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Zweite Wahl aus Leipzig

Irgendwann am Mittwoch gab es bei Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee den entscheidenden Anruf. Am Telefon war SPD-Chef Franz Müntefering. „Ich habe lange mit ihm gesprochen“, erzählte „Münte“ gestern.

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Von Peter Heimann, Berlin

Irgendwann am Mittwoch gab es bei Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee den entscheidenden Anruf. Am Telefon war SPD-Chef Franz Müntefering. „Ich habe lange mit ihm gesprochen“, erzählte „Münte“ gestern. Und er freue sich sehr, dass Tiefensee zugesagt habe zu kommen. Jetzt werden beide in das Kabinett Merkel eintreten: Tiefensee als Verkehrs- und Bauminister, wohl mit dem Zusatzjob als Ost-Beauftragter der Bundesregierung.

Tiefensee hätte beides schon mal haben können. 2002, nach dem knappen Wahlsieg von Rot-Grün, bemühte sich Kanzler Schröder höchstselbst um den Ostdeutschen. Vergeblich. Manfred Stolpe sprang ein. Den löst Tiefensee jetzt ab. Dieses Mal ist er zweite Wahl.

Müntefering, der künftige Vizekanzler, war sich zwar von Anfang an sicher, „dass jemand aus Ostdeutschland dabei sein musste“. Doch zusammen mit Schröder hatte er vor allem den Brandenburger Ministerpräsidenten Matthias Platzeck im Blick. Beide „bearbeiteten“ ihn zwar ausgiebig. Doch der wollte seine Brandenburger nicht verlassen, um im nahen Berlin Außenminister zu werden. Die Erfahrungen mit absagenden Ossis im Gedächtnis, erinnerte man sich an den seinerzeit ebenso hartnäckigen Leipziger. Müntefering: „Dass Wolfgang Tiefensee da ist, hat auch damit zu tun, dass Manfred Stolpe und Matthias Platzeck und Wolfgang Thierse sich in den letzten Tagen darum bemüht haben.“

Platzeck sprach gestern von einer „exzellenten Wahl“: „Ich wüsste keinen Besseren.“ Aufbau-Ost-Staatssekretärin Iris Gleicke sieht mit Tiefensee einen „profilierten Ostdeutschen“ am Kabinettstisch: „So wie Manfred Stolpe wird er ein Garant ostdeutscher Interessen sein.“ Gestern hätte Tiefensee dazu schon Gelegenheit gehabt, mied aber in Berlin die Öffentlichkeit. Bis auf eine knappe Selbstverständlichkeit für die Kameras: Der Aufbau Ost habe immer etwas mit ganz Deutschland zu tun.

Als Tiefensee im April dieses Jahres für eine zweite Amtszeit auf weitere sieben Jahre als Leipziger Oberbürgermeister gewählt wurde, sagte er noch: „Ich fühle mich sehr, sehr wohl in diesem Amt.“ Damals hatte der „Macher aus dem Osten“ sogar schon über eine dritte Amtszeit nachgedacht. Tiefensee gilt als einer der populärsten Nachwuchstalente seiner Partei, auch wenn er Anfang des Jahres die 50 schon überschritten hat. Bei seiner OB-Wiederwahl erhielt er ein Ergebnis, von dem andere SPD-Politiker nur träumen können: Mit einer Zweidrittelmehrheit von 67,1 Prozent schlug er seine Rivalen von PDS und CDU schon im ersten Wahlgang aus dem Feld.

Leichte Strahlemann-Kratzer

Fast stereotyp beantwortete er in den vergangenen Jahren alle personellen Begehrlichkeiten aus Bundes- und Landespolitik mit dem Satz: „Mein Platz ist Leipzig.“ Er wollte weder Minister im Schröder- Kabinett noch SPD-Chef in Sachsen werden. Nun sieht der 50-Jährige seinen Platz doch in Berlin.

Seit 1998 regiert der 1,98-Meter-Mann die größte ostdeutsche Kommune. Seither hat er sich den Ruf eines Machers erworben. Bei einer Arbeitslosenquote von 20 Prozent wissen die Leipziger wirtschaftliche Erfolge wie die Ansiedlung von BMW und Porsche oder die Entscheidung für das internationale DHL-Logistik-Luftdrehkreuz in Leipzig zu schätzen. Und die sind in der Öffentlichkeit vor allem mit dem Namen Wolfgang Tiefensee verbunden.

Leichte Kratzer bekam sein Strahlemann-Image durch das frühe Ausscheiden Leipzigs aus der Olympia-Bewerbung. Schwer wogen zusätzliche Vorwürfe um Missmanagement und Alleingänge an der Verwaltungsspitze sowie Skandale im Rathaus.

Tiefensee, bekennender Katholik und passionierter Cello-Spieler, ist vierfacher Vater. Im August 2005 hatte das Ehepaar Tiefensee die Öffentlichkeit über seine Trennung informiert. (mit dpa)