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Annelis Eltern wollen Gerechtigkeit

Der Anneli-Prozess ist in der Schlussphase. In der Verhandlung sitzen die Eltern der ermordeten 17-Jährigen den mutmaßlichen Tätern gegenüber - mit klarer Erwartung an das Urteil.

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© Ronald Bonß

Simona Block

Dresden. Vater, Mutter, Schwester: Nur ein paar Meter trennen die Familie der entführten und ermordeten Anneli-Marie im Dresdner Landgericht von den mutmaßlichen Tätern. Ihre Eltern sitzen dem Mann direkt gegenüber, der ihr Nesthäkchen brutal getötet haben soll. Uwe und Ramona R. schauen ihm ins Gesicht, Markus B. meist nach unten. Ihre Hoffnung auf ein Wort der Reue oder Entschuldigung wurde bisher enttäuscht. „Wir haben Anspruch auf Rache und Sühne, auf Genugtuung und Gerechtigkeit“, sagt der Unternehmer.

Nach elf Verhandlungstagen steht der Prozess gegen B. und Norbert K. vor den Plädoyers, die in der neuen Woche erwartet werden. Die 40 und 62 Jahre alten Männer sind wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge angeklagt, der Jüngere zudem wegen Mordes. Sie sollen die Gymnasiastin am 13. August 2015 unweit ihres Elternhauses in Robschütz ins Auto gezerrt und verschleppt haben. Vom Vater der 17-Jährigen verlangten sie laut Anklage 1,2 Millionen Euro Lösegeld - per Online-Banking. An der Übergabe jedoch scheiterten sie.

Im Saal A 1.82 des Landgerichts treffen seit Ende Mai regelmäßig Welten aufeinander: eine erfolgreiche intakte Familie auf der einen Seite und zwei verschuldete Arbeitslose auf der anderen. Vor allem in das Leben und den Charakter von Markus B. bekamen Beteiligte und Zuschauer einen Einblick. Der aus Pforzheim (Baden-Württemberg) stammende Koch hat bereits eine kriminelle Vergangenheit und Hafterfahrung und bog sich stets die Realität zurecht. Vermögen, Studium, noble Herkunft - all das hatte er erfunden, auch gegenüber seiner Frau und dem Umfeld.

Ein Psychotherapeut bescheinigte ihm durch Großspurigkeit verdecktes Versagen, gestörtes Selbstwertgefühl, besondere Kaltblütigkeit und massive Unempfindlichkeit gegenüber von ihm geschädigten Menschen. Nach Angaben von Norbert K. bei der Polizei hat B. Anneli-Marie getötet, aus Angst vor Entdeckung. Die 17-Jährige erstickte laut Obduktion qualvoll am 14. August. Drei Tage danach wurde ihre verscharrte nackte Leiche auf dem Anwesen von B.’s Schwiegermutter gefunden - das Mädchen wurde mit zwei Kabelbindern und einem Spanngurt erdrosselt.

K., der den Ermittlern den Ort genannt hatte, will mit dem Mord nichts zu tun gehabt haben. Laut dem Forensiker Matthias Lammel ist er ein Typ, der sich anderen anpasst. Der gelernte Förster aus Berlin, der früher als selbstständiger Florist arbeitete, war nach eigener Aussage zu schwach, B. in der Scheune zu stoppen. Die Familie von Anneli-Marie glaubt das nicht, ebenso wie die Verteidigung von B.. Auf die Angeklagten kann sich die Kammer nicht stützen, sie schweigen.

Laut den Ermittlern hat Markus B. die Tat geplant, die Familie ausspioniert. Zuvor soll er vergeblich versucht haben, die 1,2 Millionen Euro von einer Supermarktkette zu erpressen. K., ebenso verschuldet wie B. und ohne Job, soll er ein Drittel von der Lösegeldsumme versprochen haben, wenn er mitmacht. Die Kammer bemühte sich mit der Befragung von mehr als 20 Zeugen und einer Reihe Sachverständiger um Aufklärung, ob B. Anneli-Marie getötet hat.

Laut Obduktion wurde sie erdrosselt, allerdings konnte der Zeitpunkt nicht mehr exakt bestimmt werden, und auch K. war am 14. August zeitweise allein mit der Entführten. Und an dem Spanngurt, den die 17-Jährige um den Hals hatte, wurden nur DNA-Spuren von ihr gefunden. Nach der Aussage eines LKA-Experten muss das nichts bedeuten: „Nicht jeder Kontakt hinterlässt verwertbare Spuren.“

Für den Verteidiger von Markus B. kommt auch K. als Mörder in Frage. Anneli-Maries Familie hält ihn unabhängig davon für schuldig - des Mordes durch Unterlassen. „Unsere Erwartungen sind erfüllt, die waren nicht so hoch“, resümiert Uwe R., auch wenn seine „Reden Sie!“-Appelle in Richtung Anklagebank ohne Reaktion blieben.

„Es ist einfach so, dass man wissen will, was ist passiert.“ Die Anwesenheit im Prozess zehrt an den Kräften, vor allem der Mutter. Die Familie will das Mögliche tun, dass dem jüngsten ihrer drei Kinder Gerechtigkeit widerfährt. „Anneli bringt das nicht zurück“, räumt Uwe R. ein. Für die Familie gibt es auch deshalb nur ein Urteil: „die Höchststrafe“. (dpa)