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Auf der Suche nach dem schnellen Geld

Am helllichten Tag brechen zwei Slowaken in Einfamilienhäuser ein. Gehören sie einer Bande an?

Von Jürgen Müller
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Mit Sturmhaube und Brecheisen, wie auf diesem nachgestellten Foto, sind die Täter bei einem ihrer Einbrüche vorgegangen. Um keine Fußspuren zu hinterlassen, hatten sie sich Strümpfe über die Schuhe gezogen. Geschnappt wurden sie trotzdem.
Mit Sturmhaube und Brecheisen, wie auf diesem nachgestellten Foto, sind die Täter bei einem ihrer Einbrüche vorgegangen. Um keine Fußspuren zu hinterlassen, hatten sie sich Strümpfe über die Schuhe gezogen. Geschnappt wurden sie trotzdem. © Robert Schlesinger/dpa

Klipphausen/Dresden. Das muss ein Schock für die Klipphausener Familie gewesen sein, als sie an jenem Novembertag vorigen Jahres nach Hause kam. An ihrem Eigenheim war eine Fensterscheibe engeschlagen worden. Sämtliche Schränke wurden geöffnet und durchwühlt. Die Einbrecher ließen mitgehen, was nicht niet- und nagelfest war und was sie irgendwie zu Geld machen konnten. 

Elfenbeinschmuck, ein Fernglas, eine Kassette mit abgelaufenen Ausweisen und drei Sparbüchern mit einem Guthaben von rund 1.600 Euro, eine Geldbörse mit einigen Dollarnoten, Silberschmuck, ein Schlüsselbund, auch mit Autoschlüsseln, und ein Glas mit etwa 50 Münzen von 50 Cent bis zwei Euro. Außerdem hinterließen die Täter einen Sachschaden von rund 800 Euro. 

Am helllichten Tag zwischen 12 und 13 Uhr hatten die Einbrecher zugeschlagen. Erst klingelten sie mehrfach an der Tür, um sich zu vergewissern, dass auch niemand zu Hause ist. Danach schlug einer der Täter mit einem Stein eine Fensterscheibe ein und gelangte so ins Haus, während der andere im Auto wartete und aufpasste, dass niemand kommt.

Kommissar Zufall hilft

Die Tat wäre wohl nie aufgeklärt worden, wenn die gleichen Täter nicht am nächsten Tag erneut in ein Haus eingebrochen wären, diesmal in Hohenstein-Ernstthal. Hier haben sie Sturmhauben auf und schlagen das Fenster der Terrassentür mit einem Brecheisen ein. Auch dieser Einbruch passiert am Tag, zwischen 9 und 13 Uhr. Hier ist die Beute mit einem Tablet, 20 Schmuckketten, zwei Uhren und weiterem Schmuck noch erheblich höher.

Dass die Einbrecher geschnappt werden konnten, ist Kommissar Zufall zu verdanken. Denn die beiden 27 und 33 Jahre alten Slowaken geraten kurz vor der Grenze in eine Routinekontrolle. Es gibt wohl Probleme mit den Papieren, die Polizei durchsucht das Auto. Und findet Gegenstände, deren Herkunft die beiden Männer M. und S. nicht erklären können. Beide kommen in Gewahrsam, ein Richter erlässt Haftbefehl. 

Während dieser gegen S. im Februar gegen eine Kaution von 1.000 Euro außer Vollzug gesetzt wird, sitzt M. weiter in Untersuchungshaft. Am Montag saßen die beiden vor dem Amtsgericht Dresden. Klar ist von Anfang an, dass M. der Drahtzieher ist. Er war es, der auf die Idee kam, zum Klauen nach Deutschland zu fahren. Der Mann, der in der Slowakei und auch in Österreich schon mehrfach vorbestraft ist und auch mehrfach im Gefängnis war, nimmt seine Freundin mit. Auf deren Kosten lebt er schon lange nach dem Motto „Hauptsache gesund und die Frau hat Arbeit.“ 

Weil er keinen Führerschein besitzt, bittet er einen Kumpel, den er erst kurz vorher kennengelernt hat, die beiden zu fahren. Schließlich mieten sich alle drei in einem Hotel in Marienberg ein. Man gönnt sich ja sonst nichts. Von dort aus starten sie ihre Diebestouren. Die Freundin von M. will von alledem nichtsgewusst haben. Sie wurde vor den Taten abgesetzt, erzählen sie dem Richter.

