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Warum der Gasthof Börnchen ein Auslaufmodell ist

Die Gäste kommen gern, aber der Wirt arbeitet mit wenig Personal und steigenden Preisen am Limit. Einen Kampf hat er schon aufgegeben.

Von Gabriele Fleischer
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Gemeinsam stemmen sie das Geschäft im Gasthof Börnchen noch: Wirt Uwe Geißler (l.) und sein Koch Castern Kaiser.
Gemeinsam stemmen sie das Geschäft im Gasthof Börnchen noch: Wirt Uwe Geißler (l.) und sein Koch Castern Kaiser. © Daniel Schäfer

Es ist kurz vor 17 Uhr. Uwe Geißler, der Wirt vom Gasthof Börnchen, erwartet gleich Gäste. Auch wenn er trotz verkürzter Öffnungszeiten heute regulär seine Türen aufmacht, steht im Schaukasten ein Schild: Geschlossene Gesellschaft.

Aus gutem Grund, wie er sagt. Er sei allein im Service und hätte einen Koch zur Seite. "Aber heute ist Hochbetrieb. Er erwartet die Skatrunde und die Tanzschule Richter, die den Saal für einen Kurs gemietet hat. Zwar helfe ihm seine Frau ab und zu, aber die hat als Verkäuferin auch voll zu tun.

Noch ist Wetter für den Biergarten . Aber den kann er an dem Abend nicht aufmachen. "Das schaffe ich nicht", sagt Geißler. Ein Ehepaar nimmt fürs Abendbrot im Gastraum Platz, auch ohne Skat und Tanz. Aber sie hätten angerufen, sagt Geißler. Das empfiehlt er übrigens allen, die bei ihm speisen wollen.

Herzliche Worte für ein Traditionshaus

Auch Birgit und Olaf Georgi haben das getan. Sie sind Stammgäste und kommen gern aus dem benachbarten Oelsa nach Börnchen. Das nicht nur, weil der Gasthof in ihrem Wohnort längst geschlossen hat.

"Hier schmeckt es einfach gut und die familiäre Atmosphäre ist toll, sagt Birgit Georgi und verrät noch, dass sie 2017 hier geheiratet haben - mit mehr als 80 Gästen. Uwe Geißler hätte für eine Feier gesorgt, die keiner vergessen wird.


Noch haben sie gut lachen: Birgit und Olaf Georgi (r.) kommen gern in den Gasthof Börnchen. Mit dem Wirt Uwe Geißler haben sie nicht erst seit der Hochzeit vor fünf Jahren ein herzliches Verhältnis.
Noch haben sie gut lachen: Birgit und Olaf Georgi (r.) kommen gern in den Gasthof Börnchen. Mit dem Wirt Uwe Geißler haben sie nicht erst seit der Hochzeit vor fünf Jahren ein herzliches Verhältnis. © Daniel Schäfer

Vielleicht ist das Verhältnis des Ehepaares zum Wirt auch deshalb so herzlich. Tatsächlich findet man in den Bewertungen nur Lob. "Super leckeres Essen, Spitzen-Preise und ein sehr humorvoll-sympathischer Wirt. Also rundum perfekt. Ich genieße jeden Besuch hier und sage danke, dass es euch gibt", heißt es in einer Beurteilung. Andere Nutzer schreiben Ähnliches.

Nachwuchssuche hat der Wirt aufgegeben

Natürlich hätte er mit Carsten Kaiser auch einen Spitzenmann in der Küche, sagt Uwe Geißler. Seit drei Jahren kocht er im Gasthof Börnchen und liebt seinen Beruf, wie er sagt. Dass hier irgendwann die Lichter ausgehen, mag er sich gar nicht vorstellen.

Schon vor längerer Zeit hat Geißler die Öffnungszeiten reduziert. Mittwoch, Donnerstag ist geschlossen, Dienstag auf Anfrage, sonst wochentags 17 bis 23 Uhr, Sonnabend, Sonntag und Feiertag 11.30 bis 15 Uhr.

