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„Auch über Skype kann eine Bindung entstehen“

Die Alterswissenschaftlerin Dr. Anne-Kathrin Mayer spricht im SZ-Interview über Fernbeziehungen zu den Enkeln.

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Frau Dr. Mayer, sind Fern-Großeltern die schlechteren Großeltern?

Nein, das lässt sich so pauschal nicht sagen. Man sollte zunächst die Frage stellen, wie die Fernbeziehung zustande kommt. Es ist ein großer Unterschied, ob die eigenen Kinder den Wohnort der Eltern aufgrund von beruflicher Mobilität verlassen haben oder, weil die Familie zerstritten ist. Die Rolle der mittleren Generation, also die zwischen Großeltern und Enkeln, ist entscheidend dafür, wie eng die Beziehung wird. Die Eltern machen den Kontakt erst möglich. In der Forschung sprechen wir von einer Vermittler-Funktion. Wenn bis zur Jugend des Enkelkindes keine Bindung entstanden ist, wird sich wahrscheinlich auch keine mehr ausbilden. Das hat aber eben nicht zwingend mit der Distanz zu tun. Die Fern-Großelternschaft muss nicht die schlechtere Lösung sein. Vorausgesetzt, die Familie findet ihre individuellen Mittel und Wege, um den Kontakt zu halten.

Was sind diese Mittel und Wege?

Neben den konventionellen Medien wie Telefon oder Brief werden zunehmend neue Technologien wichtig. Das ist auch eine Motivation für Senioren, sich damit auseinanderzusetzen. Im Alter ist Lernen kein Selbstzweck mehr. Die meisten Senioren sind nur dazu bereit, wenn es ihnen konkret nützt. Die eigenen Enkel aufwachsen zu sehen – der schnelle persönliche Austausch – ist so eine Motivation, den Umgang mit Skype, Messenger, WhatsApp und so weiter zu lernen.

Aber kann über Skype tatsächlich eine persönliche Bindung entstehen?

Konkret dazu sind mir keine Studien bekannt. Meinem Eindruck nach kann die regelmäßige Skype-Kommunikation das aber schon leisten. Denn über den Bildschirm werden auch Mimik und Gestik transportiert. So ein Gespräch kann sehr lebendig ablaufen. Häufig findet diese Kommunikation auch in sehr authentischer Umgebung statt.

Wie meinen Sie das?

Wenn es sich beide Seiten im Wohnzimmer zum Skypen gemütlich machen, ist das ein viel ehrlicherer Kontakt als zu sonntäglichen Kaffeekränzchen, zu denen Großeltern und Enkel früher üblicherweise zusammengekommen sind. Die Kinder wurden in ihre Sonntagskleider gesteckt und empfanden die Treffen mit Sicherheit eher als Pflichttermine. Man sollte die „gute alte Zeit“ daher nicht idealisieren.

Kann die Fernbeziehung auch Vorteile haben?

Natürlich. Denn zu viel Enge birgt ja auch Konfliktpotenzial. Wenn Großeltern und Enkel heute eine Distanz von mehreren Hundert Kilometern trennt, dann erleben sie die Zeit, die sie gemeinsam haben, viel intensiver. Häufig wird der Alltag in der Familie dann auch in besonderer Weise umgestellt, wenn Oma und Opa zu Besuch sind. Solche Erfahrungen machen Enkel mit ihren Großeltern „von nebenan“ unter Umständen nie.

Das Gespräch führte Britta Veltzke.