniveaus der Betroffenen und wissen, dass die Autobahn endlich durchgängig befahrbar werden muss. „Aber“, so sagen sie, „es sind nicht wir gewesen, die sich einst über die Gesetze hinweggesetzt haben.“

Den Vorwurf muss sich manches Ministerium, vor allem aber die tschechische Autobahndirektion RSD gefallen lassen. Die hat wiederholt mit Arbeiten begonnen, obwohl längst nicht alle Baugenehmigungen vorlagen, versuchte so mit einer Salamitaktik vollendete Tatsachen zu schaffen.

Welche Folgen das Urteil hat, ist noch unklar. Etwa fünf Kilometer Autobahn fehlen noch. Derzeit steht der Bau wegen fehlender Genehmigungen. Das Verkehrsministerium in Prag will erst die schriftliche Begründung des Urteils aus Usti abwarten, ehe es sich zum weiteren Vorgehen äußert.

Sollte die Regierung die Fertigstellung des letzten komplizierten Teilstücks nicht bis 2015 garantieren können, sind zugesagte Gelder der EU von über 330 Millionen Euro in Gefahr, zu verfallen. In Prag wird schon länger erwogen, das Geld auf andere Verkehrsbauten umzulenken, um es zu retten.

Was dann aus der D8 wird, vermag niemand zu beantworten. Zwar genießt die Autobahn bei der Politik hohe Priorität. Aber in Zeiten knapper Kassen dürfte es dem Staat schwerfallen, das Geld der EU aus eigenen Quellen zu ersetzen.