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Womit Nostitz beim Dorfwettbewerb punkten will

Nach der Corona-Pause heißt es nun wieder „Unser Dorf hat Zukunft.“ Für den Weißenberger Ortsteil trifft das in vielerlei Hinsicht zu. Man muss nur genau hinsehen.

Von Uwe Menschner
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Ortsvorsteher Jens Sterzel kennt die schönsten Plätze von Nostitz – dieser mit Blick auf Kirche und Dorfteich zählt zweifellos dazu.
Ortsvorsteher Jens Sterzel kennt die schönsten Plätze von Nostitz – dieser mit Blick auf Kirche und Dorfteich zählt zweifellos dazu. © Uwe Menschner

Weißenberg. Manche Orte offenbaren ihren besonderen Reiz erst beim genaueren Hinsehen. Zu ihnen zählt zweifellos auch der Weißenberger Ortsteil Nostitz. Beim Durchfahren sieht man – je nach Richtung – erst die Kirche und dann den großen Dorfteich oder erst den Teich und dann die Kirche. Beide zusammen ergeben ein schön anzusehendes Ortsbild, das aber im Vergleich zu anderen Dörfern nicht unbedingt als große Besonderheit gelten muss.

Um auch die versteckten Reize zu entdecken, empfiehlt es sich, auf eine kleine Entdeckungstour zu gehen. Optimalerweise unter kundiger Führung, zum Beispiel durch Jens Sterzel. Er ist Ortsvorsteher der Weißenberger Ortschaft Kotitz/Nostitz und kennt sich daher bestens aus. Das sollte er auch, muss er doch demnächst einer Jury darlegen, warum Nostitz einen Preis beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ verdient hat.

Im ehemaligen Pferdestall ist ein Festsaal entstanden

Aus dem Kreis Bautzen treten außerdem Hoske, Kotten, Oberlichtenau, Rammenau und Rothnaußlitz an. „Der Ortschaftsrat liebäugelt schon seit einer Weile mit der Teilnahme. Diesmal haben wir gesagt: Jetzt machen wir es“, erklärt Jens Sterzel. „Schließlich ist Nostitz ein Dorf, das man vorzeigen kann.“

Doch was ist es nun, das den besonderen Reiz von Nostitz ausmacht? Jens Sterzel macht Station am Rittergut, wo sich im sanierten ehemaligen Pferdestall ein aufwändig restaurierter Saal befindet, der in normalen Zeiten mehr als 100 Besucher fasst. Granitsäulen tragen die Gewölbebögen, die zusammen mit den Wänden, an denen die Steine nicht durch Putz verdeckt sind, für das besondere Flair des Festsaals sorgen. „Hier befindet sich das kulturelle Herz unseres Dorfes“, erklärt Jens Sterzel.

Weiter geht es auf einem gut ausgebauten Feldweg am westlichen Dorfrand entlang. Kleinere und größere Bauernhöfe prägen das Bild, und keiner davon vermittelt den Eindruck, unbewohnt zu sein. „Wir haben in Nostitz keinen Leerstand“, berichtet der Ortsvorsteher stolz. Oftmals seien es junge Familien, die sich hier den Traum vom eigenen Fleckchen Erde erfüllen: „In Nostitz gibt es unglaublich viele Kinder.“ Ihnen soll die Teilnahme am Dorfwettbewerb vor allem zu Gute kommen, doch davon später mehr.

Erdwall schützt vor Schlammlawinen

Zunächst verweist Jens Sterzel auf einen Zaun und einen Erdwall, die das höher liegende Ackerland vom Ort abschirmen: „Früher spülten Regenfluten oftmals Schlammlawinen nach Nostitz. Dank dieser Schutzmaßnahme ist es damit vorbei.“ Der Weg selbst entstand – wie einige andere auch – im Zuge der Flurneuordnung: „So gibt es jetzt ein ganzes Netz von Wegen, auf denen man Nostitz ringförmig erkunden kann.“ Und von denen aus man weit ins Land, bei guter Sicht bis zur Schneekoppe, blickt.

Unweit eines Agrarbetriebes mündet der Feldweg in die Hauptstraße ein. Die Dächer spiegeln sich im Sonnenlicht – sie sind von Photovoltaikelementen bedeckt. „Landwirtschaft und erneuerbare Energien sind wichtige Themen für die Dorfentwicklung“, weiß Jens Sterzel. Um Letzteres geht es auch in dem zur Ortschaft gehörenden kleinen Dörfchen Grube mit seiner mächtigen Mühle und der benachbarten Wasserkraftanlage am Löbauer Wasser.

Wieder in Nostitz angekommen, macht Jens Sterzel am Dorfteich halt, denn dieser bietet zusammen mit der Kirche dann doch das beste Fotomotiv. Wichtiger ist ihm allerdings, was sich auf der anderen Seite der Straße befindet: ein etwas in die Jahre gekommener Spielplatz. „Mit dem Preisgeld, das wir hoffentlich bekommen, wollen wir ihn neu ausstatten“, berichtet der Ortsvorsteher.

Das ganze Jahr über gibt es Gründe zum Feiern

Nach und nach wird klar: Das eine große Highlight, mit dem Nostitz seine Mitbewerber ausstechen will, gibt es nicht. Es ist die Summe vieler kleiner Puzzleteile, die das Gesamtbild eines intakten, lebendigen Dorfes ergeben. „Wir Nostitzer pflegen einen engen Zusammenhalt, grüßen uns auf der Straße und feiern gern“, gibt Jens Sterzel Einblick in das Selbstverständnis der Bewohner.

Selbst unter den Corona-Einschränkungen habe dieser Zusammenhalt nicht gelitten, auch wenn die traditionellen Feste nur eine Nummer kleiner oder gar nicht stattfinden konnten. Und zum Feiern gibt es in jeder Jahreszeit einen guten Grund: Weihnachtsbaumverbrennen, Hexenfeuer, Maibaumwerfen, Geisterfest, Silvestertanz…

Immer vorn mit dabei sind der Heimatverein und die Feuerwehr, die in diesem Jahr 135 Jahre alt wird. „Der Heimatverein befindet sich gerade in einer Phase, wo der Jugend mehr Freiraum gelassen werden soll. Wir als Ortschaftsrat unterstützen diesen Prozess“, erklärt Jens Sterzel. Einen wichtigen Pfeiler des Dorflebens bildet die Kirchgemeinde. Und auch einen Jugendclub gibt es, sein Domizil befindet sich in einem Bauwagen, der in der Nähe der Schlossruine steht.

Apropos Schlossruine: Zu ihr führt Jens Sterzel am Ende der großen Dorfrunde. Und hier ist es nun doch noch, das Highlight, welches Nostitz von allen anderen Dörfern unterscheidet. Ein Lost Place im besten Sinne, ein Ort, der in seiner Romantik nur schwer zu übertreffen ist. Keine künstlich angelegte Ruine wie im nahe gelegenen Lauske, sondern ein 1813 durch französische Truppen zerstörtes und nie wieder aufgebautes Kleinod. Sogar einen verfallenen Turm gibt es hier. Manche Orte offenbaren ihren besonderen Reiz eben erst beim genaueren Hinsehen…