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Einkaufen in Bautzen: Stirbt die Karl-Marx-Straße aus?

Das Ladensterben in Bautzens Innenstadt schreitet voran. In der Karl-Marx-Straße haben binnen weniger Wochen drei Läden dichtgemacht. Doch es gibt auch Hoffnung.

Von Juliane Just
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Das Fachgeschäft für E-Zigaretten ist bereits der dritte Laden, der in diesem Sommer auf der Karl-Marx-Straße schließt. Gibt es noch Hoffnung für Bautzens Innenstadt?
Das Fachgeschäft für E-Zigaretten ist bereits der dritte Laden, der in diesem Sommer auf der Karl-Marx-Straße schließt. Gibt es noch Hoffnung für Bautzens Innenstadt? © Steffen Unger

Bautzen. "Alles muss raus" ist in großen Lettern zu lesen. Ein weiterer Laden in der Bautzener Karl-Marx-Straße, das Fachgeschäft für E-Zigaretten, gibt auf. "Ich habe hier jeden Morgen die Tür aufgeschlossen, fünf Jahre lang. Es ist traurig", sagt die Angestellte Christina Mitschke. Die Einkaufsmeile im Herzen Bautzens sei meistens belebt - und doch sterbe sie langsam aus. "Es ist schade für die Stadt", sagt Christine Mitschke.

Nur noch wenige Tage bleibt das Geschäft geöffnet. Es ist bereits der dritte Laden, der in diesem Sommer auf der Karl-Marx-Straße schließt. Zuvor haben das Früchtehaus Funke und der Bioladen Herbarium dichtgemacht.

Doch es gibt auch einen Hoffnungsschimmer: In diesen Tagen hat ein neues Geschäft in der Karl-Marx-Straße eröffnet. Juliette Henkel hat sich ein Herz gefasst und ist mit dem Secondhandladen "Lockstoff" zwischen dem Bekleidungsgeschäft TK Moden und dem Optiker Klockau eingezogen. Die gebürtige Görlitzerin hat 30 Jahre im Westen Deutschlands gewohnt, letztes Jahr habe sie das Heimatweh zurück zu ihren Wurzeln geführt.

Blusen, Kleider, Shirts, Pullover und Hosen hängen nun in ihrem neuen Geschäft, Accessoires und Taschen hat sie schön drapiert in dem liebevoll eingerichteten Laden. Auch Kinderkleidung findet in einem zweiten Raum Platz. Seit Jahren beschäftigt sich Juliette Henkel privat mit Secondhandmode - und will nun auch andere dafür begeistern.

Juliette Henkel hat jetzt in der Karl-Marx-Straße einen Secondhandladen eröffnet und bietet dort gebrauchte Marken-Bekleidung zu niedrigeren Preisen an. "Bautzen ist so eine schöne Stadt. Wir sollten sie erhalten", sagt sie zu ihren Beweggründen.
Juliette Henkel hat jetzt in der Karl-Marx-Straße einen Secondhandladen eröffnet und bietet dort gebrauchte Marken-Bekleidung zu niedrigeren Preisen an. "Bautzen ist so eine schöne Stadt. Wir sollten sie erhalten", sagt sie zu ihren Beweggründen. © Steffen Unger

"Viele Menschen hier in der Region sind auf Nachhaltigkeit gepolt. Die Verschwendung in der Mode-Industrie ist doch Wahnsinn", sagt die 42-Jährige. Dabei will sie auch bewusst dem Klischee vom verstaubten Secondhandladen mit Bergen von abgetragenen Klamotten und muffigem Geruch entgegenwirken. "Ich habe mich auf Marken-Kleidung fokussiert", sagt sie. Vielen Menschen fehle das Geld dafür, oder sie seien eben nicht bereit, 130 Euro für eine Hose auszugeben.

Dass sie entgegen dem allgemeinen Ladensterben ein neues Geschäft eröffnet, sei eine bewusste Entscheidung. "Bautzen ist so eine schöne Stadt. Wir sollten sie erhalten", sagt Juliette Henkel zu ihren Beweggründen.

Innenstadtverein: Händler kämpfen an drei Fronten

Drei Läden schließen, einer öffnet - keine gute Bilanz für Bautzens Innenstadt. "Es ist ein stetiges Kommen und Gehen - nicht nur in der Karl-Marx-Straße, sondern auch im Kornmarkt-Center", sagt René Meißner, Vorsitzender des Innenstadtvereins. Im größten Einkaufszentrum der Stadt stehen derzeit sieben Läden leer. Die Kornmarkt-Passage, die zur Karl-Marx-Straße hinführt, besteht fast nur noch aus leeren Glasfassaden.

Es sei ein "Drei-Fronten-Krieg" für die Händler, sagt Meißner. Große Einzelhandelsketten würden die kleinen, privat geführten Betriebe in der Innenstadt verdrängen. Außerdem treffe der Fachkräftemangel die Branche hart, qualifizierte Mitarbeiter seien nur schwer zu finden. In einigen Geschäften führe das so weit, dass diese in der Urlaubszeit komplett geschlossen werden müssen. Viele Händler würden außerdem keine Nachfolger finden.

Kann das Citymanagement die Innenstadt retten?

Doch auch der Innenstadtverein sieht einen Hoffnungsschimmer: Bautzen soll wieder ein Citymanagement bekommen. Die Stadt hatte bereits einige Jahre eine Citymanagerin, doch 2020 ging das Geld dafür aus. Die Stelle ist eine Schnittstelle zwischen Händlern und Stadt, sie soll etwas gegen den Leerstand tun und Fördermöglichkeiten ausschöpfen. Nun gibt es einen neuen Anlauf, der laut Meißner auch dringend nötig ist: "Eine große Kreisstadt wie Bautzen ohne Citymanagement ist völliger Wahnsinn."

Der neue Bautzener Oberbürgermeister, Karsten Vogt (CDU), der Ende August sein Amt antritt, will sich der Sache annehmen. Die Situation in der Innenstadt sei "besorgniserregend", sagt er. "Viele Händler haben mir von einem Domino-Effekt berichtet. Wenn immer mehr Geschäfte aus der Innenstadt verschwinden, sinkt die Attraktivität generell, und dann kommen auch die Geschäfte, die jetzt noch wirtschaftlich gesund sind, in Schieflage", so Karsten Vogt. Darüber müsse man im Stadtrat reden.

Der Innenstadtverein sieht die schwierige Zeit aber auch als Chance, die neue Perspektiven bringen kann. "Die Stadt muss entscheiden, wie sie sich positionieren will. Wollen wir Seitenstraßen in der Innenstadt aufgeben und eine Hauptflaniermeile entwickeln, oder wollen wir alle Straßen sichern und beleben?" fragt er.