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Nahe der A4 bei Göda: Schwarzwasser ist zurück im alten Flussbett

Zu DDR-Zeiten begradigt, darf sich der Fluss in der Gemeinde Göda nun wieder durch die Landschaft schlängeln. Zwei Millionen Euro fließen in das Projekt.

Von Miriam Schönbach
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Bei Franka Lippert, Projektleiterin Landschaftsbau bei der Autobahn GmbH, laufen die Fäden zur Renaturierung des Hoyerswerdaer Schwarzwassers nahe der A4 in der Gemeinde Göda zusammen.
Bei Franka Lippert, Projektleiterin Landschaftsbau bei der Autobahn GmbH, laufen die Fäden zur Renaturierung des Hoyerswerdaer Schwarzwassers nahe der A4 in der Gemeinde Göda zusammen. © Steffen Unger

Prischwitz. Bis zur kleinen Brücke gleich am Ortsausgang von Prischwitz zieht sich das Hoyerswerdaer Schwarzwasser fast schweigend und wie mit dem Lineal gezogen durch die Landschaft. Hinter dem schlichten Übergang aus Beton schlängelt sich der Fluss wieder lieblich. Links und rechts davon liegen im Schnee große, grüne Rohre, die Baustraße führt über das Feld. Aktuell werden die Zäune für eine Schutzhecke gebaut. Die Arbeiten zur naturnahen Umgestaltung des Schwarzwassers sind auf der Zielgeraden. „Heute Morgen haben wir hier schon einen Eisvogel beobachtet“, sagt Landschaftsbau-Projektleiterin Franka Lippert von der Autobahn GmbH.

Baustart für das ungewöhnliche Projekt der bundesweiten Autobahngesellschaft in der Gemeinde Göda war im April 2023. Das Unternehmen kümmert sich um neue Autobahninfrastruktur – und so führt auch der Weg ans Hoyerswerdaer Schwarzwasser. Der Verkehr auf der A4 macht sich hier mit einem Rauschen bemerkbar. Mitte der 1990er-Jahre wurde der Abschnitt zwischen Uhyst und Bautzen-Ost neu gebaut.

Das Hoyerswerder Schwarzwasser schlängelt sich wieder zwischen Prischwitz und Muschelwitz durch die Landschaft.
Das Hoyerswerder Schwarzwasser schlängelt sich wieder zwischen Prischwitz und Muschelwitz durch die Landschaft. © Steffen Unger

Schon bei den damaligen Planungen wurden Ausgleichsmaßnahmen beschlossen. „Der Bau einer Autobahn ist immer ein Eingriff in Natur und Landschaft, der kompensiert werden muss. Deshalb stehen wir jetzt hier“, sagt die Landschaftsarchitektin. Ein erster Teil der neuen Biotopverbundstruktur – so die fachliche Bezeichnung – wurde bereits 1998 im Bereich des Hoyerswerdaer Schwarzwassers mit dem Langen Wasser und dem Zischkowitzer Wasser von der Fehrmannmühle unterhalb des Dorfes Coblenz bis zur Ortslage Prischwitz wiederhergestellt.

Schwarzwasser wurde in den 1970er-Jahren begradigt

Teil 2 der Ausgleichsmaßnahme zog sich dagegen etwas länger hin. „Viel Zeit haben die hydraulischen Berechnungen gebraucht. Wir mussten im Vorfeld einen Nachweis erbringen, dass nach unserer Baumaßnahme das Hochwasser nicht höher wird als bisher“, sagt Franka Lippert. Die Autobahn GmbH, die zum 1. Januar 2021 gegründet wurde, hat das Zwei-Millionen-Projekt quasi vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr geerbt.

Franka Lippert stapft durch den Schnee. Das Plätschern des Flusses ist hier zurück. An manchen Stellen fließt er zügig, anderenorts verlangsamt er sich wieder. Diese unterschiedlichen Lebensräume lieben zum Beispiel Fische.

Eingezwängt in eine Gerade wurde das Schwarzwasser in den 1970er-Jahren. „Damals wurden Flüsse mit Betonsteinen ausgebaut. Der Hintergrund war, Land für landwirtschaftliche Zwecke nutzbar zu machen“, sagt die Projektverantwortliche. Später habe man erkannt, dass diese Gewässerbegradigungen aus ökologischer Sicht und aus Sicht des Hochwasserschutzes nicht schlau gewesen sind. Auch der Spree wurde im Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft inzwischen ihr altes Bett zurückgegeben.

Neue Flussschleifen und eine Auenlandschaft entstanden

Mit dem Rückbau des begradigten Hoyerswerdaer Schwarzwassers auf gut eineinhalb Kilometern wurden die Firma Stowasserplan aus Radebeul und weitere regionale Baufirmen beauftragt. Eingebunden sind Landestalsperrenverwaltung und Untere Naturschutzbehörde. „Aufgabe war es, den ursprünglichen Gewässerverlauf wiederherzustellen und eine naturnahe Weichholzaue mit Feuchtwiesen zu entwickeln. Wir haben hier quasi im Trockenen gebaggert und diesen Fluss-Bereich Prischwitz-Muschelwitz im August ins alte Bett verlegt“, sagt Franka Lippert.

Für diese Wiederherstellung der Alt-Mäander wird jedoch viel Platz benötigt, der in den anderen Teilabschnitten bis Dreikretscham aufgrund von Eigentumsverhältnissen nicht vorhanden war. Dort wurden zum Beispiel einzelne Flussschleifen gebaggert und dann an den begradigten Fluss zurückgeführt, sodass auch wieder mehr Bewegung für das Wasser möglich ist.

Alltagsgeschäft ist eine solche Gewässerrenaturierung nicht für die Autobahn GmbH. Gängig sind Aufforstungen, das Anlegen von Streuobstwiesen oder neue Baumpflanzungen an Feldwegen. „Diese Maßnahme ist nicht nur baulich groß, sondern auch vom Auftragsvolumen“, sagt Franka Lippert.

Bagger bekommt Besuch vom Storch

Die Landschaftsarchitektin schaut Richtung Muschelwitz. Im neuangelegten Auenbereich wartet eine hochbeinige Nisthilfe auf die Rückkehr der Störche. In deren Nachbarschaft recken sich nun ein paar Kopfweiden in die Höhe. Dort verlief der mittlerweile zugeschüttete Flusslauf aus den 1970er-Jahren. „Während wir hier gearbeitet haben, haben die Störche gebrütet. Am liebsten standen sie direkt neben dem Bagger. Zwei Jungen waren auch da“, sagt Franka Lippert und zeigt auf eine Reihe Sträucher. Es sind sogenannte Hinterpflanzungen für Totfaschinen – oder einfacher gebündeltes Holz. Auch sie dienen der neuen Lenkung des Flusses.

Am Hoyerswerdaer Schwarzwasser heißt es jetzt Endspurt. „Wenn es vor Weihnachten frostfrei wird, pflanzen wir noch die Hecke. Anfang des Jahres soll der Bau fertig sein“, sagt die Projektverantwortliche. Abgeschlossen ist die Maßnahme für sie dann noch nicht. Erst ein Jahr nach Fertigstellung findet die Abnahme der Pflanzungen statt, daran schließen sich zwei Jahre Entwicklungspflege an. „Dann übergebe ich an meine Kollegen aus der Unterhaltung, die dafür zuständig sind, dass sich die Flächen so entwickeln wie geplant“, sagt Franka Lippert - zu einer Auenlandschaft für Eisvogel und Co.