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Endlager für Atommüll im Kreis Bautzen?

Laut einem Zwischenbericht sind auch Teile Sachsens geologisch geeignet. Trifft das auch auf den Kreis Bautzen zu? Das sagt Wolfram Kudla von der TU Freiberg.

Von Anne Semlin
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Wohin mit dem Endlager für Atommüll? Darüber wird deutschlandweit diskutiert. Kommt dafür auch der Landkreis Bautzen infrage?
Wohin mit dem Endlager für Atommüll? Darüber wird deutschlandweit diskutiert. Kommt dafür auch der Landkreis Bautzen infrage? ©  Sebastian Kahnert/dpa

Bautzen. Auf der Suche nach einem Atommüll-Endlager in Deutschland kommen nach Erkenntnissen der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) auch weite Teile Sachsens grundsätzlich geologisch infrage. Das geht aus dem ersten Zwischenbericht der Bundesbehörde hervor, der kürzlich veröffentlicht wurde. 

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Landkreis Bautzen dafür infrage kommt?  Sächsische.de sprach dazu mit Wolfram Kudla, Professor für Erdbau und Spezialtiefbau an der TU Bergakademie Freiberg. Einer seiner Forschungsschwerpunkte sind geotechnische Verschlussbauwerke für Untertagedeponien und Endlager für radioaktive Abfälle. Von 2014 bis 2016 war er Mitglied der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe. 

Herr Kudla, laut dem Zwischenbericht der BGE gelten als Wirtsgesteine für ein mögliches Endlager Steinsalz, Ton- und kristalline Gesteine wie Granit. Was ist aus Ihrer Sicht die beste Wahl?

Ich sehe Steinsalz als die beste Wahl an. Die zweitbeste Wahl ist aus meiner Sicht Tongestein und die drittbeste Wahl ist Kristallingestein. Diese Einschätzung liegt an den guten Eigenschaften des Steinsalzes, da es kriechfähig ist und die Abfallbehälter im Laufe der Zeit umschließt.

Im Landkreis Bautzen finden wir vor allem kristallines Wirtsgestein. Welche Eigenschaften hat dieses Gestein und inwiefern eignet es sich für ein Endlager?

Kristallines Wirtsgestein ist sehr fest. Man kann darin relativ gut Hohlräume auffahren, auch in großer Tiefe. Der Nachteil ist aber, dass es fast immer klüftig ist. Das heißt, es sind Fugen und Spalten da, über die Wasser eintreten kann. Deshalb wäre es in kristallinem Wirtsgestein unbedingt erforderlich, dass ein mehrere 100.000 Jahre dichter Abfallbehälter verwendet wird. Ein solcher Behälter ist aber bisher in Deutschland nicht entwickelt worden.

Wolfram Kudla war von 2014 bis 2016 Mitglied in der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe. Diese hat einen Bericht erarbeitet, aus dem hervorgeht, wie der Prozess der Standortsuche ablaufen und welche geologischen Kriterien angewandt werden s
Wolfram Kudla war von 2014 bis 2016 Mitglied in der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe. Diese hat einen Bericht erarbeitet, aus dem hervorgeht, wie der Prozess der Standortsuche ablaufen und welche geologischen Kriterien angewandt werden s © privat

Das heißt, nach Ihrer Einschätzung ist es wahrscheinlicher, dass das Endlager in einem anderen Gebiet entsteht?

Ich möchte es nicht auf einen Landkreis beschränken. Das Endlager wird wahrscheinlich in einem Salz- oder Tonstein aufgefahren werden. Ich verstehe, dass es Sie in der Region interessiert, ob Bautzen als Standort infrage kommt. Mich interessiert, welches der in Summe beste Standort für Deutschland ist. Ich kann da nicht auf irgendwelche Landesgrenzen schauen. Und ich finde, das sollte noch mehr an die Bevölkerung vermittelt werden.

Warum fallen auf der von der BGE veröffentlichten Karte einige Gebiete wie südlich von Bautzen sowie die Bereiche bei Kamenz und Commerau nach den ersten Untersuchungen bereits heraus?

Das liegt daran, dass in diesen Bereichen Störungen im Kristallin vorhanden sind. Das sind meistens geologische Störungen, die teilweise schon vor Jahrtausenden oder vor Millionen Jahren entstanden sind. Sie sind daher nicht als endlagerfähige Fläche ausgewiesen.

© SZ Grafik

Welche Gebiete halten Sie deutschlandweit für wahrscheinlich?

Die BGE hat momentan 54 Prozent der Fläche Deutschlands in ihrem ersten Zwischenbericht ausgewiesen, die detaillierter betrachtet werden sollen. Es gibt also Bereiche, in denen ich es für wesentlich wahrscheinlicher halte, dass dort ein Endlager hinkommt. Das sind vor allem Bereiche im Salz- und Tongestein. Ich möchte aber keine Landkreise nennen, dazu ist es noch viel zu früh.

Wie wird nun im Prozess der Standortauswahl weiter verfahren? Nach welchen Kriterien wird das Gebiet weiter eingegrenzt?

Die BGE hat ihren Bericht in einer ausführlichen Online-Veranstaltung vorgestellt. Solche Veranstaltungen wären schon vor Jahren in der Diskussion um Gorleben notwendig gewesen. Auch den Bericht der BGE finde ich sehr gut, auch wenn man nicht mit jedem Ergebnis einverstanden sein muss. Aber allein, dass es so einen Bericht gibt und dass darüber umfassend diskutiert wird, ist gesellschaftlich von großer Bedeutung. Es wird im Februar, April und Juni weitere Veranstaltungen geben, in denen dieser Bericht weiter diskutiert wird. Ich hoffe, dass sich viele aus der Bevölkerung an dieser Diskussion beteiligen, damit wir auf diese Weise tatsächlich zu einem Standort kommen, der in der Bevölkerung relativ weit akzeptiert wird.

Wie lang wird der ganze Prozess Ihrer Einschätzung nach noch dauern?

Die BGE will bis etwa 2031 einen Bericht vorlegen, aus dem der endgültige Standort hervorgeht. Ich habe große Zweifel, ob das bis dahin zu schaffen ist. Ich rechne unter Umständen damit, dass es zehn bis 30 Jahre länger dauern wird.

Am 4. November ab 20 Uhr beantworten die Experten der BGE in einer Onlinesprechstunde Fragen zum Teilgebiet, zu dem der Landkreis Bautzen gehört. Die Fragen können während des Livestreams direkt über die Chatfunktion bei YouTube oder vorab unter Angabe der Teilgebiete-Kennung (009_00TG_194_00IG_K_g_SO) per Mail an [email protected] gestellt werden.

Informationen zur Endlager-Suche und zu den Teilgebieten unter www.bge.de

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