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Abschied vom Waldhof

Die letzte Gaststätte in Grillenburg ist dicht. Die Wirte hoffen dennoch auf eine Zukunft des Traditionshauses.

Von Verena Schulenburg
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Unzählige Gäste haben Manfred und Gisela Philipp in ihrem Waldhof bewirtet. Nun bleibt die Gaststube in Grillenburg leer.
Unzählige Gäste haben Manfred und Gisela Philipp in ihrem Waldhof bewirtet. Nun bleibt die Gaststube in Grillenburg leer. © Andreas Weihs

Auf der Eckbank im Schankraum, gleich neben dem Tresen sitzen sie am liebsten. Hier ist der Stammtisch der Wirte. „Meine Frau kann sich trotzdem nicht damit anfreunden, dass dies hier ihr Esszimmer wird“, sagt Manfred Philipp. Der 72-Jährige grinst verschmitzt bei diesen Worten. Aber eigentlich ist ihm nicht zum Lachen zumute.

Elf Jahre lang haben er und seine Frau Gisela im „Waldhof zu Grillenburg“ Gäste empfangen. Seit dieser Woche sind Gasthaus und Pension dicht. Das Gebäude steht zum Verkauf. Auf dem Internetportal Ebay Kleinanzeigen bieten es die Philipps für 549 000 Euro an. Damit schließt das letzte Gasthaus im Ort. Nur der Imbiss am Gondelteich und der Kiosk am Badeteich auf der anderen Seite des Grillenburger Jagdschlosses bleiben nun noch als Anlaufpunkt für Besucher. Seit drei Jahren ist Gisela Philipp im Ruhestand, ihr Mann schon länger. Dennoch machten die Wirte weiter, wollten ihren Gasthof nicht aufgeben. Irgendwann aber, erzählen sie, müsse ja mal Schluss sein. „Es geht nicht mehr“, sagt die 68-Jährige. Ihr Mann nickt: „Man müsste eben noch einmal 20 Jahre jünger sein.“

Vor 20 Jahren fing auch für die Philipps in Grillenburg alles an. Gisela Philipp stammt aus Dippoldiswalde und machte sich schon in ihrer Kindheit mit dem Wirtshausleben vertraut. Ihre Großeltern führten einst den Niederen Gasthof in Reichstädt. 25 Jahre lang verschlug es sie nach Berlin, der Heimat ihres Mannes. Dann kehrten sie zurück, nach Grillenburg. Zehn Jahre lang bewirtschafteten sie das einstige Gasthaus am Ende der Seerenteichstraße, den alten Waldhof zu Grillenburg. Als die Philipps dort 2007 raus mussten, kauften sie die alte „Grille“ an der Hauptstraße im Ort, eröffneten dort ihren neuen Gasthof und nahmen den Namen gleich mit. „Wir wollten schon immer ein eigenes Gasthaus“, erzählt Manfred Philipp. Hier, im Herzen von Grillenburg, fanden sie es.

Der Umzug in die neue Gaststube war dennoch ein Kraftakt. Die alte „Grille“ stand zu diesem Zeitpunkt seit Jahren leer, musste zunächst im Inneren komplett entrümpelt und ringsherum von Unkraut befreit werden. Nachdem es noch nach der politischen Wende für das Haus bergauf gegangen war, folgte kurz drauf der Absturz. Mehrere Eigentümer gaben nacheinander auf. Der Ruf der „Grille“ hatte allmählich zu wünschen übrig gelassen. Die Philipps aber schafften es, aus dem gebeutelten Gasthaus wieder eine angesagte Adresse zu machen. „Über Kundschaft konnten wir uns nie beklagen. Manchmal war es uns eher schon zu viel“, sagt Manfred Philipp lächelnd. Das Paar hatte sich schon in dem alten Gasthaus auf der Seerenteichstraße etwas aufgebaut, was im neuen Waldhof an der Hauptstraße erfolgreich weiterging.

Ein Gasthaus mit Tradition. Die Aufnahme des heutigen Waldhofes in Grillenburg stammt aus dem Jahr 1908.
Ein Gasthaus mit Tradition. Die Aufnahme des heutigen Waldhofes in Grillenburg stammt aus dem Jahr 1908. © privat

In ihrem Waldhof standen Gisela und Wolfgang Philipp nicht nur Seite an Seite in der Küche und hinterm Zapfhahn, um Stammgäste und Wanderer mit preisgekrönter Hausmannskost zu umsorgen. Hier führten die Wirte auch fort, was sie schon im alten Waldhof begannen: Die Philipps sind neben Ortsvorsteher André Kaiser Mitbegründer des ersten Sächsischen Postkutschenvereins und gehörten zum Organisationsteam der Postkutschentreffen in Grillenburg. Die Begeisterung für die Tradition des Postwesens hat seinen Grund. Das 1828 erbaute Gasthaus der Philipps war einst zentraler Anlaufpunkt im früheren Postwesen. Hier machten die Postkutschen auf ihrem Weg von Dresden nach Freiberg halt. Hier startete auch jüngst noch die Postkutsche zum Ausflug in den Tharandter Wald. „Es ist ein Traditionshaus“, sagt Manfred Philipp.

Diese Tatsache stimmt den 72-Jährigen nachdenklich. Was wird in Zukunft aus ihrem Waldhof? Die Philipps wissen es nicht. „Es wäre schön, wenn sich jemand findet, der das Gasthaus weiterführt und nicht zu etwas anderem umfunktioniert“, sagt Gisela Philipp. Einfluss auf diesen Wunsch hat sie aber nicht mehr. Etliche Telefonate hätten die Wirte bereits geführt und Annoncen geschaltet, um einen Nachfolger zu finden. Jemand, der die Tradition aufrecht erhält. Alle ihre Versuche waren vergebens. Die Philipps mussten nun den Schankraum schließen. „Es will sich kaum noch einer an den Wochenenden oder Feiertagen hinstellen und arbeiten“, musste Manfred Philipp feststellen. Die Gastronomie scheint nicht mehr sonderlich attraktiv zu sein. Dabei sei der Waldhof in Grillenburg eine gute Partie. „Hier finden so viele Wanderer und Tagesausflügler her“, sagt er. Ein Gasthaus werde in einem touristisch geprägten Ort wie Grillenburg gebraucht.

Für die Philipps steht unterdessen fest: Wenn sich ein neuer Eigentümer für den Waldhof findet, werden sie Grillenburg den Rücken kehren, auch wenn viel Herzblut zurückbleibt. „Mein Mann würde lieber hier bleiben. Aber ich will wieder nach Dippoldiswalde“, sagt Gisela Philipp. Ohne ihre Kundschaft in der Gaststube sei es ihr in Grillenburg zu ruhig.