Denn trotz des großen Zuspruchs steht die 1913 begonnene Familientradition vor dem Aus. "Nächstes Jahr werde ich 65. Dann hänge ich vielleicht noch zwei Jahre an, bis meine Frau in Rente geht. Nach dann fast 35 Jahren ist definitiv Schluss", sagt Geißler. Die Kraft lasse nach, auch wenn manchmal eine einstige Mitarbeiterin und eben seine Frau aushelfen würden. Das reicht nicht, um alle Wünsche zu erfüllen.

Um Nachwuchs kümmert er sich gar nicht mehr. "Das habe ich jahrelang versucht, aber ohne Erfolg." Die meisten, die bei ihm waren, hätten keine Ausdauer gehabt oder die unregelmäßigen Zeiten und langen Abende nicht in ihre Lebensplanung gepasst. Und die eigenen Kinder? Die seien längst ihren Berufsweg gegangen. Den Gasthof zu übernehmen, das sei deshalb kein Thema für sie, sagt Geißler.

Berufsverband fordert mehr Anerkennung

Auch wenn das Nachwuchsproblem ihn und vieler seiner Berufskollegen schon lange drückt, hat die Corona-Pandemie noch den Rest gegeben. An die zehn Monate hätte er in dieser Zeit schließen müssen, sagt er. "Zum Glück erhielt ich Unterstützung beim Kurzarbeitergeld, sonst hätte ich meinen Koch wahrscheinlich nicht halten können."

Ob es einen Nachfolger geben wird, weiß Geißler nicht. Klar für ihn sei indes, dass er das Haus verkauft: "Vielleicht entstehen hier dann auch ein Altenheim oder Wohnungen."

Keine gute Perspektive ist das für Axel Klein, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Sachsen. Er möchte natürlich so viele Gasthöfe wie möglich erhalten, gerade im ländlichen Raum. Aber zu Buche stehe ein sachsenweites Gaststättensterben von jährlich drei bis fünf Prozent.

Genau wie Uwe Geißler fordert er mehr Anerkennung für die Branche. "Die Leute müssen begreifen, dass auch bei uns die Preise steigen, weil wir Mitarbeiter ordentlich bezahlen und zum Teil um fast 100 Prozent teurer einkaufen müssen als noch vor ein paar Jahren", sagt der Wirt aus Börnchen. Dazu kämen steigende Energiekosten. Zum Glück stehe noch der Kachelofen in der Gaststube. Kohlen für den Winter sind bereits geordert.

Steigende Preise erschweren die Planung

Hohe Preise bei Gas, Energie, Lebensmittel - das alles würde zudem die Planungen erschweren. Noch weiß Geißler nicht, was auf ihn zukommt. Eine Feier zum nächsten Silvester kann er derzeit nicht planen. Zu unsicher sei das für ihn, sagt der Wirt. Vielleicht noch kurzfristig, er weiß es nicht.

Trotzdem hofft Dehoga-Geschäftsführer Klein auf eine Lösung auch für den Gasthof Börnchen. Der Verband versuche nicht nur die Ausbildungsinhalte der Gastroberufe zu modernisieren und die jungen Leute besser auf die Digitalisierung vorzubereiten, sondern hat bereits die Ausbildungsvergütung verbessert.

Nachdem die im April um 60 Euro erhöht wurde, sei sie zum August noch einmal um 60 Euro gestiegen. Nächstes Jahr werde es einen weiteren Aufschlag geben, so Klein. "Wir müssen aber auch die Bürokratie abbauen. Ständig neue Verordnungen bringen die Gastwirte nicht weiter."

Im Gasthof Börnchen ist inzwischen Dirk Massi eingetroffen. Er kommt seit einem Jahr regelmäßig aus Dippoldiswalde, um im Skatklub mitzumischen. Er mag diese Abwechslung. Die Karten für die Zukunft lesen kann aber auch er nicht.