Grünes Licht für die Streckenförderung, rotes Licht für die Füllorte: An welchem Punkt Unter- oder Übertage das Erz gerade angelangt war, lässt sich jetzt wieder auf einem Tableau voller Leuchtdioden ablesen. Volkmar Hauswald hat es neu elektrifiziert. Ansonsten ist der Maschinenraum des Arno-Lippmann-Schachts original in dem Zustand, in dem Günther Schütze ihn verlassen hat, als er am 29. März 1991 als letzter Maschinist von Zinnerz Altenberg die letzte Seilfahrt betreute.
Sie sind heute alle hier: Neun ehemalige Zinner und Alexander Böhme. Der hat zwar mit seinen 33 Jahren die aktive Zeit der Zinnerzförderung im Arno-Lippmann-Schacht gerade mal als Dreijähriger erlebt. Doch bei ihm laufen die Fäden der IG AL-Schacht-Altenberg zusammen.
Führungen zum Tag des offenen Denkmals
"Die Sache kam ins Rollen, als wir 2016 gefragt wurden, ob wir zum Tag des offenen Denkmals eine Führung im Maschinenhaus veranstalten könnten", sagt Böhme. Gunther Kaden, der als Leiter der Projektgesellschaft Altenberg heute das ehemalige Zechengebäude als Europark vermarktet, unterstütze die Treffen und die Wartungsarbeiten der bald gegründeten Interessengemeinschaft Arno-Lippmann-Schacht, indem er unbürokratisch Schlüssel überließ oder Schautafeln finanzierte.
50 Sekunden bis zur tiefsten Sohle
Die ehemaligen Bergleute warteten die Maschinenanlagen, mit denen sie häufig ein halbes Berufsleben lang zu tun hatten. "Unser größtes Ziel ist es gerade, das Verbindungstelefon von hier zum Schacht zu reaktivieren", sagt Alexander Böhme. Auch die Signalglocken sind noch original vorhanden und sollen wieder schlagen können. Früher begleiteten sie die Aus- und Einfahrten der Bergleute in der Hängebank mit festen Signalfolgen.
"Zur tiefsten Sohle brauchten sie 50 Sekunden", sagt Schütze. Weil immer nur acht Bergmänner in der Hängebank stehen konnten, dauerte die Ausfahrt am Schichtende insgesamt eine halbe Stunde.
DDR-Bergbaugeschichte im Internet
Je näher der 28. März rückt, an dem sich die Einstellung der Altenberger Zinnerz-Förderung zum dreißigsten Mal jährt, desto informativer gestaltet Böhme den Facebook-Auftritt der IG AL-Schacht-Altenberg. Mit jedem Eintrag holt er ein Stück DDR-Bergbaugeschichte zurück ans Licht.
Bei den Texten und Bildern, mit denen er die Zusammenhänge zwischen Pinge, Erzförderung und Aufbereitung des VEB Zinnerz Altenberg erklärt, wird er fachlich auch von seinem Vater Wolfgang Böhme beraten - der war als Elektrotechnik-Ingenieur auch dabei.
Altenbergs Wahrzeichen
Hinter dem Schaubild mit den grünen und roten Leuchtdioden auf der Tafel stehen große Zahlen: Die bis heute erhaltene Fördermaschine mit einer Leistung von 450 Kilowatt stammt vom Sachsenwerk Dresden und wurde 1983 eingebaut. Sie trieb die Seiltrommel an, die ihrerseits sechs Tonnen Last heben konnte.
297 Meter tief reicht der Schacht unter dem Förderturm, der immer noch das Wahrzeichen von Altenberg bildet - und dessen Silhouette die IG AL-Schacht sich vom Altenberger Unternehmen Sportcollection auf Jacken drucken lassen hat.
In Rot, genau wie der feine Erzsand, der sich nach einer Schicht untertage kaum von der Haut waschen ließ. "Weil wir ständig darauf angesprochen werden, überlegen wir, noch T-Shirts damit bedrucken zu lassen", sagt Böhme.
Vollautomatisch dank Tesla Pardubice
Denn genau wie die Ruhrpott-Zechen für den Ruhrpott stehen, obwohl sie längst keine Steinkohle mehr fördern, ist der Arno-Lippmann-Schacht immer noch ein Denkmal, auf das die Altenberger stolz sein können: "Ab 1986 wurden hier eine Million Tonnen Erz im Jahr gefördert, durchschnittlich 4.000 Tonnen am Tag", sagt Maschinist Günther Schütze: "vollautomatisch mit einer Halbleiterteuerung von Tesla Pardubice".
Vollautomatisch bedeutete: Sobald die Kippgefäße untertage mit sechs Tonnen Erz befüllt waren, setzte sich die Maschine in Gang und beförderte sie nach oben - wo sie oben im Turm ebenso automatisch entleert wurden. Das ganze begleitete ein umfassendes Bremsinstrumentarium.
"Unser Problem war die Zeit"
Damit erfolgte der Altenberger Zinnerzabbau hochprofessionell: "Wir waren ein Spitzenbetrieb. Und wir hätten damals mehr Chancen verdient", sagt Wolfgang Schilka. Als letzter Betriebsleiter hatte er die schwere Aufgabe, 1991 die Schließung von Zinnerz Altenberg bekannt zu geben. "Unser Problem war die Zeit. Wir hatten gerade mal ein dreiviertel Jahr, um weltmarktfähig zu werden."
Es gäbe eine Faustregel, erläutert Schilka: "Ab 80 bis 100 Dollar pro Tonne Erz wird der Abbau international interessant." Das Altenberger Zinnerz brachte damals nur 16, 17 Dollar ein. "Damals hat man sich das Lithium im Erz überhaupt nicht angeschaut. Heute würde es 38 Dollar einbringen, das Zinn nochmal 71 Dollar."
Noch 3,1 Milliarden Dollar im Berg
In dem dreiviertel Jahr zwischen Auflösung der DDR und Schließung der Grube versuchten die Altenberger Bergleute, aus dem Zinnerz auch Molybdän und Wolfram zu zu gewinnen: "Doch wir hatten immer noch Arsen mit drin." Doch an dieser Stelle kam der Zeitfaktor ins Spiel. "Wir hätten einfach Zeit gebraucht, um ein entsprechendes Verfahren zu entwickeln." Draufgehabt hätten es die Zinner, ist Schilka sich sicher.
Nach seiner Berechnung lägen jetzt noch 3,1 Milliarden Dollar im Berg. Sein Trost: "Wenn wir weiter gemacht hätten, wären die 34 Millionen Tonnen jetzt auch alle."
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