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Zurück auf dem Eis

André Mücke führt bei den Lausitzer Füchsen eine junge Truppe als Kapitän – dabei drohte ihm schon das Karriereende.

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© ronaldbonss.com

Von Sven Geisler

Verdacht auf Herzinfarkt. André Mücke fühlt, dass sein Puls in der Drittelpause nicht runtergeht, ihm wird weiß vor Augen. Er bekommt sofort eine Infusion, erholt sich langsam, wird ins Krankenhaus gebracht. Als er dort die mögliche Diagnose hört, ist der Eishockey-Profi von den Lausitzer Füchsen geschockt. „Zum Glück hat es sich nicht bestätigt“, sagt der 33-Jährige jetzt, sieben Monate später. Der Verteidiger ist zurück auf dem Eis, hat seinen Vertrag in Weißwasser verlängert.

Was seine plötzlichen Herz-Kreislauf-Probleme ausgelöst hat, bleibt trotz akribischer Untersuchungen nur eine Vermutung. „Ich hatte vorher eine Magen-Darm-Geschichte, vermutlich auch Fieber, aber das habe ich nicht gemessen“, erzählt Mücke. Die Tabletten stoppen den Durchfall. Er fühlt sich zwar unwohl, geht aber in das Spiel gegen Frankfurt. Falscher Ehrgeiz oder Sorglosigkeit? Weder noch. Schlapp zu machen, kam ihm nicht in den Sinn. „Wenn ich nicht gerade 40 Fieber hatte, habe ich immer gespielt.“ Nach dem Warnschuss hört er besser auf seinen Körper – und isst öfter Rote Bete. „Meine Oma hat mal gesagt, die sind besonders gesund.“

Mücke, den sie im Fuchsbau seit Kindertagen „Fliege“ rufen, war durchaus bewusst, dass es abrupt vorbei sein könnte mit dem Leistungssport. „Wenn mit dem Herz etwas nicht stimmt, ist das bedrohlicher, als wenn man sich etwas bricht und weiß, das wächst schnell wieder zusammen.“ Doch der Verdrängungsmechanismus funktioniert. „Ich dachte nur: So will ich nicht aufhören.“

Angefangen hat Mücke mit vier, fünf Jahren, Papa Andreas brachte ihn zum Eislauftraining der Jüngsten – und der kleine André fand es sofort toll. „Fußball kam für mich sowieso nicht infrage, dafür habe ich zwei linke Füße“, meint er und lacht. Zum Leichtathleten tauge er auch nicht. „Einfach nur zu rennen, dafür könnte ich mich nicht motivieren.“ Es ist die Kombination, die ihn am Eishockey fasziniert. „Man muss schnell sein, braucht Kraft und Ausdauer.“ Und besonderen Spaß macht ihm das im Zusammenspiel als Team, das bei den Füchsen zum Saisonstart schon überraschend gut funktioniert.

Vier Spiele haben die Lausitzer gewonnen, davon drei im Penaltyschießen. „Wir sind nach Rückschlägen gut zurückgekommen, die Moral der Mannschaft stimmt uns zuversichtlich.“ Mücke führt die junge Truppe als ältester Spieler und Kapitän. „Mit dem Altersunterschied habe ich kein Problem“, meint er, fährt sich durch den Vollbart und ergänzt mit einem Schmunzeln: „Na ja, manchmal kann ich mit den Jungs nicht mehr mitreden, zum Beispiel, wenn es um irgendwelche Computerspiele geht. Das ist nicht mehr mein Ding.“

Er war selber ein junger Spund, als er vor 16 Jahren sein Debüt bei den Profis gab. Jugendtrainer Rainer Mann hatte nach der Trennung von Bror Hansson als Interimscoach übernommen und das Talent aus dem eigenen Nachwuchs gleich mit befördert. Vorerst zwar nur für ein Spiel, das aber ausgerechnet am Eishockey-Traditionsstandort Düsseldorf. „Ich kann mich erinnern, dass mir ständig jemand in die Gittermaske gefasst hat, die ich als Jugendspieler tragen musste“, erzählt Mücke.

Bevor er seine Profi-Karriere starten durfte, musste er erst einmal „etwas Gescheites lernen“; wie das Eltern sich eben so wünschen für ihr Kind. André machte also die Ausbildung zum Prozessleitelektroniker bei den Stadtwerken in Weißwasser, bevor er im Sommer 2003 bei den Füchsen seinen ersten Vertrag für knapp 1 000 Euro im Monat unterschrieb. Nach vier Jahren erhielt er ein Angebot aus Bremerhaven. „Warum nicht mal etwas Neues kennenlernen?“, fragte er sich und möchte die Erfahrung genauso wenig missen wie seine Zeit in Dresden.

Als ihn Thomas Popiesch – davor schon in Weißwasser sein Trainer – anrief, habe er wirklich für einen kurzen Moment überlegt: Darf man das? Von den Füchsen zu den Eislöwen wechseln? „Es war eine reizvolle Station“, meint Mücke, der vier Jahre an der Elbe blieb. Trotz finanzieller Schwierigkeiten und Führungsquerelen, die den Verein damals beschäftigten, habe die Mannschaft immer funktioniert. „Wir hatten gute Spieler, Typen wie Jarrett und Kaartinen, auch Strauch – mit denen hat es mega viel Spaß gemacht. Das Drumherum haben wir außen vor gelassen.“

Die Rivalität der sächsischen Klubs sei zwar eher ein Thema für Fans und Medien, meint Mücke, die Atmosphäre bei diesen Derbys trotzdem immer etwas Besonderes. So wird es auch am Sonntag, 17 Uhr, sein, wenn die Eislöwen im Fuchsbau zu Gast sind. „Man freut sich schon einen Tick mehr auf dieses Spiel als auf andere.“ Viel Zeit zur Vorfreude bleibt jedoch nicht, denn am Freitag steht zunächst die Auswärtsaufgabe in Garmisch beim SC Riessersee an, erst danach beginne die Einstimmung auf das sächsische Prestigeduell.

Hobby-Angler und Alpaca-Züchter

Der Weißwasseraner sieht die Dresdner „von ihrem Kader her, mit den Neuzugängen“ favorisiert. „Aber das können sie von mir aus gerne sein“, sagt er, „wenn die Punkte hierbleiben.“ Für die Gäste wird es schon so etwas wie ein Schlüsselspiel, denn nach zuletzt zwei Niederlagen müssen sie die Kurve kriegen, um eine Krise abzuwenden. In einer solchen Phase sind die Führungsspieler besonders gefragt, dessen ist sich Mücke bewusst. Er würde jedoch nur laut werden, wenn bei den Füchsen „etwas komplett in die falsche Richtung läuft“.

Ansonsten bevorzugt der Hobby-Angler und Alpaca-Züchter die ruhigen Töne im Einzelgespräch. Zwei Jahre möchte er noch spielen, wenn es die Gesundheit zulässt, die Lektion hat er gelernt. Und sie hatte sogar noch etwas Gutes, denn so lernte er seine Freundin Nicole kennen – eine Arzthelferin.