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Zum Verbrennen zu schade

Vor elf Jahren stieß Unternehmer Uwe Kühn auf eine besondere Pflanze. Die kommt bald auch in Polenz zum Einsatz.

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© Steffen Unger

Von Madeleine Siegl-Mickisch

Göda/Polenz. Wie so oft fing alles durch Zufall an. Auf einer seiner Geschäftsreisen stieß Uwe Kühn, der bei Göda zwischen Bautzen und Bischofswerda ein Unternehmen für Gießereitechnik führt, vor elf Jahren auf Miscanthus. Vor allem mit Blick auf die steigenden Heizkosten für Wohn- und Betriebsgebäude auf seinem Hof war sein Interesse geweckt. Denn das auch als Chinaschilf bekannte Gewächs, das etwa drei Meter hoch wird, schien ihm als Alternative zum teuren Heizöl geeignet. Und da er im Nebenerwerb auch einige Felder bewirtschaftet, begann er, die Pflanze anzubauen.

Ein paar Jahre später war es dann soweit: Uwe Kühn hatte seine Heizanlage umgestellt und konnte nun kostengünstiger heizen als zuvor. Doch heute ist ihm die kleingehäckselte Pflanze zum Verfeuern viel zu schade. „Wir verbrennen fast gar nichts mehr.“ Denn inzwischen stehe die stoffliche Verwertung im Vordergrund. Dass man aus der Biomasse, welche die Pflanze liefert, mehr machen kann, als sie zur Wärmegewinnung zu verbrennen, war Kühn von Anfang an klar. Aber es sei ein langwieriger Weg gewesen, Abnehmer zu finden. Aber nun ist die Sache ins Rollen gekommen. „Wir merken, dass die Menschen offener für solche Dinge werden“, sagt Kühn, der sowohl überregional als auch bei Veranstaltungen in der Region wie der Landpartie in Gaußig oder dem Klostermarkt in Panschwitz-Kuckau Miscanthus und seine Verwendungsmöglichkeiten bekanntzumachen versucht.

Dennoch stoße er hier nach wie vor auf relativ wenig Interesse. „Wir beliefern zum Beispiel das Landesgestüt Sachsen-Anhalt“, erzählt er, denn gehäckselter Miscanthus eigne sich unter anderem sehr gut als Einstreu in Pferde- und anderen Ställen. Beim sächsischen Landesgestüt in Moritzburg sei er damit jedoch nicht angekommen. Auch jene Gartenbaubetriebe, die Miscanthus bereits als Ersatz für Rindenmulch verwenden, würden eher etwas weiter wegliegen. Dabei mache ein Transport über weite Wege eigentlich keinen Sinn. Schließlich würde man damit ja den positiven Effekt für die Umwelt – Miscanthus bindet viel Kohlendioxid – wieder zunichtemachen.

Aber Uwe Kühn lässt sich vom bisher eher verhaltenen Interesse in der Region nicht entmutigen. Denn mittlerweile gebe es aus vielen Richtungen eine steigende Nachfrage nach dem nachwachsenden Rohstoff. So werde in der Baustoffindustrie Ersatz für Styropor gesucht, das nicht mehr eingesetzt werden darf. Damit hat jetzt auch eine bereits vor mehr als 20 Jahren von einem Professor in Berlin entwickelte Dämmstoffplatte die Chance auf ihren Einsatz in der Praxis.

Seit April tüftelt Uwe Kühn an einer Maschine zur Herstellung dieser Platten, für die Miscanthusfasern verarbeitet werden. Dabei kommt Uwe Kühn zugute, dass er einst Werkstoffwissenschaften studiert hat und durch seinen Betrieb für Gießereitechnik auch prädestiniert ist für den Bau von Maschinen. Eine neue steht gerade in einer seiner Hallen in Buscheritz. In Kürze wird er sie im Fasergusswerk in Polenz bei Neustadt aufbauen. Dort werden aus Miscanthusfasern runde Pflanzbehälter gefertigt. Die können mit Wasser gefüllt eingegraben werden und so vor allem in trockenen Böden Pflanzen beim Anwachsen helfen. Nach acht Monaten verrotten sie dann. Doch damit das Wasser zunächst nicht wegfließt, werden die Behälter mit einem speziellen Wachs beschichtet. Die Technik, die das erledigt, hat Uwe Kühn entwickelt.

Und nun ist der umtriebige Unternehmer an einem weiteren, richtig großen Projekt beteiligt. 22 Partner aus mehreren europäischen Ländern werden unter Federführung der Uni Hohenheim in Stuttgart in den nächsten fünf Jahren unter anderem neue Miscanthus-Sorten testen und neue Technologien für die Verarbeitung entwickeln. Zwei Aufgaben kommen dabei auf Uwe Kühn zu: Auf acht Hektar Fläche wird er im nächsten Frühjahr fünf neue Sorten anbauen. Außerdem soll er eine weitere Maschine entwickeln, mit der sich die Zellulose-Randschicht der Pflanze vom Kern trennen lässt. Das leichte Material des herausgelösten Kerns liefere gute Isoliereigenschaften. Das sei kürzlich auf zwei Messen auf großes Interesse aus der Baustoffindustrie gestoßen. Aber auch aus den kompletten Stängeln der Miscanthus-Pflanze lässt sich etwas machen. Kühns Mitarbeiter bauen daraus gerade Schwimminseln, die später bepflanzt und unter anderem auf nitratbelasteten Gewässern ausgebracht werden. Doch das ist sicher nicht die letzte Idee. Uwe Kühn wird zusammen mit anderen weiter tüfteln – und Überzeugungsarbeit für die Wunderpflanze leisten.