Nach Klipphausen, rund 90 Kilometer von Marienberg entfernt, wollen sie durch Zufall gekommen sein, ebenso am nächsten Tag nach Hohenstein-Ernstthal. Beide Orte haben mindestens eine Gemeinsamkeit: Sie liegen nahe an der Autobahn, es gibt also ideale Fluchtmöglichkeiten.

Beide wollten das schnelle Geld. Seine Freundin habe die Möglichkeit gehabt, in der Schweiz zu arbeiten, sagt M., deshalb habe er „Startkapital“ gebraucht. Und wohl auch Geld für Drogen, die er seit zehn Jahren nimmt. Auch S. ist immer knapp bei Kasse. Im Gegensatz zu M. ist er nicht vorbestraft und geht auch einer Arbeit nach. „Durch die Aussicht auf schnelles Geld habe ich mitgemacht“, lässt er die Dolmetscherin übersetzen. Die Beute sollte verkauft und das Geld aufgeteilt werden, geben die beiden zu.

Hotel von geklautem Geld bezahlt

Nach dem ersten Einbruch in Klipphausen habe man mit den Münzen die Hotelrechnung von 180 Euro bezahlt. Von dem restlichen Geld habe man für 50 Euro getankt und außerdem Sturmmasken und ein Brecheisen gekauft. Dann seien immer noch 100 Euro übriggewesen, sagt M. Das kann nicht stimmen. Selbst wenn alle 50 Münzen Zwei-Euro-Stücke gewesen wären, sind das lediglich 100 Euro. 

Stammt das Geld also aus anderen Einbrüchen, die hier gar nicht angeklagt sind? Und stimmt die ganze Geschichte überhaupt? Oder sind die beiden Mitglieder einer Bande, wie das Gericht vermutet? Manches spricht dafür. Das geliehene Auto zum Beispiel, das nicht eingezogen werden kann. Das Billig-Handy mit Prepaid-Karte, das S. mitführt und das nicht zugeordnet werden kann. 

Und wieso kann sich ein Arbeitsloser, der auch keine Unterstützung erhält, so einfach eine Reise nach Deutschland leisten, ein Auto mieten, einen Fahrer bezahlen? Und wurde die Freundin wirklich vor den Taten abgesetzt und war ahnungslos, oder ist das eine Schutzbehauptung, weil man ansonsten im Bereich des Bandendiebstahls wäre? Nachzuweisen ist das bandenmäßige Vorgehen den beiden aber nicht. Sie zeigen sich reuig und geläutert. Es tue ihm leid, dass er seinen Kumpel da mit reingezogen habe, sagt M.

Das gestohlene Bargeld haben die Täter verbraucht, die Ausweise und die Sparbücher weggeschmissen. Alle anderen Gegenstände aber konnten den Eigentümern zurückgegeben werden. Das und ihre Geständigkeit kommt den beiden Slowaken jetzt zugute. Vor allem der nicht vorbestrafte S. kommt mit einer Haftstrafe von zwei Jahren davon, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. 

Der Deutschland-Aufenthalt von M. hingegen verlängert sich um eine ganze Weile. Er wird zu einer unbedingten Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er ist nicht nur der Haupttäter mit langer krimineller Karriere, sondern auch zweifacher „Bewährungsversager“, wie es der Richter nennt. Der Haftbefehl wird aufrechterhalten, M. bleibt also im Gefängnis. 

Damit sind die beiden noch gut bedient, Wohnungseinbruchsdiebstahl gilt als Verbrechen, die Mindeststrafe pro Tat beträgt also ein Jahr. Ohne ihre Geständnisse wären sie wohl nahe einer Haftstrafe von vier Jahren gelandet, macht der Richter deutlich. Vier Jahre ist die höchste Strafe, die ein Schöffengericht am Amtsgericht verhängen kann.

Die Familien aus Klipphausen und Hohenstein-Ernstthal hingegen haben lebenslänglich bekommen. Ein solches Ereignis werden sie wohl nie vergessen.