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Wie das Erz gefördert wurde

Am 28. März vor 30 Jahren wurde der Altenberger Zinnerzbergbau eingestellt. Eine Interessengemeinschaft ehemaliger Bergmänner erinnert daran.

Von Siiri Klose
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Günther Schütze an seinem alten Arbeitsplatz: Er war der Maschinist, der die letzte Ausfahrt im Arno-Lippmann-Schacht überwachte.
Günther Schütze an seinem alten Arbeitsplatz: Er war der Maschinist, der die letzte Ausfahrt im Arno-Lippmann-Schacht überwachte. © Karl-Ludwig Oberthür

Grünes Licht für die Streckenförderung, rotes Licht für die Füllorte: An welchem Punkt Unter- oder Übertage das Erz gerade angelangt war, lässt sich jetzt wieder auf einem Tableau voller Leuchtdioden ablesen. Volkmar Hauswald hat es neu elektrifiziert. Ansonsten ist der Maschinenraum des Arno-Lippmann-Schachts original in dem Zustand, in dem Günther Schütze ihn verlassen hat, als er am 29. März 1991 als letzter Maschinist von Zinnerz Altenberg die letzte Seilfahrt betreute.

Sie sind heute alle hier: Neun ehemalige Zinner und Alexander Böhme. Der hat zwar mit seinen 33 Jahren die aktive Zeit der Zinnerzförderung im Arno-Lippmann-Schacht gerade mal als Dreijähriger erlebt. Doch bei ihm laufen die Fäden der IG AL-Schacht-Altenberg zusammen.

Führungen zum Tag des offenen Denkmals

Die Mitglieder der IG Arno-Lippmann-Schacht sind fast alle ehemalige Mitarbeiter von Zinnerz Altenberg. Im Maschinenraum der Förderanlage hat sich nichts verändert.
Die Mitglieder der IG Arno-Lippmann-Schacht sind fast alle ehemalige Mitarbeiter von Zinnerz Altenberg. Im Maschinenraum der Förderanlage hat sich nichts verändert. © Karl-Ludwig Oberthür

"Die Sache kam ins Rollen, als wir 2016 gefragt wurden, ob wir zum Tag des offenen Denkmals eine Führung im Maschinenhaus veranstalten könnten", sagt Böhme. Gunther Kaden, der als Leiter der Projektgesellschaft Altenberg heute das ehemalige Zechengebäude als Europark vermarktet, unterstütze die Treffen und die Wartungsarbeiten der bald gegründeten Interessengemeinschaft Arno-Lippmann-Schacht, indem er unbürokratisch Schlüssel überließ oder Schautafeln finanzierte.

50 Sekunden bis zur tiefsten Sohle

Die ehemaligen Bergleute warteten die Maschinenanlagen, mit denen sie häufig ein halbes Berufsleben lang zu tun hatten. "Unser größtes Ziel ist es gerade, das Verbindungstelefon von hier zum Schacht zu reaktivieren", sagt Alexander Böhme. Auch die Signalglocken sind noch original vorhanden und sollen wieder schlagen können. Früher begleiteten sie die Aus- und Einfahrten der Bergleute in der Hängebank mit festen Signalfolgen.

"Zur tiefsten Sohle brauchten sie 50 Sekunden", sagt Schütze. Weil immer nur acht Bergmänner in der Hängebank stehen konnten, dauerte die Ausfahrt am Schichtende insgesamt eine halbe Stunde.

DDR-Bergbaugeschichte im Internet

Je näher der 28. März rückt, an dem sich die Einstellung der Altenberger Zinnerz-Förderung zum dreißigsten Mal jährt, desto informativer gestaltet Böhme den Facebook-Auftritt der IG AL-Schacht-Altenberg. Mit jedem Eintrag holt er ein Stück DDR-Bergbaugeschichte zurück ans Licht.

Bei den Texten und Bildern, mit denen er die Zusammenhänge zwischen Pinge, Erzförderung und Aufbereitung des VEB Zinnerz Altenberg erklärt, wird er fachlich auch von seinem Vater Wolfgang Böhme beraten - der war als Elektrotechnik-Ingenieur auch dabei.

Altenbergs Wahrzeichen

Hinter dem Schaubild mit den grünen und roten Leuchtdioden auf der Tafel stehen große Zahlen: Die bis heute erhaltene Fördermaschine mit einer Leistung von 450 Kilowatt stammt vom Sachsenwerk Dresden und wurde 1983 eingebaut. Sie trieb die Seiltrommel an, die ihrerseits sechs Tonnen Last heben konnte.

297 Meter tief reicht der Schacht unter dem Förderturm, der immer noch das Wahrzeichen von Altenberg bildet - und dessen Silhouette die IG AL-Schacht sich vom Altenberger Unternehmen Sportcollection auf Jacken drucken lassen hat.

