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Angeklagter: Hausbrand war Selbstmordversuch

Seit Mittwoch steht ein Kringelsdorfer vor dem Landgericht Görlitz. Er hatte 2014 Feuer in seinem Haus gelegt.

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© Christian Essler/xcitePRESS

Von Frank Thümmler

Kringelsdorf/Görlitz. Die Verzweiflung ist Florian Schulz* auch gut zwei Jahre nach der Tat anzusehen. Vor dem Landgericht Görlitz schildert der inzwischen 44-jährige Baugeräteführer, was ihn dazu bewogen hat, am 11. Dezember 2014 sein Wohnhaus im Boxberger Ortsteil Kringelsdorf anzuzünden. Er hatte Heizöl und Dieselkraftstoff im Wohngebäude und Nebengebäude verteilt und angezündet. Im Wohnhaus war zudem eine Propangasflasche aufgedreht. In der Anklage heißt es, dass es nur einem Zufall zu verdanken war, dass sie nicht explodierte und Feuerwehrleute zu Schaden kamen. Das Haus wurde bei dem Brand zerstört.

Der Angeklagte gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt Kai Rosenstengel im Görlitzer Landgericht.
Der Angeklagte gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt Kai Rosenstengel im Görlitzer Landgericht. © Knut-Michael Kunoth

Angeklagt ist Florian Schulz wegen des versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und vorsätzlichem Bankrott. Das Haus, das der Angeklagte von seinem Vater geerbt hatte und in dem er aufgewachsen war, sollte auf Betreiben seiner Ex-Frau zwangsversteigert werden, um aus dem Erlös Unterhaltsforderungen von ihr über gut 23000 Euro zu begleichen. Das Verfahren sollte eigentlich vor dem Amtsgericht stattfinden, wurde aber wegen der Möglichkeit, den Angeklagten auch wegen besonders schwerer Brandstiftung mit möglicher Gesundheitsschädigung für andere Menschen zu verurteilen, an das Landgericht abgegeben. Dort werden die besonders schweren Straftaten verhandelt.

Vor Gericht sagt Florian Schulz gleich zu Beginn seiner Aussage, dass es sich um eine Verzweiflungstat gehandelt habe, bei der er selbst sterben wollte. „Die drei Frauen, mit denen ich Kinder habe, haben sich zusammengetan und mich so weit getrieben.“ Schulz ist Vater von vier Kindern im Alter zwischen 21 und acht Jahren, wobei die zwei mittleren Kinder aus seiner Ehe stammen, die 2009 geschieden wurde. Natürlich kam es zu Unterhaltsforderungen – 200 Euro pro Kind. Viel zu viel für seinen Verdienst. Schulz wehrte sich aber beim Jugendamt nicht, hätte dort angesichts seiner Einkommensverhältnisse sicherlich geringere Unterhaltszahlungen erwirken können.

„2011/12 ging es los mit den gelben Briefen“, erzählt er. Er meint gerichtliche Mahnbescheide. Der Gerichtsvollstrecker tauchte bei ihm auf, sein Pfändungsversuch scheiterte aber, weil er keine pfändbaren Werte fand. Parallel dazu, so behauptet es der Angeklagte, hätten seine Ex-Partnerinnen dafür gesorgt, dass er bei seinem damaligen Arbeitgeber in Misskredit geriet, behauptet, er hätte gestohlen und mit Mitteln des Betriebes schwarzgearbeitet. Das habe zwar nicht gestimmt, gekündigt wurde er aber trotzdem. Schulz wechselte seine Arbeitsstelle. Dort aber habe seine Ex-Frau eine Lohnpfändung durchgesetzt. Parallel dazu kamen immer neue Mahnbescheide. „Ich habe keinen Sinn mehr gesehen, arbeiten zu gehen und mich total gehengelassen“, erzählt Florian Schulz vor Gericht. Er sei mit seinem Wohnwagen nach Dresden gezogen, habe dort eine ganze Weile vom Flaschensammeln gelebt und in dem Gefährt auch bei klirrender Kälte gehaust. „Da kommen einem auch ganz negative Gedanken“, sagte er. Das alles sei eine Flucht gewesen, vor allem vor den gelben Briefen vom Gericht.

Im Mai 2014 sei er völlig verzweifelt zurückgekehrt nach Kringelsdorf, habe sich beim Arbeitsamt gemeldet und Hartz IV erhalten, 380 Euro. Im Haus seien inzwischen Strom und Wasser abgestellt gewesen. Als dann der Gerichtsbeschluss eintraf, dass sein Haus zwangsversteigert werden sollte, sei das der Auslöser für seine Tat gewesen. „Jetzt wollten sie mir auch noch das Letzte wegnehmen, was ich hatte. Ich habe keinen Sinn mehr im Leben gesehen und wollte das Haus und mich selbst darin verbrennen“, sagt er. Er, der sonst keinen Alkohol trinke, habe sich mit viel Schnaps Mut angetrunken, um das zu schaffen. Unter Alkohol habe er das Öl und Benzin verteilt und im Wohnzimmer angezündet. „Eigentlich wollte ich mich auf die Couch legen und mitverbrennen. Aber dann habe ich es doch mit der Angst zu tun bekommen und bin in den Wald gerannt. Es war wohl doch noch nicht genug Alkohol“, sagt er. Jemand anderen gefährden, sei in keinem Fall seine Absicht gewesen. Im Wald habe er den Rausch ausgeschlafen, erkannt, was er angestellt habe und wollte sich bei der Polizei stellen. Bevor er das konnte, wurde er aber etwa 20 Stunden nach der Tat vom Sicherheitsdienst des Tagebaus aufgegriffen und zur Polizei gebracht.

Dort habe er alles geschildert und sich danach wegen seines Suizidversuches freiwillig ins Klinikum Görlitz einweisen lassen. Dort sei eine Depression festgestellt worden. Nach rund vier Monaten wurde er entlassen, habe danach wieder begonnen zu arbeiten und inzwischen sein Leben wieder sortiert, wie er sagt. Demnach arbeitet Florian Schulz in Dresden als Baugeräteführer, hat dort eine Ein-Raum-Wohnung. Sein Verdienst werde bis auf seinen Eigenbedarf für Unterhaltsverpflichtungen gepfändet. Von den gut 900 Euro, die ihm bleiben, zahle er in Raten alte Schulden bei Stadtwerken, Energieversorger und Landratsamt ab sowie die Miete und komme gerade so über die Runden. 2018/19 sei er wieder schuldenfrei und damit Licht am Ende des Tunnels. So sagt es Florian Schulz in seiner Aussage, die ihn emotional sichtbar mitnimmt.

Ob er sein Leben so fortführen kann, muss jetzt das Gericht entscheiden. Mehrfach fragen Richter, Beisitzer und Staatsanwalt, warum er gerade diese Art des Suizides gewählt habe. Der Satz, dass er damit auch verhindern wollte, dass seine Ex-Frau an ihr Geld kommt, kommt nicht über seine Lippen. Schulz beteuert immer wieder, dass er seinem Leben in seinem Zuhause ein Ende setzen wollte, sich eben so entschieden habe.

*Name geändert