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Engel ohne Flügel

Vor einem Jahr wurde die Schülerin Anneli-Marie Riße ermordet. Die Familie will ihr Andenken bewahren – auch mit einer Plastik.

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© Andreas Weihs

Von Ulf Mallek

Eigentlich sollte die Plastik am heutigen Samstag in einer kleinen Gedenkstunde in Meißen vorgestellt werden. Zunächst als Gipsmodell. Lebensgroß. Anneli-Marie Riße im Alter von 17 Jahren. Später soll die Figur aus weißem Marmor gefertigt werden und am Grab der vor einem Jahr entführten und ermordeten Schülerin aufgestellt werden. Ein Engel ohne Flügel. Doch die Arbeiten sind kompliziert. Das Modell wird erst später fertig. Eine Erinnerungsrunde findet am Sonntag trotzdem statt..

Die Anneli-Figur soll an ein schlimmes Verbrechen erinnern, aber auch an Menschlichkeit und Mitgefühl, das die Familie Riße im letzten Jahr zu spüren bekam. Annelis Mutter Ramona Riße schrieb am Ende eines von ihr verfassten Gedichtes für ihre Tochter, das am heutigen Samstag als Anzeige in der Sächsischen Zeitung in den Ausgaben Meißen und Radebeul erscheint: „Die schwere Last des Leides nicht allein tragen zu müssen, hilft uns, hält uns am Leben, lässt uns überleben.“

Die Anneli-Figur gestaltet Maximilian Hagstolz, einer der drei jungen Meisterschüler des Chefplastikers der Porzellan-Manufaktur Meissen. In vielen Stunden nach Feierabend schuf er eine lebendige Erinnerung an Anneli-Marie. Ein Engel, der uns beschützen soll, wie Vater Uwe Riße sagte. Ein Steinmetz der Klipphausener Firma Vogt wird das Projekt vollenden.

Das große schwarze Familiengrab am Kirchhof der Gemeinde Sora, nur wenige Hundert Meter entfernt vom Betriebsgelände der Familie Riße, schmücken immer frische Blumen. Jetzt zum Jahrestag der Ermordung besonders viele. Noch immer liegt Annelis Tod wie ein schwarzer Schatten über der gesamten Gemeinde Klipphausen. „Manche Menschen weinen heute noch, wenn das Thema auf Anneli kommt“, sagt Bürgermeister Gerold Mann. Manche mussten sogar in psychologische Behandlung. Für den Bürgermeister ist es undenkbar, was die Familie in einem Jahr erleiden und erdulden musste.

Immer wieder hat Uwe Riße überlegt, wie er und seine Familie mit dem Schicksal von Anneli in der Öffentlichkeit umgehen sollen. In einer E-Mail an die Sächsische Zeitung schrieb er drei Tage vor Prozessbeginn: „Wir haben derzeit ein sehr beklemmendes Gefühl. Wie wird der Prozess verlaufen? Welche Ungeheuerlichkeiten werden wir uns anhören müssen? Wie werden wir den Anblick der Mörder ertragen? Gibt es eine Chance auf eine gerechte Strafe? Hilft uns das Einbeziehen der Medien oder tragen wir nur zur Unterhaltung bei? Ist es richtig, diese Art von Popularität zu haben? Eins ist sicher, wir haben lebenslänglich.“

Der Prozess gegen die mutmaßlichen Mörder und Entführer Markus B. und Norbert K. läuft seit 30. Mai. Neun Prozesstage hat die Familie, die als Nebenkläger auftritt, schon überstanden. Sieben liegen noch vor ihnen. Die Familie sagt, von der Arbeit der Polizei und der Justiz habe sie einen guten, professionellen Eindruck. Als Nebenklägerin stellte sie jetzt einen Antrag auf rechtlichen Hinweis. Das bedeutet, auch der mutmaßliche Täter Norbert K. soll als Mörder verurteilt werden, nicht nur wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge.

Das Gericht hat darauf aber noch nicht geantwortet. Mit nur zehn Jahren Gefängnis, sagt die Familie, werde sie sich nicht zufrieden geben.

www.anneli-marie.com