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So arbeitet der erste Motivator fürs Sorbische

Lucian Kaulfürst soll in der Gemeinde Malschwitz die sorbische Sprache und Kultur fördern. Welche Überraschungen er dabei schon erlebt hat und was er plant.

Von Uwe Menschner
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Lucian Kaulfürst aus Bautzen arbeitet in Malschwitz als Motivator für sorbische Sprache und Kultur und hat dafür Räume in einem Haus am Preititzer Gutshof bezogen.
Lucian Kaulfürst aus Bautzen arbeitet in Malschwitz als Motivator für sorbische Sprache und Kultur und hat dafür Räume in einem Haus am Preititzer Gutshof bezogen. © Uwe Menschner

Malschwitz. Der Begriff Truhentracht umschreibt recht gut, wie es in Malschwitz und den meisten Nachbargemeinden um die sorbische Sprache und Kultur bestellt ist. Sie existieren noch, doch im Alltag bleiben sie oft versteckt hinter Schloss und Riegel. Im Jahr 1880 waren 95 Prozent der Einwohner von Malschwitz Sorben. Diese Zahl ermittelte damals der Sprachforscher Ernst Mucke.

Heute ist die sorbische Sprache in dieser Gemeinde - wie in so vielen Gemeinden im Landkreis Bautzen - im öffentlichen Leben kaum noch zu vernehmen. Es ist wie mit den in der Truhe verwahrten Gewändern: Man weiß um ihre Kostbarkeit, und doch zieht sie niemand mehr an. Doch ist das Interesse an der sorbischen Kultur und an der Sprache, die einst den meisten Malschwitzern Muttersprache war, nicht erloschen.

Die Sprachkurse sind voll besetzt

„Meine Sprachkurse sind voll besetzt, die Leute kommen aus der Gemeinde Malschwitz, aber auch aus Kubschütz und Klix“, berichtet Lucian Kaulfürst. Der Bautzener arbeitet als Motivator für sorbische Sprache und Kultur und hat dafür Räume in einem Haus am Preititzer Gutshof bezogen. Schon in wenigen Tagen soll ein Schild darauf hinweisen, dass sich hier das „Sorbische Projektbüro Malschwitz“ befindet.

„Das Büro in Malschwitz ist das erste seiner Art, weitere sollen in anderen Gemeinden des sorbischen Siedlungsgebietes folgen“, erklärt Marcel Braumann, Pressesprecher der Domowina, des Bundes Lausitzer Sorben. Doch warum ausgerechnet in der Gemeinde Malschwitz? „Hier sind die Voraussetzungen günstiger als in anderen Gemeinden“, sagt Lucian Kaulfürst, und die Worte sprudeln nur so aus ihm heraus, wenn er über seine Arbeit spricht. Kein Zweifel - der junge Sorbe hat hier eine Tätigkeit gefunden, die für ihn nicht nur einen Beruf, sondern eine Berufung darstellt.

Angst vor Antipathie erweist sich als unbegründet

Er erzählt: „Die Malschwitzer Kindertagesstätte arbeitet nach dem Witaj-Prinzip, das Kinder auch aus deutschen Familien an die sorbische Sprache heranführt. Hier existiert eine aktive Ortsgruppe der Domowina. Und es gibt Familien, in denen sorbisch geredet wird. Darauf kann ich aufbauen.“ Lucian Kaulfürst, der als Motivator für die sorbische Sprache und Kultur bei der Domowina angestellt ist, will dieser Bezeichnung allumfassend gerecht werden: „Beides – Sprache und Kultur – ist immens wichtig“, betont er. Und so bemüht er sich, auch im Laufe der Jahrzehnte verschwundene Traditionen wieder ins Leben zurück zu rufen.

Doch wie stellt er das als zunächst noch Fremder an? „Indem ich auf die Menschen zugehe. Ich bin tatsächlich durch 30 Dörfer gefahren und habe auf der Straße Passanten angesprochen. Habe sie gefragt, ob sie jemanden kennen, der noch sorbisch spricht.“ Ein wenig gemischte Gefühle habe er dabei am Anfang schon gehabt und auch „mit Antipathie gerechnet“, bekennt Lucian Kaulfürst. Doch die, so kann er heute berichten, „gab es gar nicht.“

Kaffeerunde für ältere Menschen organisiert

Stattdessen hat sein Auftreten in manchem Dorf dazu geführt, dass mehrere Leute neugierig zusammen liefen und sich gegenseitig fragten: Kennst du jemanden, der sorbisch spricht? Und so verschaffte er sich einen Überblick und kam zu der ermutigenden Erkenntnis: „Ich muss nicht bei null anfangen.“ Mittlerweile ist es Lucian Kaulfürst auch gelungen, eine Kaffeerunde für ältere sorbisch sprechende Menschen zu initiieren, aus der sich eine Art Stammtisch entwickeln könnte.

Doch dies stellt nur einen der hoffnungsvollen Ansätze dar, die zeigen dass seine Arbeit bereits Früchte trägt: „Erstmals seit 30 Jahren hat in Malschwitz wieder ein sorbisches Herbstkonzert stattgefunden“, freut sich Lucian Kaulfürst. Ein sorbischer Kochkurs fand große Resonanz. Das Maibaumwerfen wieder zu beleben, ist sein großes Ziel. Als ausgebildeter Musiktherapeut verfügt er über beste Voraussetzungen, auf musikalische Weise Zugänge zur sorbischen Kultur zu schaffen.

Der Sprachmotivator beschäftigt sich auch intensiv mit der Frage, warum in den evangelisch geprägten Landstrichen, anders als in der sorbisch-katholischen Region, das sorbische Leben weitgehend aus dem Alltag verschwunden ist. Er, der selbst im katholischen Milieu aufgewachsen ist, hat in diesem „einen festen Zusammenhalt, der auch gegen Widerstände den Erhalt des Sprachgebrauchs und der Traditionen ermöglichte“, erlebt.

Im Norden des Altkreises Bautzen - mit Ausnahme der sorbisch-katholischen „Insel“ Radibor - hingegen „ist beides weitgehend verloren gegangen.“ Die Sorben hätten immer unter einem Druck gestanden, sich vor der deutschen Mehrheit zu rechtfertigen. Insgesamt sei das soziale Gefüge viel lockerer als im katholischen Gebiet, hat Lucian Kaulfürst festgestellt. Er setzt stark auf die Fähigkeit der älteren Leute, den jüngeren Generationen die traditionellen Werte wieder nahezubringen. Dann kommt vielleicht der Tag, an dem die Trachten wieder aus der Truhe geholt werden.