Anzeige

Die Hebamme muss viel wissen, um wenig zu tun

Seit kurzem ist Hebammenkunde ein Studium. Auch an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden kann der Beruf seit Oktober 2021 erlernt werden.

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Katharina Langton (l.) und Friederike Seifert leiten den Bachelor-Studiengang Hebammenkunde an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden.
Katharina Langton (l.) und Friederike Seifert leiten den Bachelor-Studiengang Hebammenkunde an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden.

Eine Geburt ist – nüchtern betrachtet– ein ganz normaler physiologischer Vorgang. Dennoch gibt es kaum etwas Vergleichbares, das unseren Körper, unser Gefühl, unser gesamtes Leben so sehr beeinflusst. Treue Begleiterinnen in der spannenden Zeit davor, dabei und danach sind die Hebammen. Sowohl die Anforderungen an ihren Beruf als auch die Verantwortung sind in den vergangenen Jahrzehnten enorm gestiegen.

Da war die Neuordnung von der klassischen Berufsausbildung hin zu einem Studiengang ein logischer Schritt. „Nur ein Aspekt ist beispielsweise, dass die Gebärenden immer älter werden, was verschiedene Risikofaktoren mit sich bringt“, erläutert Katharina Langton. Sie ist wissenschaftliche Leiterin des Studiengangs Hebammenkunde (Bachelor of Science) an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden. „Auch die psychosomatische Ausrichtung der Ausbildung ist wichtiger und umfassender geworden“, ergänzt Friederike Seifert, pädagogische Leiterin des Studiengangs. Dazu zählen zum Beispiel verschiedene Gesprächstechniken, um mit den zu Betreuenden gut kommunizieren zu können. „Das ist besonders wichtig in schwierigen Situationen wie bei stillen Geburten oder gesundheitlichen Problemen. “Daneben stehen weitere Themen wie die Reproduktionsmedizin, Frühgeburten oder Schwangerschaften nach onkologischen Vorerkrankungen vermehrt im Fokus. „Die Geburtsmedizin hat sich in den vergangenen Jahren unglaublich weiterentwickelt. Auch die Hebammenkunde muss sich daran orientieren und dementsprechend wissenschaftsbasiert agieren“, sagt Katharina Langton. Lag beispielsweise die Dammschnittrate zum Ende der DDR noch bei über 90 Prozent, gibt es heute Kliniken mit einer Rate von zwölf Prozent oder weniger.

Die ganze Familie im Blick

Neben Schwangerschaft und Geburt ist die Wochenbettbetreuung ein großes Aufgabengebiet von Hebammen. „Ziel ist immer die optimale Versorgung von Mutter und Kind, aber auch der gesamten Familie“, sagt Friederike Seifert. So müssen sich Hebammen beispielsweise ebenso mit Babys Schlafgewohnheiten wie mit Unterstützungsmöglichkeiten für junge Familien oder verschiedenen Familienmodellen auskennen. Wer heute als Hebamme arbeiten möchte, muss über eine breite Fachexpertise verfügen, diese ständig aktualisieren und erweitern. „Unser Leitspruch heißt: Man muss viel wissen, um wenig zu tun“, fasst Friederike Seifert zusammen.

Hinter diesem kurzen, prägnanten Satz verbirgt sich auch die Kunst zu erkennen, inwieweit ein Eingreifen notwendig ist oder man der Natur freien Lauf lassen kann. Das Hebammenstudium an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden ist dual aufgebaut. Das bedeutet, dass die Studierenden nicht nur an der Fakultät lernen, sondern auch bei einem Praxispartner. 14 Kliniken kooperieren dafür mit der TUD. „Mit einem dieser Praxispartner schließen die Studierenden vorab einen Ausbildungsvertrag und erhalten von diesem auch eine entsprechende Vergütung“, sagt Katharina Langton. Die praktische Ausbildung umfasst zudem Praxiseinsätze bei außerklinisch arbeitenden Hebammen.

Fit in Theorie und Praxis

Das Studium dauert sieben Semester und ist modular aufgebaut. Themen der Module sind beispielsweise Grundlagen der Anatomie, die Neugeborenen- und Säuglingsentwicklung oder berufsethische Rahmenbedingungen. Mit zwei Wahlpflichtmodulen können individuelle Schwerpunkte gesetzt werden. Auf dem Stundenplan stehen neben Vorlesungen und Seminaren auch Exkursionen, Praktika sowie Übungen im Simulationslabor. 98 Prozent aller Geburten in Deutschland finden in Klinken statt. Daher wird auch im Studium bereits mit verschiedenen Berufsgruppen interprofessionell zusammengearbeitet. „Dadurch steigen das Bewusstsein und Verständnis für den anderen, was letztendlich den Frauen zugutekommt“, erklärt Katharina Langton. Insgesamt stehen in Dresden 25 Studienplätze pro Jahr zur Verfügung. „Der Bedarf ist natürlich viel höher, auch um eine 1:1-Betreuunggewährleisten zu können“, sagt Friederike Seifert. Da fast alle Hebammen in Deutschland Frauen sind, ist der Bedarf an flexiblen Arbeitszeitmodellen groß, zudem muss sich die Arbeit auf mehrere Schultern verteilen.

Gute Perspektiven für die Zukunft

Durch das Studium öffnen sich den Absolventen nun zusätzliche Möglichkeiten. Nach dem Bachelor können sie entweder weiterstudieren oder aber auch im Ausland arbeiten. „Der Abschluss ist international anerkannt“, sagt sie. Nachwuchskräfte werden national wie international gesucht. Den größten Anteil bilden Kliniken und die ambulante Versorgung. Hier gehen in den kommenden Jahren zahlreiche Hebammen in Rente. „Aber auch in Lehre und Forschung werden Hebammen zunehmend gebraucht“, so Katharina Langton. Ein großer Vorteil des Berufs sind die vielfältigen Wahlmöglichkeiten. „Ein beliebtes Arbeitsmodell bei vielen Kolleginnen ist beispielsweise die Kombination aus Freiberuflichkeit und der Tätigkeit in einer Klinik“, erläutert Friederike Seifert.