In Rot, genau wie der feine Erzsand, der sich nach einer Schicht untertage kaum von der Haut waschen ließ. "Weil wir ständig darauf angesprochen werden, überlegen wir, noch T-Shirts damit bedrucken zu lassen", sagt Böhme.

Vollautomatisch dank Tesla Pardubice

Denn genau wie die Ruhrpott-Zechen für den Ruhrpott stehen, obwohl sie längst keine Steinkohle mehr fördern, ist der Arno-Lippmann-Schacht immer noch ein Denkmal, auf das die Altenberger stolz sein können: "Ab 1986 wurden hier eine Million Tonnen Erz im Jahr gefördert, durchschnittlich 4.000 Tonnen am Tag", sagt Maschinist Günther Schütze: "vollautomatisch mit einer Halbleiterteuerung von Tesla Pardubice".

Die Dioden leuchten wieder. Sie zeigen an, an welcher Stelle sich die Fördergefäße gerade befanden - und wo es ein Problem gab.
Die Dioden leuchten wieder. Sie zeigen an, an welcher Stelle sich die Fördergefäße gerade befanden - und wo es ein Problem gab. © Karl-Ludwig Oberthür
Auch die Kaue der Bergleute ist noch vorhanden. An den Haken wurden die Arbeits- oder Straßenkleidung gehängt und hochgezogen.
Auch die Kaue der Bergleute ist noch vorhanden. An den Haken wurden die Arbeits- oder Straßenkleidung gehängt und hochgezogen. © Karl-Ludwig Oberthür
Alexander Böhme an der 38 Tonnen schweren Seiltrommel. Bei der Schachtschließung 1991 war er drei Jahre alt. Jetzt hält er die IG AL-Schacht-Altenberg zusammen.
Alexander Böhme an der 38 Tonnen schweren Seiltrommel. Bei der Schachtschließung 1991 war er drei Jahre alt. Jetzt hält er die IG AL-Schacht-Altenberg zusammen. © Karl-Ludwig Oberthür
Im Zechengebäude ist die Grubeneinfahrt zwar verschlossen, doch der Förderturm mit der Hängebank ist unverändert.
Im Zechengebäude ist die Grubeneinfahrt zwar verschlossen, doch der Förderturm mit der Hängebank ist unverändert. © Karl-Ludwig Oberthür
Die IG AL-Schacht-Altenberg will auch das Signaltelefon wieder reaktivieren,
Die IG AL-Schacht-Altenberg will auch das Signaltelefon wieder reaktivieren, © Karl-Ludwig Oberthür
Der Turm des Arno Lippmann Schachts ist das Wahrzeichen von Altenberg. Die riesigen Gebäude der Aufbereitung wurden bereits in den neunziger Jahren abgerissen.
Der Turm des Arno Lippmann Schachts ist das Wahrzeichen von Altenberg. Die riesigen Gebäude der Aufbereitung wurden bereits in den neunziger Jahren abgerissen. © Karl-Ludwig Oberthür

Vollautomatisch bedeutete: Sobald die Kippgefäße untertage mit sechs Tonnen Erz befüllt waren, setzte sich die Maschine in Gang und beförderte sie nach oben - wo sie oben im Turm ebenso automatisch entleert wurden. Das ganze begleitete ein umfassendes Bremsinstrumentarium.

"Unser Problem war die Zeit"

Damit erfolgte der Altenberger Zinnerzabbau hochprofessionell: "Wir waren ein Spitzenbetrieb. Und wir hätten damals mehr Chancen verdient", sagt Wolfgang Schilka. Als letzter Betriebsleiter hatte er die schwere Aufgabe, 1991 die Schließung von Zinnerz Altenberg bekannt zu geben. "Unser Problem war die Zeit. Wir hatten gerade mal ein dreiviertel Jahr, um weltmarktfähig zu werden."

Es gäbe eine Faustregel, erläutert Schilka: "Ab 80 bis 100 Dollar pro Tonne Erz wird der Abbau international interessant." Das Altenberger Zinnerz brachte damals nur 16, 17 Dollar ein. "Damals hat man sich das Lithium im Erz überhaupt nicht angeschaut. Heute würde es 38 Dollar einbringen, das Zinn nochmal 71 Dollar."

Noch 3,1 Milliarden Dollar im Berg

In dem dreiviertel Jahr zwischen Auflösung der DDR und Schließung der Grube versuchten die Altenberger Bergleute, aus dem Zinnerz auch Molybdän und Wolfram zu zu gewinnen: "Doch wir hatten immer noch Arsen mit drin." Doch an dieser Stelle kam der Zeitfaktor ins Spiel. "Wir hätten einfach Zeit gebraucht, um ein entsprechendes Verfahren zu entwickeln." Draufgehabt hätten es die Zinner, ist Schilka sich sicher.

Nach seiner Berechnung lägen jetzt noch 3,1 Milliarden Dollar im Berg. Sein Trost: "Wenn wir weiter gemacht hätten, wären die 34 Millionen Tonnen jetzt auch alle."

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