Bautzen
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"Einer, der Schönheit in die Welt brachte"

Der sorbische Komponist Juro Mětšk aus Bautzen starb am 20. Januar. Sein langjähriger Freund und Kollege Malte Hübner aus Rostock erinnert an ihn.

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Der sorbische Komponist Juro Mětšk aus Bautzen ist mit 67 Jahren am 20. Januar nach schwerer Krankheit in Herrnhut gestorben.
Der sorbische Komponist Juro Mětšk aus Bautzen ist mit 67 Jahren am 20. Januar nach schwerer Krankheit in Herrnhut gestorben. © SN/M. Bulank

Bautzen. Häufig konnte man in der Vergangenheit einen nicht besonders großen Menschen durch Bautzens Straßen gehen – nein: eilen – sehen. Immer mit Mütze, Schal, und – wie angewachsen – seinem Spazierstock. Die Eile seiner Bewegungen kann als äußeres Bild eines sehr wachen, regsamen Geistes gelesen werden. Und in der Tat sagte Juro Mětšk - von ihm ist hier die Rede -, dass er bei diesem Gehen musikalische Prozesse vorausdenkt, die später auf seinem Notenpapier feste Gestalt annehmen würden. Vielleicht so: Die Energie des Körpers zündete die des Geistes; deren Ergebnisse wiederum dem schöpferischen Menschen seine Lebensfreude, seinen Sinn schenkten...

Höchste sorbische Auszeichnung verliehen

Juro Mětšk gilt als der wichtigste sorbische Komponist des späten 20. und des jetzigen Jahrhunderts. Sein Lebenswerk fand 2017 in der Verleihung der höchsten sorbischen Auszeichnung – des Ćišinski-Preises – durch den sächsischen Ministerpräsidenten die ihm zustehende Würdigung.

Schon als Zwölfjähriger begann Juro Mětšk zu komponieren; als 14-Jährigen lernte ich ihn 1969 in der Spezialschule für Musik Berlin kennen. Seit dieser Zeit hat die Freundschaft bis zur Gegenwart unser beider Leben bereichert. Wir bewunderten die und lernten gemeinsam von den großen Meistern der Vergangenheit und suchten natürlich, diesen nachzueifern. Und wir komponierten selbst, diskutierten über unsere Arbeiten, und in einigen Fällen widmeten wir einander eigene Werke. So machte er mir seine “Tři skicy za solo-wiolinu" (Drei Skizzen für Solovioline) zum Geschenk, die ich dann am 18.November 1972 in Bautzen uraufführte.

Hinwendung zur klassischen Moderne

An der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin studierte Mětšk bei Günter Kochan Komposition und war danach Meisterschüler von Reiner Bredemeyer. Sein Komponieren entwickelte sich nicht nur durch die Beschäftigung mit den Meistern, die vor dem 20. Jahrhundert wirkten, sondern erhielt auch maßgeblich von der Hinwendung zur klassischen Moderne (Schönberg, Berg, Bartok und Strawinsky) Gewinnbringendes.

Besonders am Herzen lag ihm auch Anton Webern, dessen Gesamtwerk er neben Mozarts Klavierkonzerten, Beethovens späten Streichquartetten und dem Gesamtwerk von Heinrich Schütz auf seine vorletzte Reise ins Herrnhuter Hospiz mitnahm. Impulse für sein Schaffen erhielt er auch von der Darmstädter Schule und dem persönlichen Kontakt zum Komponisten Helmut Lachenmann.

Mětšk schenkte uns ein großartiges Gesamtwerk, das neben dem frühen Streichquartett "Accent antiqes" , dem "Sestetto" , den Werken "Syndrom", "Kontraktion", "Retour", "Stigma" und dem "Quator noir" noch viele weitere umfasst.

Hört man eines dieser Werke, egal welches, bemerkt man immer das glückliche Zusammenwirken von meisterhafter Beherrschung seines Handwerks und emotionaler Substanz, die eine tiefe geistige Durchdringung seines Komponierens, ja seines ganzen Lebens zur Voraussetzung hatte.

Musik zu einem Gedicht des Vaters komponiert

Seit dem Jahr 2007erhielt unsere Freundschaft einen zusätzlichen künstlerischen Impuls: Wir starteten gemeinsam das „Fernweh“-Projekt, in welchem sorbische und Komponisten aus Mecklenburg-Vorpommern zum selben Thema komponierten. In fünf Konzertprogrammen wurden diese Werke in Bautzen, Hoyerswerda, Leipzig, Greifswald, Stralsund und Rostock aufgeführt.

„Fernweh“ meint ein Gedicht, das Juros Vater, Frido Mětšk, 1944 schrieb und 1987 von seinem Sohn vertont wurde. Dieser poesiereiche Text gefiel mir sehr, so dass auch ich eine Musik dazu verfasste und sich in der Folge weitere Kollegen, wie unter anderem die von mir sehr geschätzten Komponisten Jan Cyž und Peter Manfred Wolf, hier mit schönen Beiträgen beteiligten.

Juro Mětšk war ein Mensch, der mit seinem Werk Schönheit in die Welt gebracht hat. Am 20. Januar 2022 hat er sie nun leider verlassen. Seine Musik aber bleibt. (SZ)