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Mit 80 noch Übungsleiterin: „Der Sport hat mir immer viel gegeben“

Seit den 1960ern hat sich Theresia Richter der Gymnastik verschrieben. Lange Zeit als Vereinsvorsitzende, bis heute als Übungsleiterin. Jetzt feiert die Bautzenerin ihren 80. Geburtstag.

Von Anne Semlin
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Jeden Mittwoch trainiert Theresia Richter ihre Frauengruppe des Aerobic-Club 90 Bautzen. Den Sport betreibt sie schon seit rund 60 Jahren.
Jeden Mittwoch trainiert Theresia Richter ihre Frauengruppe des Aerobic-Club 90 Bautzen. Den Sport betreibt sie schon seit rund 60 Jahren. © Steffen Unger

Bautzen. „Eigentlich wollte ich den Geburtstag nicht groß feiern“, sagt Theresia Richter, „es ist doch am Ende nur eine Zahl.“ Um Glückwünsche und Geschenke wird die Bautzenerin am 16. März 2024 allerdings wohl nicht herumkommen. Zu bekannt ist die Jubilarin in der Stadt – durch das Geschäft „Bad-Richter“ auf der Äußeren Lauenstraße, das sie lange mit ihrem Mann führte, und durch den Sport.

Bis heute ist sie Übungsleiterin einer Sportgruppe des Aerobic-Club 90 Bautzen. „Mittwochs geht’s immer zum Sport, das wissen schon alle, dass ich da nicht erreichbar bin“, sagt die 79-Jährige. Bis 2007 war sie Vorsitzende des Vereins – 28 Jahre lang. In den 1960ern ist sie zufällig zu dem Sport gekommen, dem sie bis heute treu geblieben ist.

Als Vertriebene kam Theresia Richter 1948 mit ihren Eltern aus einem deutschen Gebiet in Ungarn nach Bautzen. Bei ihrer Arbeit im Waggonbau nimmt eine Kollegin sie mit zur Sektion Gymnastik der Sportgemeinschaft Motor Bautzen. Schnell findet sie Gefallen an der Sportart.

Mit Schallplatten erste Aerobic-Choreografien eingeübt

Sport spielte auch vorher schon eine Rolle in ihrem Leben: Ihr Vater war mehrfacher Vize-DDR-Meister im Bowling-Kegeln, der Bruder spielte Fußball, sie selbst war in ihrer Jugend beim Geräteturnen. „Und wir waren ja als Kinder einfach viel draußen.“

Für die Gymnastik macht sie Mitte der 1970er-Jahre die Ausbildung zur Übungsleiterin. Einige Jahre später, in den 1980ern, wird aus der Gymnastik die Popgymnastik mit Musik, die man außerhalb der DDR auch als Aerobic kennt. „Unsere Westberliner Freunde kannten das schon, und so habe ich davon erfahren.“

Mit Schallplatten, auf denen das Übungsprogramm aufgesprochen ist, übt sie im heimischen Wohnzimmer Choreografien ein. „Vorher haben wir ja steif geturnt, ohne Musik.“ Das Neue kommt gut an, besonders bei der Kindersportgruppe, die zu jener Zeit noch Teil des Vereins ist. Nach der Wende bleiben die Popgymnastik-Frauen zusammen und gründen ihren eigenen Verein. Theresia Richter wird Vorsitzende.

Viele Freundschaften entstanden durch den Sport

„Der Sport hat mir immer viel gegeben, dadurch habe ich so manches bewältigen können, was für uns als Familie anstand, auch die Neuheiten, die durch die Wende auf uns zukamen“, sagt sie. „Gerade als Übungsleiterin ist man so konzentriert, dass man in der Sporthalle alle Sorgen vergisst.“

Dabei ist es nicht nur der Sport selbst, sondern auch und vor allem die Gemeinschaft, die sie schätzt. „Es sind über die Jahre viele Freundschaften entstanden, die bis heute halten“, sagt Theresia Richter. So werden neben dem wöchentlichen Training auch etwa Faschingsfeiern oder Wanderausflüge zusammen verbracht.

Auch während der Corona-Zeit hält die 33-köpfige Gruppe zusammen. Damit die Frauen in Bewegung bleiben, hat Theresia Richter im Wohnzimmer vor der Kamera vorgeturnt – und die Videos anschließend in die gemeinsame WhatsApp-Gruppe geladen. Zusammen mit einem 3G-Gruß der besonderen Art: Gesundheit, Glück und Geborgenheit. Für die Frauen in ihrer Gruppe findet sie immer wieder lobende Worte: „Wir sind ein starkes Team, auf das man sich verlassen kann. Alle sind diszipliniert und helfen sich gegenseitig.“

„Ich freue mich drauf, mittendrin zu sein“

Das Miteinander, das Gemeinsame ist der offenen Frau wichtig. „Das Leben öffnet, wenn man mit vielen Menschen zusammenkommt.“ Ihren Posten als Übungsleiterin will sie zum Ende der Saison im Juni abgeben. „Den Sport an sich will ich auf keinen Fall aufgeben“, betont sie. „Aber ich freue mich drauf, dann selber mal mittendrin zu stehen in der Gruppe.“

Auch neben dem Sport in der Turnhalle hält sich Theresia Richter fit: Gemeinsam mit ihrem Mann geht sie noch regelmäßig ins Geschäft, um ihren Sohn zu unterstützen, der den Laden inzwischen führt. Abwechselnd nehmen dann jeweils sie oder ihr Mann das Auto, der andere läuft den Weg von der Thrombergsiedlung zur Äußeren Lauenstraße.

Sie ist überzeugt: "Jeder kann Sport machen"

Das aber erst, nachdem die beiden ihren Morgensport gemacht haben. „20 Minuten nehme ich mir dafür jeden Morgen.“ Mal mit ihrem eigenen Programm, mal mit dem Fitnessprogramm eines österreichischen Fernsehsenders. Sie ist überzeugt: „Jeder kann Sport machen. Und man kann auch im Alter noch damit anfangen.“

Dass sie jetzt 80 wird, könne sie noch gar nicht so richtig fassen, sagt Theresia Richter. „Man geht eben nun hinüber ins neue Jahrzehnt. Ich gehe wie immer optimistisch darauf zu.“ Feiern will sie gleich mehrmals, mit ihrer Familie und, wie soll es anders sein, mit der Sportgruppe. Die wird dann, wie schon so oft, zu ihr nach Hause eingeladen.

Worauf sie sich in den nächsten Jahren freut? Erst einmal auf das Frühjahr und den Garten. Im Sommer geht es mit ihrem Mann und dem Kolpingverein an den Bodensee. Eine besondere Freude der dreifachen Großmutter: Ihr Urenkel, der, wie es der Zufall will, in diesem Jahr zu ihrem 62. Hochzeitstag ein Jahr alt wird. „Wir sind jeden Tag dankbar. Wir haben eine intakte Familie und ein erfülltes Leben.“